Die Politik des Gehörtwerdens gilt so lange, solange der Bür ger das sagt, was die Regierung von ihm verlangt.
Wenn aber etwas anderes herauskommt, dann erklärt man, die Politik des Gehörtwerdens bedeute nicht, dass der Bürger auch erhört werde, sondern dann wird Basta-Politik im Landtag von Baden-Württemberg gemacht. So sieht Ihre Bürgerbeteiligung aus – reine Heuchelei, meine Damen und Herren.
Herr Ministerpräsident, Sie sprachen von den Grundfaktoren des Haushalts. Zunächst einmal haben Sie hier ausgeführt, wo Sie überall mehr Geld ausgeben. Das haben wir gemerkt, dass Sie überall mehr Geld ausgeben.
Von Einsparungen ist nicht die Rede. Die Zahlen liegen auf dem Tisch. Sie können doch überhaupt nicht bestreiten, dass Sie deutliche Mehreinnahmen haben. Herr Kollege Schmie del, nicht nur brutto, sondern auch netto haben Sie deutlich mehr Einnahmen, als wir sie in den Jahren 2010 und 2011 hat ten. Sie können auch nicht bestreiten, dass Sie Milliarden an Mehrausgaben haben. Deshalb ist es doch Unfug, hier immer wieder zu behaupten, die Neuverschuldung sei die Schuld der Opposition.
Frau Kollegin Sitzmann, Sie haben dasselbe versucht, was der Herr Ministerpräsident bei der letzten Debatte über den Haus halt versucht hat. Wohlweislich hat er es heute nicht wieder holt. Ich meine die Behauptung, die ausgeglichenen Haushal te der Vergangenheit seien auf Einmaleffekte zurückzuführen.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Sie hatten eine schöne Statistik, Frau Sitzmann – wohlweislich bis zum Jahr 2007. Ab 2008 hat es Ihnen nicht mehr in den Kram ge passt. Sie haben aber keine Erklärung dafür geliefert, warum wir 2008 einen ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschul dung hinbekommen haben – bis auf die Sondereffekte. Wenn ich es richtig verstanden habe: strukturelles Defizit 2,5 Milli arden €, ausgeglichener Haushalt 2008, Sondereffekt von 2,5 Milliarden €. Gut.
Im Jahr 2009 – auch nicht in Ihrer Statistik – gab es den nächs ten ausgeglichenen Haushalt der schwarz-gelben Landesre gierung ohne Neuverschuldung – wahrscheinlich wieder Son dereffekte, wieder 2,5 Milliarden €. Das sind in der Summe 5 Milliarden €.
Im Jahr 2011 gab es den nächsten ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung – wieder 2,5 Milliarden €, in der Sum me 7,5 Milliarden €, und 2012 noch einmal 2,5 Milliarden €. Insofern haben wir dann in fünf Jahren 10 Milliarden € an Sondereffekten. So dumm kann in Baden-Württemberg nie mand sein, dass er Ihnen diese Geschichte abkauft, meine Da men und Herren. Das können Sie niemandem erzählen.
Herr Ministerpräsident, Sie bitten um Konsens. Wir haben, genauso wie die CDU-Fraktion – – Ich könnte das, was der Kollege Hauk an zeitlichen Abläufen geschildert hat, aus Sicht der FDP/DVP an dieser Stelle ziemlich ähnlich ebenfalls schil dern. Sie haben dies immer wieder angeboten. Das zeichnet auch ein Stück weit Ihren „Regierungsstil“ aus. Bei der Ge meinschaftsschule haben Sie es ähnlich gemacht. Da haben Sie hier im Landtag von Baden-Württemberg unter dem Ju bel von Grünen und Roten das Gemeinschaftsschulgesetz be schlossen. Zwei Tage später sind Sie zu einem Verband ge gangen und haben mit treuherzigem Augenaufschlag angebo ten,
Dasselbe passiert in der Haushaltspolitik. In der Haushaltspo litik wird erklärt: „Wir hätten gern bis zum Jahr 2020 die Schuldenbremse in der Landesverfassung. Bis zum Jahr 2020 würden wir uns aber gern weiter verschulden. Wir bieten euch als Opposition den Kompromiss an, dass ihr dem zustimmt.“ Das sind Ihre Angebote.
Unter Kompromiss versteht man, dass man sich an einen Tisch setzt und verhandelt und sich dann möglicherweise irgendwo auf der Strecke trifft. Aber Sie, Herr Ministerpräsident und Ih re ganze Koalition, machen doch von vornherein deutlich, dass Sie überhaupt kein Interesse haben, der Opposition auch nur einen Millimeter entgegenzukommen.
Sie erklären: „Ihr als Opposition dürft das, was wir beschlos sen haben, mit beschließen. Das nennen wir dann Kompro miss. Wenn ihr euch dem verweigert, seid ihr nicht politik- und nicht oppositionsfähig.“ Auch das ist Volksverdummung, Herr Ministerpräsident.
Ich kann Ihnen für meine Fraktion nur weiter anbieten, für Gespräche zur Verfügung zu stehen. Wir sagen auch sehr deut lich: Wir sind bereit, uns zu bewegen.
Das sage ich Ihnen gleich, Frau Sitzmann. – 2008, 2009, 2011 und 2012 waren ausgeglichene Haushalte ohne Neuver schuldung möglich. Jetzt haben wir noch mehr Steuermehr einnahmen. Also ist auch für 2013/2014 ein ausgeglichener Haushalt ohne Neuverschuldung möglich. Nach unserer Auf fassung könnte man das sofort machen.
Wir sind auch gern bereit, die Schuldenbremse sofort in die Landesverfassung zu schreiben. Wir sind kompromissbereit. Mit uns kann man diskutieren. Aber dann muss man sich ir gendwo auf der Wegstrecke treffen. Wenn der eine 2013 an fangen will und der andere 2020, kann 2020 nicht der Kom promiss sein. Ich glaube, das leuchtet selbst denjenigen ein, die am Schluss die grüne Basisschule besuchen.
Herr Präsident, meine Da men und Herren! Was soll man zu dieser Debatte sagen? Sie haben versucht, all das,
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Oberlehrer! – Abg. Peter Hauk CDU: Wie immer! Jetzt kommt erst die Bewertung! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gehen Sie doch einen Kompromiss ein!)
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zurufe der Abg. Thomas Blenke CDU und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)
(Abg. Thomas Blenke CDU: Sachkritik ist keine Dif famierung, Frau Kollegin! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)
Aber das Problem ist, dass Sie damit auch den Menschen schaden, die in diesen Projekten aktiv sind, die sich reinhän gen und engagieren, z. B. in den Gemeinschaftsschulen. An träge auf Einrichtung von Gemeinschaftsschulen gab es schon vor dem Regierungswechsel. Da gab es schon 60 Anträge auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule vor Ort. Der Wille und der Wunsch waren also schon da.
Sie haben das längere gemeinsame Lernen in den Gemein schaftsschulen und die individuelle Förderung, die dabei im Zentrum steht, verhindert. Sie haben sie nicht zugelassen.
Jetzt endlich ist es möglich, Gemeinschaftsschulen einzurich ten. Und was machen Sie? Sie diskreditieren die Leute,
die diese Gemeinschaftsschulen führen, die Lehrerinnen und Lehrer und die Schülerinnen und Schüler. Das finde ich ver antwortungslos, Herr Hauk.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Keine Unterstellungen! Ich frage mich, wer heute demonstriert! Wer kommt denn da heute?)
Ich finde es auch unverantwortlich, diejenigen, die sich mit der Frage eines Nationalparks Nordschwarzwald intensiv aus einandersetzen – in vielen verschiedenen Arbeitsgruppen, Be fürworter und Gegner –, zu diskreditieren, wenn Sie dieses Projekt Nationalpark und die Bürgerbeteiligung so schlecht reden, wie Sie es hier gerade getan haben.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist doch Unsinn! Wir reden von Bürgerbeteiligung!)
Von Bürgerbeteiligung haben Sie wenig Ahnung, wie mir scheint. Ihr Landesvorsitzender Strobl hat Ihnen als Ergebnis der verlorenen Landtagswahl ins Stammbuch geschrieben, sich der Bürgerschaft mehr zuzuwenden. Das haben ja nicht wir erfunden. Ihr CDU-Landesverband selbst hat als Analyse des Landtagswahlergebnisses gebracht, Sie müssten sich mehr dem Votum der Bürgerschaft stellen.