Sie wissen ganz genau, dass die Gemeinschaftsschulen ein Er folg werden, und weil Sie das wissen, zwangsbeglücken Sie das Land mit den Gemeinschaftsschulen. Ich möchte einmal wissen: Warum muss eigentlich immer ich Sie daran erinnern, dass Sie eine Koalition des Zuhörens sind, meine Damen und Herren?
Kein Wunder, dass Sie nichts auf die Reihe bekommen. Bei dem einfachsten Projekt, dem Zuhören, scheitern Sie schon grandios.
Herr Abg. Dr. Kern, ge statten Sie eine Zwischenfrage, oder beantworten Sie über haupt keine Zwischenfragen?
Nein, ich beantworte kei ne Zwischenfragen. Denn dieser Punkt und die Zeit – ich se he sie ja – sind mir extrem wichtig.
Diese Selbstsicherheit, die Sie beim Thema Gemeinschaftsschule an den Tag legen, fin de ich bemerkenswert.
Warum sagen Sie denn nicht: „Wir schauen jetzt einmal und warten ab, was in den 42 Gemeinschaftsschulen tatsächlich passiert“? Ich bin der Erste – denn das Bessere ist der Feind des Guten –, der, wenn sich die Gemeinschaftsschulen be währt haben, wenn sie tatsächlich mehr Bildungsgerechtig keit schaffen sollten, wenn tatsächlich mehr Schülerinnen und Schüler einen höheren Bildungsabschluss haben,
Aber vorher müssen wir doch erst einmal überprüfen, ob es tatsächlich mehr Bildungsgerechtigkeit und bessere Ergebnis se schafft. Das ist durch nichts bewiesen.
Sie haben doch letzte Woche auch die Pressemitteilung des Philologenverbands bekommen, in der er darauf hingewiesen hat, dass 40 % derjenigen, die an der Fratton-Schule in der Schweiz das Abitur machen wollten, durchgefallen sind. Da rüber können Sie doch nicht einfach hinweggehen und sagen: Wir wissen, die Gemeinschaftsschule wird funktionieren.
Neulich hat ein Kollege von mir einen Vergleich gebracht. Diesen finde ich sehr gewagt; ich würde ihn in dieser Form auch nicht bringen. Aber ich finde ihn bedenkenswert: Die Grünen setzen sich immer sehr vehement gegen Tierversuche ein. Was sie aber machen, sind ein Stück weit Kinderversu che, ohne dass sie wissen, dass es funktioniert.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Zurufe von den Grünen und der SPD, u. a. Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das ist unverschämt!)
Damit wir dieses Risiko nicht eingehen, damit wir tatsächlich eine erfolgreiche Bildungspolitik in Baden-Württemberg ha ben, sollten wir, meine ich, zuerst überprüfen, ob es funktio niert, und dann ausbauen.
Sie reichen den ertrinkenden Schulstandorten die Hand und sagen: „Das ist aber freiwillig. Ihr müsst diese Hand nicht ent gegennehmen.“ Das ist nicht in Ordnung. Das nehme ich Ih nen auch als Pädagoge übel.
Ich will mich sonst gar nicht mehr dazu äußern. Das ist nicht nur inhaltlich völlig daneben – das müsste man jetzt tiefer ge hend besprechen –, sondern es diffamiert auch all diejenigen, die sich vor Ort im Moment wirklich die Hacken abrennen, um mit einer neuen Pädagogik zu besseren Ergebnissen zu kommen. Es ignoriert internationale Ergebnisse, und es igno riert die Erfahrung im eigenen Land.
Ich lade Sie gern einmal nach Külsheim ein. In Külsheim gibt es seit drei oder vier Jahren eine Werkrealschule, die schon wie eine Gemeinschaftsschule arbeitet und die dann auch zu den Starterschulen gehört hat. Tun Sie bitte nicht so, als wä ren wir hier im Experimentierstadium. Das ist einfach nicht fair, und es deckt sich nicht mit den Tatsachen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was ist mit dem Rechtsbruch? – Abg. Winfried Mack CDU: Was war mit dem Rechtsbruch?)
Es ist Rechtsbruch. Wenn ein Schulträger eine Schulform beantragt, die im Schulgesetz steht, und die Voraussetzungen für die Genehmigung dieser Schulform auch erfüllt sind, dann können wir nicht einfach, weil wir etwa der Meinung sind, das würde uns zu viel, oder wir da eine andere politische Li nie haben, solche Anträge nicht genehmigen, und wir können sie auch nicht auf die lange Bank schieben.
Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin im Moment sehr zuversicht lich im Hinblick auf das, was wir nächste Woche bekannt ge ben. Mir liegen Schreiben von Nachbargemeinden vor, in de nen es heißt: „Wenn ihr einen Standort in der Nachbargemein de genehmigt, dann haben wir damit ein Problem.“
Und es liegen genauso viele Schreiben vor, in denen für die eigene Gemeinde ein Schulstandort beantragt wurde. Da sind es übrigens oft die CDU-Ortsverbände, die mir schreiben: „Bitte, bitte die Gemeinschaftsschule genehmigen. Bei uns wird sie zwar nicht zweizügig, aber uns ist der Standort sehr wichtig.“ Bitte nehmen Sie auch das zur Kenntnis.
Ich wollte mich auch gar nicht mehr groß auf die Debatte einlassen, sondern nur noch drei, vier Dinge klären.
Herr Kößler, Sie haben die Frage nach den gut ausgestatteten Schulstandorten, bei denen die Schulen irgendwann mögli cherweise leer stehen, gestellt. Was wäre denn die Alternati ve gewesen? Uns liegen Gutachten vor, bei denen berechnet wurde, dass von den damals etwa 1 100 Werkrealschulstand orten – heute sind es noch etwa 900 – mindestens zwei Drit tel gefährdet wären, wenn man an der Werkrealschulkonzep tion nichts weiter unternimmt, weil dort nie auf Dauer eine stabile Ein- oder Zweizügigkeit erreicht werden kann.
Wenn man in ein integratives Schulsystem einsteigt, dann kön nen größenordnungsmäßig zwei Drittel von diesen 900 Stand orten gehalten werden; das ist in etwa die Marge. Wenn man in ein komplett integratives Schulsystem einsteigen würde, könnten wahrscheinlich sogar alle Standorte gehalten werden. Aber darüber reden wir jetzt gar nicht.