Noch eine kurze Anregung: Wir sehen auch von Winnenden aus mit sehr viel Wohlwol len, was hier passiert und wie es umgesetzt wird. Aber ein Thema ist für uns auch immer noch der Privatbesitz von Schusswaffen. Ich denke, das sollte zumindest von der Lan desregierung, aber auch von Ihrer Fraktion immer wieder wei ter mit in die Forderungen aufgenommen werden; denn das ist eines der Grundübel, die wir festgestellt haben. Es sollte daher in diesen Konsens mit aufgenommen werden, dass im mer wieder gefordert wird, dass hier der Bund einmal aktiv wird.
Vielen Dank, Herr Kollege, für den Appell. Das war jetzt in dem Sinne keine Frage, auf die ich antworten müsste. Ich will nur darauf hinweisen, dass wir die ses Thema zuerst und ausführlich behandelt haben und es in den gesamten Präventionskontext gestellt haben. Deswegen habe ich auch ausdrücklich noch einmal die gute Arbeit und die Projekte der Schützen- und Sportverbände ins Feld ge führt, weil ich denke, dass das auch die richtigen Ansprech partner für dieses Thema sind.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kurtz, ich bin Ihnen dank bar, dass Sie den Konsens, den wir im Sonderausschuss in weiten Teilen gehabt haben, hier heute noch einmal beschwo ren und diesen Konsens auch eingefordert haben. Wir halten uns an diesen Konsens. Ich denke, von allen, die an diesem Sonderausschuss beteiligt waren, hat dieser Sonderausschuss nicht nur viel Arbeit erfordert, sondern hat ihnen auch ein Stück Veränderung im Blick auf Schule und auf das, was in der Gesellschaft passiert, gebracht. Deswegen war der große Konsens wichtig, und wir haben es uns auch zum Ziel gesetzt, die Handlungsempfehlungen des Sonderausschusses vollum fänglich umzusetzen. Das möchte ich vorweg sagen.
Wir haben aber auch – das muss man hier auch noch einmal klar sagen – die Erkenntnis gewonnen, dass wir ein Programm zur Gewaltprävention in die Fläche und an alle Schulen brin gen wollen und dass hierfür das Gewaltpräventionsprogramm nach Dan Olweus das richtige ist. Wir haben das auch in ers ten Schritten umgesetzt, und wir werden das auch weiter in die Fläche bringen, damit es auch flächenhaft wirkt. Denn die Erkenntnis, die wir gewonnen haben, ist die, dass wir eigent
lich nur durch ein funktionierendes Netzwerk von Eltern, Pä dagogen, Schulsozialarbeitern, Psychologen bis hin zur Poli zei präventiv wirken können.
Wir wissen aber auch, dass wir Amokläufe damit nicht ver hindern können. Das ist auch klar. Die Exzesse, die im letz ten Jahr in den USA stattgefunden haben – es gab mindestens drei Amokläufe mit furchtbaren Todesfällen –, die aber auch in Deutschland immer wieder vorkommen – wie letztes Jahr in Memmingen; dort wurde zum Glück niemand verletzt, ob wohl 70 Schüsse abgegeben wurden –, zeigen, dass wir hier ein Phänomen haben, ein Problem haben, das uns noch sehr lange beschäftigen wird. Das besorgt uns.
Wir hatten aber – das dürfen wir, Frau Kurtz, trotz des Kon senses nicht verschweigen – auch unterschiedliche Positio nen. Dies betraf z. B. die Frage: Wie halten wir es mit dem Waffenrecht? Wie scharf nehmen wir dies in den Blick? Bei dieser Frage hatten wir keinen Konsens.
Wir hatten auch keinen Konsens hinsichtlich der Frage, wel che Rolle z. B. die Schulsozialarbeit spielt. Grüne und SPD hatten hierzu Minderheitsvoten eingebracht. Wir haben unser Anliegen nun umgesetzt. Wir haben die Schulsozialarbeit in die Landesverantwortung aufgenommen, gerade aus dem Grund, dass diese Aufgabe in den Verantwortungsbereich al ler fällt. Davon ist das Land auch nicht auszuschließen. Hier kommt der Schulsozialarbeit eine wichtige Rolle zu.
Wir waren uns auch nicht einig in der Frage – das begleitet uns in der bildungspolitischen Debatte ständig –: Wie gehen wir mit den Unterschieden, die heute in den Schulen, unter den Schülern bestehen, um? Wie gehen wir mit Heterogenität um? Wie gehen wir mit der Vielfalt um? Eine Antwort darauf ist, dass wir bildungspolitisch andere Akzente setzen. Wir er achten längeres gemeinsames Lernen als wichtig und werden das mit den Bürgern und den Schülern vor Ort schrittweise umsetzen.
Frau Kurtz, ich möchte Ihnen auch bei noch einem Punkt wi dersprechen. Wir halten Ganztagsschulen für einen wichtigen Ansatz, der präventiv wirkt; denn wenn Ganztagsschulen rhythmisiert aufgestellt sind, dann beinhaltet das Programme zur Gewaltprävention und Suchtprävention. Davon sind wir überzeugt und werden das umsetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der Abg. Gabi Rolland SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)
Allein für die Schulsozialarbeit haben wir 15 Millionen € jähr lich mehr bereitgestellt. 2014 werden wir diesen Betrag um 10 Millionen € erhöhen. Wir haben also einen hohen finanzi ellen Beitrag erbracht.
Bisher haben wir unsere Ausbauschritte bei der Umsetzung der Handlungsempfehlungen eingehalten. Das wird hier be stätigt. Ich sage Ihnen aber auch offen, dass wir beim Thema Beratungslehrer noch nacharbeiten müssen. Die Vorgabe ha ben wir gemeinsam im Sonderausschuss gemacht. Die noch vorhandene Lücke ist noch zu füllen. Das ist aber natürlich auch der Tatsache geschuldet – das gehört, Frau Kurtz, zur
Ehrlichkeit dazu –, dass wir diese Mittel in den regulären Haushalt überführt haben. Damals wurden die Maßnahmen über eine globale Mehrausgabe finanziert. Das ist natürlich zuerst einmal schön schnell gewesen, aber das ist in der Poli tik keine Nachhaltigkeit. Wir haben uns das Ziel gesetzt, die se Punkte nachhaltig zu finanzieren. Deswegen haben wir die Finanzierung der Maßnahmen regulär in den Haushalt einge stellt. So wird es auch in Zukunft erfolgen.
Ich glaube, wenn wir in einem oder zwei Jahren wieder eine Bestandsaufnahme machen – das sollten wir tun –, dann wer den wir in Baden-Württemberg eine bessere Präventionsar beit haben als in der Vergangenheit.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nach den Amokläufen in der Vergangenheit, ins besondere nach dem Amoklauf in den USA kurz vor Weih nachten, ist die Diskussion darüber auch bei uns in Deutsch land wieder hochgekommen.
Die jüngsten Vorschläge, die wir von der Waffenlobby in Amerika vernehmen konnten, finden meine Zustimmung na türlich nicht. Ich hoffe, auch Ihre Zustimmung werden diese Vorschläge nicht finden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Wir haben kein Waffenrecht wie in den USA!)
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass es bei diesem Thema keine einfachen Lösungen gibt. Wir brauchen uns nur die Gebäude anzuschauen, denn die baulichen Gegebenheiten sind sehr unterschiedlich. Sie reichen vom massiven Gründer bau bis hin zu den modernen lichtdurchfluteten Plattenbauten. Die Unterschiede, die dadurch gegeben sind, wissen wir alle einzuschätzen.
Über die Fragen „Türklinke oder -knauf?“ und „Verbarrika dieren oder ins Freie flüchten?“ wurde ebenso wie über die Frage „Verschlüsselte Durchsagen oder Klartext?“ diskutiert. Meine Damen und Herren, ich habe das alles schon mitdisku tiert und kann Ihnen trotzdem sagen: Für die Schulen bleibt die Beantwortung dieser Fragen eine Daueraufgabe.
Meine Damen und Herren, so unterschiedlich die jeweiligen Gebäude sind, so unterschiedlich die einzelnen Maßnahmen auch bewertet werden, in einem stimmen wir hoffentlich über ein, nämlich: Eine gute Vorsorge vermindert das Risiko eines Amoklaufs erheblich.
Die Wissenschaft behauptet, dass ein Amoklauf keine Kurz schlusstat sei, sondern sich der Täter lange zuvor damit aus einandersetze und eine weit überdurchschnittliche Kränkbar keit an den Tag lege, die oft mit einem weit unterdurchschnitt lichen Selbstbewusstsein einhergehe. Wenn das so zutrifft, dann müssen Menschen im Umfeld eines potenziellen Täters doch etwas bemerken.
Etwas zu bemerken bedeutet zunächst einmal festzustellen, dass etwas nicht stimmt. Im Abschlussbericht des Sonderaus schusses hat Christoph Palm festgehalten, dass es extrem schwierig sei, einen potenziellen Amokläufer, der den Ent schluss zur Tat gefasst hat, noch von seiner Tat abzubringen. Deshalb hat der Sonderausschuss den Schwerpunkt der Emp fehlungen auf Prävention und Früherkennung gelegt.
Meine Damen und Herren, das kann Schule natürlich nicht al lein schaffen. Es müssen auch die Eltern eingebunden wer den. Ich hatte gerade in den vergangenen Tagen mehrere El tern vor mir sitzen, die mit ihrem Latein am Ende waren. Auch wenn meines Erachtens nicht direkt Amokgefahr gedroht hat, so war doch eine große Gewaltbereitschaft bei den – stets männlichen – Jugendlichen erkennbar.
Leider erlebe ich – Herr Röhm, das wird auch Ihnen so gehen –, dass Eltern oft überfordert sind und einfach gar nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Insofern sind zusätzliche und leicht zugängliche Informationen erforderlich. Dabei ist mei nes Erachtens auch die Politik gefordert.
Das ist eine Entwicklung, die ich Ihnen nicht vorenthalten will. Meine engagierte Schulpsychologin hat schon einiges zu tun – in letzter Zeit zunehmend mehr. Neben Eltern, Freun den und Verwandten tragen die Schulen dennoch eine große Verantwortung.
Jetzt kommen wir zu dem Punkt, den wir in den Fokus neh men müssen: Lehrerinnen und Lehrer müssen hinschauen. Sie müssen aufmerksam beobachten, und sie müssen sich ihren Schülerinnen und Schülern zuwenden.
Im Zuge der Neuordnung der Lehrerausbildung müssen wir diesem Aspekt eine besondere Aufmerksamkeit widmen. Mei ne Damen und Herren, vielleicht hat sich schon herumgespro chen, dass die Person der Lehrerin bzw. des Lehrers der we sentliche Faktor für ein gelingendes Lernen ist. Wir müssen Lehrerinnen und Lehrer also noch mehr qualifizieren und sen sibilisieren. Gleichzeitig müssen wir aber auch klare Verhal tensregeln definieren: null Toleranz gegenüber Gewalt und Mobbing, nicht wegschauen, auch wenn das Hinschauen viel leicht Unannehmlichkeiten mit sich bringt.
Außerdem gilt es, niedrigschwellige Hilfsangebote zu ma chen. An meiner Schule werden z. B. Schülerkonfliktcoaches in der zweiten und demnächst in der dritten Runde ausgebil det.
Wir müssen die Hintergründe von Gewaltausbrüchen aufde cken. Wir müssen Opfer schützen und betreuen. Außerdem dürfen wir auch nicht – bei Bedarf – die Zusammenarbeit mit der Polizei scheuen. Meine Damen und Herren, das ist ein fach so. Bei mir an der Schule gibt es eine ganze Reihe jun ger Leute, die in den Jugendarrest gehen, wenn ich sage, dass es mit der Ausbildung nicht funktioniert. Dabei haben die Schulen eine besondere Verantwortung: Den Weg zurück in
Dabei geht es nicht nur um die angesprochene Änderung der Lehrerausbildung, um Fortbildungsangebote und eine Ver schärfung des Waffenrechts. Wir brauchen auch eine medien pädagogische Erziehung, die Kindern und Jugendlichen Re alitätsbewusstsein ermöglicht. Oder anders ausgedrückt: Sie müssen schon wissen, was Film und was Wirklichkeit ist.