Protocol of the Session on January 30, 2013

Kollege Marwein, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Bullinger?

Herr Kollege, da ich Gemeinderat in einer Ortschaft an der Grenze zu Bayern bin, interessiert mich, wie die Fraktion der Grünen im Ge meinderat der Stadt Stuttgart bei diesem Thema gestimmt hat. Das möchte ich gern wissen.

Wie Sie wissen, bin ich kein Stuttgarter und kein Mitglied des Stuttgarter Gemeinde rats

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aber in der gleichen Partei!)

und war somit auch nicht an der Abstimmung darüber betei ligt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber eines weiß man: Die FDP hat zugestimmt! – Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

Es ist immer gut, wenn man erkennt, dass man einen Fehler gemacht hat, diesen dann ausbügelt und nicht daran festhält.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Danke!)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Professor Dr. Reinhart.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Im Taubertal herrscht Ordnung!)

Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! „Wasser ist keine Ware“, die ser Satz – das sage ich, ohne ein Plagiat herbeiführen zu wol len – ist von der Landesregierung von Baden-Württemberg seit Jahrzehnten vertreten worden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Der Kollege Ulrich Müller und seine Vorgänger im Amt des Umweltministers haben in diesem Zusammenhang immer ge sagt: Die Wasserversorgung ist bei den Kommunen in guten Händen. Wir, die CDU-Fraktion, wollen, dass es auch so bleibt.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Es gibt keinen Grund, die öffentliche Wasserversorgung über die Hintertür einer Konzessionsrichtlinie der kommunalen Ho heit wegzunehmen. Die kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut. Sie ist durch Artikel 28 Absatz 2 des Grundgeset zes und Artikel 71 unserer Landesverfassung geschützt.

Was ich in den Ausführungen meines Vorredners vermisst ha be, war die Darstellung, dass es einen Regierungschef des Landes Baden-Württemberg gegeben hat, der in der Diskus sion über eine Verfassung in Europa, nämlich im Europäischen Konvent, dafür gesorgt hat, dass der Schutz der kommunalen Selbstverwaltung mit der Aufnahme in den Lissabon-Vertrag erstmals auf europäischer Ebene verankert worden ist. Das war Erwin Teufel.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wir dürfen deshalb hier auch gar keine falschen Gegensätze aufbauen. Ich habe selbst im letzten Jahr mit einem Antrag hier initiiert, dass wir auch an Europa die Botschaft richten: Weniger ist mehr. Die Wasserversorgung bedarf keiner euro päischen Regulierung.

Da sind wir an dem entscheidenden Punkt: Es gibt derzeit Ak zeptanzprobleme in Bezug auf Europa. Auf der einen Seite haben wir vor einigen Tagen stolz das 50-Jahr-Jubiläum der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags gefeiert. Wir haben vor Kurzem das 20-jährige Bestehen des Europäischen Binnen markts gefeiert. Aber genau dort liegt die Problematik: Nicht alles in Europa ist eine Sache für Europa. Das müssen wir nach Brüssel transportieren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Genau daher kommen diese Akzeptanzprobleme in Bezug auf Europa. Wir hatten kürzlich mit Edmund Stoiber eine gemein same Veranstaltung mit der IHK in Ulm. Dass wir zu viel Bü rokratie haben, kommt daher, dass die Hierarchie zu einseitig auf Richtlinien, Verordnungen und zu viele kleinteilige Re geln in Europa ausgerichtet ist. Wir wollen ein Europa der Re gionen, der Verhältnismäßigkeit und vor allem der Subsidia rität.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das ist unsere Vorstellung. Deshalb liegt der Sinn natürlich darin, dass wir im Binnenmarkt Vorteile beim Export haben, was aber nicht zum Einfallstor dafür werden darf, dass solche Richtlinien von der europäischen Ebene aus Dinge regulieren, die sich vor Ort auch ohne Rechtsänderung bewährt haben.

Die Europäische Union gründet auf dem Prinzip der begrenz ten Einzelermächtigung. Das bedeutet, dass sie nur auf den

ausdrücklich zugewiesenen Feldern aktiv werden soll und darf. Das müssen wir bei der Kommission, beim Rat, bei den Regierungen und beim Parlament einfordern. Deshalb bin ich dankbar, dass wir – die vier Fraktionen – schon vor einem Jahr übereinstimmend einen gemeinsamen Antrag hierzu verab schiedet haben.

Ich will auch bewusst sagen: Im Europaparlament waren die Vertreter der CDU und der CSU der Meinung, man sollte die se Richtlinie total ablehnen. So haben sie auch abgestimmt, nur halten sie – wie so oft in Europa – hier keine Mehrheit.

Wir müssen natürlich sehen: Unsere Vorstellung von kommu naler Selbstverwaltung ist in Europa nicht überall bekannt und wird schon gar nicht überall geteilt. Das ist das Thema, mit dem wir uns immer wieder auseinandersetzen müssen.

Deshalb, meine Damen und Herren, wollen wir, dass sich Eu ropa in Zukunft stärker auf die wesentlichen Aufgaben kon zentriert. Kommissar Oettinger – auch ein früherer Minister präsident dieses Landes – hat kürzlich zur Selbstbeschränkung der Kommission aufgerufen. Das nennt man „self-restraint“, weise Selbstbeschränkung.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das muss man schwä bisch sagen! – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Das unterstützen wir. Die Kommission soll sich auf die gro ßen Aufgaben beschränken und nicht zu kleinteilige Bürokra tie und Regelungen schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Darum geht es uns auch bei der Frage der starken Kommu nen. Wir wollen die kommunale Selbstverwaltung geschützt wissen, wir wollen starke Kommunen. Denn gerade starke Kommunen sind ein Erfolgsfaktor in unserem Land. Dazu ge hört auch die Wasserversorgung. Vertrauen wir den Gemein deräten, vertrauen wir den Gemeinden in Baden-Württem berg! Die können das, die beherrschen das, und die Bürger wollen das. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Claus Schmiedel SPD – Zuruf von der CDU: Genau!)

Daran sollten wir uns orientieren.

Meine Damen und Herren, deshalb ist es wichtig, dass wir da für kämpfen, dass gerade die Wasserversorgung nicht unter das Vergaberecht fällt. EU-Kommissar Barnier hat 2011 die se Konzessionsrichtlinie vorgeschlagen. Natürlich versucht man immer, alles über den Wettbewerb und den Binnenmarkt zu begründen. Das ist der Punkt. Diese Wettbewerbsorientie rung muss uns aber hellhörig machen, denn wir wollen letzt lich auch nach dem Prinzip der Subsidiarität, dass die Kom munen ihre Angelegenheiten erledigen, auch die Regionen, dass der Landtag seine Rechte behält und dass man ein Tätig werden von Europa nur dort fordert, wo der Nationalstaat zu klein ist, wo man grenzüberschreitende Regelungen braucht, und dass man nur dann europäische Richtlinien verabschie det, wenn man sie grenzüberschreitend braucht. Die öffentli che Daseinsvorsorge in den Händen der Kommunen hat sich bei uns bewährt, und deshalb wollen wir hier heute auch ein klares Signal senden.

Meine Damen und Herren, ich will in der ersten Runde nur noch einen Satz dazu sagen: Wir hatten in der Sitzung des Eu ropaausschusses in der vergangenen Woche auch wieder Richtlinien zu beraten, über die wir übereinstimmend disku tiert haben. Darunter war die sogenannte Ökodesign-Richtli nie. Dazu haben wir gesagt: Die Regulierung von wasserfüh renden Instrumenten wie Duschköpfen – auch das will ich ein mal sagen –

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Genau!)

gehört zu den Beispielen, die – wie die oft symbolisch disku tierten Regelungen zu den Bananen und zu den Gurken – Eu ropa die Akzeptanz kosten. Wir wollen keine neuen Aktions felder, in denen selbst der Duschkopf europäischen Regelun gen unterliegt. Das ist nicht unsere Vorstellung von Europa.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb sind wir auch klar gegen europäische Normen in die sem Bereich.

Meine Damen und Herren, für uns ist Wasser mehr als ein Menschenrecht. Es ist eine wichtige Ressource, es ist ein Ge sundheitsgut. Das wollen wir geschützt haben, und das muss in den Händen der Kommunen bleiben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

Kollege Dr. Reinhart, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lehmann?

Selbstverständlich. Ja.

Vielen Dank, Herr Kol lege Reinhart.

EU-Kommissar Oettinger hat sich in Radolfzell während der Naturschutztage im Januar dieses Jahres vehement dafür ein gesetzt, dass kein Widerstand gegen diese Reform – Stichwort Duschköpfe – organisiert wird. Er hat gesagt, es müsse dar auf geachtet werden, dass es eine wichtige Frage in Europa ist, wie Energie erzeugt und Wasser verbraucht sowie erwärmt wird; diese Punkte seien vernünftig. Pflichten Sie Herrn Oet tinger bei?

Grundsätzlich halte ich das meiste, was EU-Kommissar Oettinger sagt, für nachvoll ziehbar, für wichtig und für klug.

(Beifall bei der CDU – Abg. Klaus Herrmann CDU: Richtig!)

Sie zitieren aus dem Zusammenhang; wir hätten natürlich sei ne vollständige Rede hören müssen. Ich persönlich habe in al len Reden von EU-Kommissar Oettinger immer vernommen, dass wir eine kluge Energieversorgung einschließlich der Ver sorgung mit Energie aus erneuerbaren Energieträgern brau chen. Übrigens hat er auch hinsichtlich der Wasserversorgung immer die Auffassung vertreten, die auch ich dargestellt ha be, weil ich der gleichen Regierung angehört habe. Uns – auch dem damaligen Ministerpräsidenten Oettinger – war immer klar, dass die Wasserversorgung ein hohes Gut der Kommu nen in Baden-Württemberg darstellt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! Ein Grund mehr, CDU zu wählen!)