Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Heute Morgen hat Kollege Hahn die Frage gestellt, wo denn diese Landesregierung und die Regie rungsmehrheit etwas tun würden, was den ländlichen Raum schwächt. Da muss man sagen: hier eigentlich schon wieder. Denn unter dem Strich bleibt natürlich für den ländlichen Raum weniger übrig, gerade wenn man auch die Weiterbil dung berücksichtigt, die jetzt in Wertheim ist.
Ich komme nachher noch darauf zu sprechen. Böblingen be kommt zum Ausgleich Wertheim. Ist Ihnen das noch nicht auf
gefallen? Das ist ja gerade der Punkt, zu dem wir einen eige nen Antrag gestellt haben, der jetzt noch nicht behandelt wer den kann, weil dazu noch keine Stellungnahme vorliegt. Das ist kein Vorwurf; das liegt einfach daran, dass dieser Antrag zu frisch ist. Aber ich darf diesen Komplex nachher kurz ein beziehen.
Ich schicke übrigens eines noch voraus: Wir sind nach wie vor bereit, jedes Stück dieser Reform unvoreingenommen zu be trachten.
Ich habe mir auch sehr aufmerksam angehört, was jetzt von Ihnen, Herr Sckerl, und von Ihnen, Herr Sakellariou, zur Ver teidigung des Konzepts gesagt wurde. Trotzdem erlaube ich mir die Frage: Was wird dadurch eigentlich besser? Warum macht man so etwas? Ist der Zustand hinterher besser? Da ha be ich natürlich gewaltige Zweifel.
Auch dieses Stück Reform scheint mir von den Standortent scheidungen her eigentlich wenig durchsichtig zu sein. Es riecht für mich weiter nach grünem Tisch oder nach einer Art Schachbrett. Übrigens sind die Menschen, die Tarifbeschäf tigten, die Teilzeitbeschäftigten, keine Schachfiguren. Deswe gen wundert es mich, dass dieser Aspekt bei der SPD eigent lich kaum eine Rolle spielt.
Mit Verlaub, z. B. die Formulierung „sortenreine Trennung“ zwischen Ausbildung und Einsatz empfinde ich als unsinnig. Das muss ich Ihnen so deutlich sagen.
Das ist im Grunde genommen abstrakter Unsinn, Verzeihung. Da kann ich auch hingehen und sagen: „Ich bilde die Bäcker jetzt nicht mehr in der Bäckerei aus. Sortenreine Bäckeraus bildung findet an der Schule statt.“
Die frühzeitige Verbindung von Einsatz und Ausbildung – an gesprochen auch vom Kollegen Blenke – ist doch wirklich ein Vorteil.
Meine Damen und Herren, nicht jede Form von Dezentralität ist schlecht. Bei dieser Reform hat man das Gefühl, es gehe eigentlich darum, Dezentralität möglichst zu beseitigen, egal, wo man sie trifft.
Herr Sakellariou, was sagt denn jemand in Hohenlohe, wenn er nur noch nach Lahr oder nach Biberach gehen kann?
Glauben Sie, dass er dann eher zur Polizei geht? Eine gewis se Rolle spielt es schon, ob man in der Nähe eine Ausbildungs
Ich habe es vorhin angesprochen: Was Böblingen betrifft, so muss man dazusagen, dass die Akademie – die Weiterbildung – von Bad Mergentheim nach Böblingen verlegt wird.
(Abg. Petra Häffner GRÜNE: Er meint Tauberbi schofsheim! Nein, Wertheim! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Er meint Wertheim!)
Wertheim. Ich komme darauf, weil wir kürzlich wie Sie zu einer auswärtigen Fraktionssitzung in Bad Mergentheim wa ren.
Da haben wir auch die Akademie in Wertheim besucht. Die muss man in diesem Zusammenhang auch nennen, weil es auch eine Ausbildungseinrichtung ist. Da ist es, finde ich, be sonders plastisch, dass man meines Erachtens aus abstrakten Prinzipien heraus hier eher Schaden anrichtet als Nutzen stif tet. Denn dass diese Einrichtung verlegt wird, ist nicht nur ei ne Konterkarierung der Politik für den ländlichen Raum.
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Die Polizei kann keine Politik für den ländlichen Raum machen! Das können wir machen, nicht die Polizei!)
weil man Weiterbildung gut irgendwo im Grünen machen kann, wo die Leute ihre Gruppen bilden, wo sie auch einmal alle übernachten, wo sich insofern Kontakte und Gespräche über die Woche ergeben.
Viele legen gerade deshalb ihre Ausbildungseinrichtungen auf das Land, übrigens auch aus finanziellen Gründen.
Man beachte den Zuruf des Abg. Sckerl: „Dschungelcamp!“ Verzeihung, das ist genauso gut wie die „zuwachsenden Tä ler“,
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ge nau so ist es! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nein, eben nicht! Sie verzerren doch die Wirklich keit!)
Das ist entlarvend, Herr Sckerl. Für Sie ist der ländliche Raum das Dschungelcamp, der Ort, an dem die Insekten ge fressen werden.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Pet ra Häffner GRÜNE: Nein! Das stimmt nicht! – Zu ruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)
Ich bin aber noch bei dem einen letzten Punkt, nämlich der Frage, ob damit dann auch finanziell in irgendeiner Hinsicht etwas gewonnen ist. Bei der Begründung des Wegzugs von Wertheim kann man nur so rechnen, dass man sagt: In Böb lingen übernachten sie nicht mehr, da fahren sie hin und her. Das finde ich eigentlich schade, weil es dem Weiterbildungs zweck nicht entspricht.
Ich glaube, dieses Detail zeigt für diesen ganzen Bereich Aus bildung, dass man hier wieder nach einem bestimmten Prin zip vorgeht. Ich finde dieses Prinzip nicht überzeugend. Ich bin leider überhaupt nicht überzeugt, dass hinterher etwas bes ser ist. Ich fürchte, es wird hinterher, auch, was die Ausbil dung anbelangt, für die baden-württembergische Polizei schlechter.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Ich hatte den Eindruck – zumindest zu Beginn der jeweiligen Wortmeldungen der Ver treter der Oppositionsfraktionen –, dass es in unserem gemein samen Interesse liegt, junge qualifizierte Männer und Frauen für den Polizeidienst des Landes Baden-Württemberg zu ge winnen. Deshalb ist es für mich auch okay, dass Sie Interesse an den Standortentscheidungen haben.
Mich wundert aber – der Antrag stammt vom Sommer ver gangenen Jahres –, dass Sie, Herr Kollege Blenke, zu den Fra gen, die Sie in dem Antrag gestellt haben, heute fast nichts ge sagt haben. Jedenfalls haben Sie offensichtlich die Antworten nicht zur Kenntnis genommen, denn sonst hätten Sie heute nicht so argumentieren können, wie Sie argumentiert haben. Außer der grundsätzlichen Übereinstimmung, dass auch Sie daran interessiert sind, dass die Polizei auch in Zukunft aus reichend Bewerberinnen und Bewerber hat und wir die zur Verfügung stehenden Stellen besetzen können, stelle ich also keine weiteren Gemeinsamkeiten fest.
Ich bedaure dies deshalb, weil ich Ihnen wiederholt in diesem Haus angeboten habe, dass Sie sich mit Teilen unserer Struk turen intensiver befassen. Wir sind gern bereit, dass die Ver antwortlichen in unserem Haus über die jeweiligen Teilpro jekte – Bildung und Einsatz sind Teilprojekte bzw. Quer schnittsprojekte – informieren. Ich habe bisher noch nicht zur Kenntnis nehmen dürfen, dass Sie Interesse gezeigt haben, sich diese Informationen direkt vor Ort zu holen und Ihre In formationsmängel damit auszugleichen. Vielmehr fallen Sie immer wieder in die alten Muster zurück, irgendwo etwas auf zuschnappen und in parlamentarische Initiativen münden zu lassen.