Protocol of the Session on December 19, 2012

Der Kollege Herrmann hat Ihnen zum x-ten Mal die Kür zungsvorschläge der Opposition vorgetragen. Wir haben jetzt die vierte oder fünfte Debatte zum Haushalt. Diese Kürzungs vorschläge werden immer wieder vorgetragen.

(Zuruf des Abg. Thomas Marwein GRÜNE)

Der Kollege Maier hat sich wenigstens in dieser Debatte mit diesen Kürzungsvorschlägen auseinandergesetzt und hat sie abgelehnt. Das ist in Ordnung. Das können Sie tun. Sie kön nen sich mit unseren Kürzungsvorschlägen inhaltlich ausein andersetzen und dann anschließend erklären: „Das lehnen wir ab; wir haben hier die Mehrheit.“ Aber Sie können sich doch nicht ständig hier in diesem Landtag hinstellen und in einem Anfall kollektiver Demenz behaupten, es gebe gar keine Kür zungsvorschläge der Opposition. Wir machen diese Vorschlä ge. Sie lehnen sie ab. Das ist in Ordnung. Aber diese Vorschlä ge gibt es, und der Kollege Herrmann hat völlig recht: Wenn Sie diese Vorschläge umsetzen würden, dann brauchten Sie diese Schuldenorgie nicht, die Sie im Land Baden-Württem berg veranstalten.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Ich will nur das Wichtigste wiederholen – man muss offen sichtlich im Sinne der Pädagogik mit Wiederholungen dafür sorgen, dass die Dinge irgendwann Eingang finden; beim Kol legen Maier beginnt es ja schon zu fruchten –:

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD)

Strukturelle Belastungen des Haushalts um 160 bis 170 Mil lionen € durch die Abschaffung der Studiengebühren, Verzicht auf das Konzept der Schaffung freiwilliger Lebensarbeitszeit konten; zudem haben Sie die Streckung unserer Stellenabbau programme wieder gestrichen; Sie haben zusätzliche Stellen in den Ministerien sowie unsinnige Doppelstrukturen im Be reich G 8/G 9 geschaffen; hinzu kommen die Einführung der Gemeinschaftsschule, und zwar so, dass sie gegenüber allen anderen Schultypen bevorzugt wird, die unsinnige und regi onal unausgewogene Polizeireform und – ich sage das in al ler Deutlichkeit immer wieder – die fehlende Umsetzung des Steuerabkommens mit der Schweiz. Sie können es herunter rechnen, wie Sie wollen: Die Umsetzung hätte zu einer Mil lionenentlastung unseres Haushalts geführt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ein über flüssiges Ministerium!)

Besonders unseriös ist, dass Sie in Ihre Finanzplanung auch noch Steuererhöhungen einkalkulieren. Kollege Maier hat ja sinngemäß erklärt, er wolle gar keine Steuererhöhungen, weil man von den höheren Erträgen zu viel abgeben müsse, aber trotzdem planen Sie damit. Sie planen damit, dass nach einem angeblichen Wahlsieg von Grün und Rot bei der Bundestags wahl – es gibt zwar keine Umfrage, die diesen Wahlsieg sieht, aber Sie planen trotzdem damit – der Spitzensteuersatz erhöht wird, die Vermögensteuer wieder eingeführt und die Erb schaftsteuer verschärft wird, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Ich kann nur sagen: Erzählen Sie das nur laut im Land BadenWürttemberg, erzählen Sie das in einem Land mit einer mit telständischen Struktur! Das ist ein Horrorprogramm für den Mittelstand, was Sie da nach der Bundestagswahl vorhaben,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

und ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm für Baden-Würt temberg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Meine Damen und Herren, ich mache auch in dieser Rede an dieser Stelle wieder das Angebot: Wir können gern erneut über die Umsetzung der Schuldenbremse verhandeln. Ich habe am vergangenen Freitag hier einen möglichen Weg skizziert. Aber eines ist klar, meine Damen und Herren: Verhandlungen sol len zu einem Kompromiss führen, und ein Kompromiss kann nicht bedeuten, dass sich die Opposition dem unterwirft, was Sie vorschlagen, nämlich dass wir die Nullneuverschuldung erst im Jahr 2020 schaffen, wenn das Grundgesetz dies ohne hin erfordert, und dass es bis zum Jahr 2020 eine Neuverschul dung von 8 Milliarden € oder mehr gibt. Da müssen wir uns vielmehr irgendwo auf der Strecke treffen. Da können wir Ih nen keine 8 Milliarden € neue Schulden zugestehen, sondern maximal die Hälfte. Sonst wird es, glaube ich, mit der FDP/ DVP- und vermutlich auch mit der CDU-Fraktion eine solche Einigung nicht geben.

Meine Damen und Herren, über Ihr Verständnis von struktu rellem Sparen wurde bereits mehrfach gesprochen. Dass man beispielsweise 120 Millionen € Ausschüttungen der Landes bank Baden-Württemberg so betrachtet, als würden sie in je dem Fall fließen, und das dann auch als Sparbeitrag verkauft, dass man eine Vereinbarung mit der kommunalen Ebene bis zum Jahr 2016 als langfristiges strukturelles Konzept verkauft, all dies ist nicht seriös, meine Damen und Herren. Denn wenn man sich einmal genau anschaut, was Sie wirklich strukturell einsparen, kommt man auf 81,5 Millionen € im Jahr 2013 und 141,6 Millionen € im Jahr 2014.

Gleichzeitig haben Sie aber neue strukturelle Mehrausgaben geschaffen, nämlich in Ihrem „Volksbeglückungsprogramm“, und zwar in Höhe von 186,4 Millionen € im Jahr 2013 und 202,9 Millionen € im Jahr 2014. Selbst wenn man das für Sie günstigere „Sparjahr“ 2014 betrachtet und die wirklichen strukturellen Einsparungen von 141,6 Millionen € mit den strukturellen Mehrausgaben von 202,9 Millionen € im Jahr 2014 vergleicht, kommt man zu dem Ergebnis, dass Sie den Haushalt um mehr als 60 Millionen € strukturell belasten. Sie sparen überhaupt nichts ein, sondern unter dem Strich geht die Neuverschuldung einschließlich der strukturellen Neuver schuldung munter weiter. So werden Sie diesen Haushalt nie mals konsolidieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Die Einzigen, bei denen Sie wirklich sparen – auch das wur de bereits mehrfach diskutiert –, sind die Beamten. Auf diese Art und Weise, Frau Aras, werden Sie mit Sicherheit den öf fentlichen Dienst nicht attraktiv machen für die hoch qualifi zierten Fachleute unter den jungen Menschen, die das Land Baden-Württemberg braucht.

Im Ergebnis ist dieser Haushalt ein erschreckendes Dokument von Politikversagen und ein Zeugnis gebrochener Wahlver sprechen. Keine Opposition auf dieser Welt könnte einem sol chen Haushalt zustimmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht der Minister für Finanzen und Wirtschaft Dr. Nils Schmid.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der große Sozial demokrat Kurt Schumacher hat einmal gesagt: „Politik be ginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“ Genau diese Hal tung habe ich während der letzten Wochen bei den Haushalts beratungen in diesem Haus an vielen Stellen vermisst. Eine gute Opposition kritisiert – das ist ihre Aufgabe –, doch sie kritisiert konstruktiv. Eine schlechte Opposition dagegen setzt auf Kalauer anstatt auf Konzepte. Ich bin schon dankbar, dass wir heute von Brüllattacken und haltlosen Lügenvorwürfen verschont worden sind.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Aber Vorsicht! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es gibt noch keine Entgleisung Ihrer seits!)

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Haus haltsberatungen waren wahrlich keine Sternstunde der Oppo sition. Es war die Abdankung der Opposition in der Haushalts politik des Landes.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Starker Beifall!)

Dabei lebt die Demokratie von Alternativen. Doch auch nach mehr als 18 Monaten ist Schwarz-Gelb keine Regierung im Wartestand. Nein, Sie haben immer noch nicht anerkannt, dass Sie es waren, die uns erhebliche Erblasten hinterlassen haben: 43 Milliarden € Schulden,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Weg mit dem Re denschreiber!)

über 70 Milliarden € Pensionsverpflichtungen, eine Qualitäts offensive Bildung in dreistelliger Millionenhöhe, die nicht durchfinanziert war und bei der Sie den Klassenteiler auf Pump abgesenkt haben,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das stimmt doch gar nicht! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

sowie einen Sanierungsstau bei Landesstraßen und Landes gebäuden in Milliardenhöhe. Sie haben uns in diesen Schla massel geführt. Wir fangen an aufzuräumen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Kommen wir zu den Fakten Ihrer Deckungsvorschläge. Die CDU sagt zusammen mit der FDP/DVP zwar immer, wir sei en nicht ambitioniert genug, die Null müsse sofort – schon im Doppelhaushalt 2013/2014 – stehen. Doch leider haben Sie uns die ganzen Wochen über nicht sagen können, wie Sie die ses Ziel erreichen wollen.

Das beste Beispiel: Sie verbuchen sage und schreibe 1 Milli arde € Mehreinnahmen aus dem Steuerabkommen mit der Schweiz.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das gibt es doch gar nicht!)

Beruhen diese Zahlen auf Schätzungen, die nicht einmal der größte Fan dieses Steuerabkommens, nämlich Herr Schäub le, in seinem Haushalt veranschlagt hat?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: So ist es! Das war die Mogelpackung des Jahres!)

Erstens: Herr Schäuble hat bei seiner Veranschlagung nicht 10 Milliarden € als Basis genommen, sondern nur die Garan tiesumme von gerade einmal 2 Milliarden Schweizer Fran ken. Das heißt, Sie sind noch unseriöser als Herr Schäuble. Sie gehen weit über das hinaus, was der größte Verfechter des Steuerabkommens in seinem Haushalt veranschlagt hat. Un seriöser geht es nicht, meine sehr verehrten Damen und Her ren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Oi, oi! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und Sie verzichten auf alles freiwillig!)

Zweitens: Selbst wenn eine Einnahme aus dem Steuerabkom men zu verbuchen wäre, wäre das gerade das Paradebeispiel für einen Einmaleffekt und eben kein struktureller Konsoli dierungsbeitrag.

Drittens: Das Entscheidende für uns ist – das wissen Sie ganz genau –, dass wir diesem Abkommen nicht zustimmen kön nen. Denn dieses Abkommen tritt die Steuergerechtigkeit mit Füßen. Wir sind auf der Seite der ehrlichen Steuerzahler. Sie wollten Steuersünder schützen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Vieles verjährt, und Sie verschenken es! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Wenn Sie also sagen, Sie wollten mit Ihrem Haushaltskonzept § 18 LHO in der alten Fassung, die nunmehr nicht mehr gilt, einhalten, haben Sie Ihre eigenen Maßstäbe verfehlt. Selbst wenn wir unterstellen, die 1 Milliarde € aus dem Steuerab kommen mit der Schweiz würde kommen, selbst wenn wir unterstellen, die Änderung des Länderfinanzausgleichs wür de so kommen, wie Sie es genannt haben, bestünde nach dem CDU-Deckungskonzept in der Bilanz immer noch eine Lücke von 650 Millionen € im Landeshaushalt.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie schaffen es mit Ihrem Finanzkonzept weder im Jahr 2013 noch im Jahr 2014, die Nullverschuldung zu erreichen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Unsinn! Das stimmt doch gar nicht!)

Das heißt, auch Sie sind nicht in der Lage, sofort die Nullver schuldung zu erreichen. Gestehen Sie das endlich ein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Unsinn! Das stimmt doch nicht!)

Dabei sind Ihre Entschließungsanträge in diese Rechnung noch gar nicht einbezogen. Denn Sie haben den Kunstgriff ge tan,

(Abg. Winfried Mack CDU: Das glaubt Ihnen nicht einmal Ihre eigene Fraktion!)

dass Sie all die Mehrausgaben, die Sie beispielsweise im Zu ständigkeitsbereich des Ministeriums für Ländlichen Raum gefordert haben,