Protocol of the Session on November 15, 2012

einfach löschen, indem Sie sagen – ich zitiere –, es dürfe kei ne wechselnden Mehrheiten geben, sonst sei die Koalition in ihrer Substanz gefährdet, dann irren Sie gewaltig.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Das nimmt Ihnen auch niemand mehr ab in diesem Land. Denn diese Koalition hat keine Substanz; das wissen Sie auch.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dann darf ich Sie noch einmal daran erinnern: Wenn die CDU mit Ihnen nicht gegen Ihren Koalitionspartner, gegen das Aus stiegsgesetz zu Stuttgart 21 gestimmt hätte, dann hätte es auch nie eine Volksabstimmung gegeben. Das heißt, die wechseln den Mehrheiten gab es schon einmal, und Sie sind bis zum heutigen Tag glücklich, dass Sie uns haben,

(Lachen bei den Grünen)

weil wir für Sie bei Stuttgart 21 dauerhaft die Kohlen aus dem Feuer holen.

Aber zu den Fakten. Erstens: Die bessere Lösung – „Filder bahnhof plus“ – kostet mehr Geld. Zweitens: Der „Filderbahn hof plus“ ist in den Finanzierungsverträgen zu Stuttgart 21 nicht geregelt. Das heißt, wenn es tatsächlich Mehrkosten gibt – das muss man genau überprüfen –, braucht man einen Ex tratopf für die Finanzierung. Das hat dann auch mit dem Kos tendeckel überhaupt nichts zu tun.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Das Land steht als Initiator des Filderdialogs in der finanziel len Mitverantwortung. Aber wenn es stimmt, was der Ver kehrsminister sagt, dass das Land sowieso nicht bereit ist, zu zahlen, dann müssen Sie das endlich laut sagen. Dann ist Ihr Filderdialog gescheitert, und die Antragsplanung und die An tragstrasse werden umgesetzt.

Klar ist aber auch: Die Deutsche Bahn AG hat Anspruch da rauf, dass Sie ihr bis zur nächsten Lenkungskreissitzung im Januar sagen, was Sie wirklich wollen.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Wir haben einen Anspruch darauf! – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Wir, nicht die Bahn!)

Das Problem ist aber: Das kann diese Regierung nicht.

Deshalb, meine Damen und Herren, geht es heute doch um viel mehr als um ein Bahnprojekt, um Kostenbeteiligung, um Kostenhöhen. Es geht doch in allererster Linie um die Glaub würdigkeit dieser Landesregierung, und es geht darum, mei ne Damen und Herren, welchen Respekt sie vor den Bürge rinnen und Bürgern hat. Denken wir an die verheerende Wir kung in der Öffentlichkeit. Denken wir an die Bürgerinnen und Bürger, die für Stuttgart 21 gestimmt haben und die die ewigen Diskussionen nicht mehr ertragen können. Der Streit um den Filderbahnhof ist keine Komödie, sondern in Wirk lichkeit eine Tragödie. Ich zitiere die „Stuttgarter Nachrich ten“ vom 6. November: Der Filderdialog stellt für die grünrote Landesregierung „einen zum Erfolg verdammten... Pro totyp der von ihr propagierten Bürgerbeteiligung dar“.

In diese Falle, meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und Grünen, haben Sie sich selbst manövriert. Sie haben ein Fass aufgemacht, das andere jetzt bezahlen sollen. Sie wol len heute von den Konsequenzen Ihrer Politik nichts mehr wissen. Das nennt man schlicht und ergreifend Realitätsver weigerung.

Dabei hat der Herr Ministerpräsident doch gestern gesagt – ich habe es mitgeschrieben –: „Ich rate Ihnen, Tatsachen nicht zu ignorieren. Das hält auf Dauer niemand durch.“ Da kann ich nur sagen: Sie auch nicht.

Wenn Sie heute die Konsequenzen Ihrer Politik verleugnen, sind Sie entweder naiv oder zynisch – naiv nach dem Motto „Wir machen eine Bürgerbeteiligung, und dann schauen wir nachher einmal, was dabei herauskommt“, zynisch nach den Worten des Ministerpräsidenten „Gehört werden heißt noch lange nicht erhört werden“. Was geben Sie denn wirklich auf die Meinung und auf die Beteiligung der Menschen, auf Vol kes Stimme?

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Nichts!)

Diese Frage stellt sich aber nicht nur im Hinblick auf den Fil derdialog, sondern ganz grundsätzlich bei Stuttgart 21. Der Ministerpräsident sagt in seinem kürzlich erschienenen Buch „Reiner Wein – Politische Wahrheiten in Zeiten knapper Res sourcen“ – ich gebe es sinngemäß wieder –, dass ihn Ver tragstreue schon einmal nervt, und antwortet auf die Frage, ob er sich über ein Scheitern von Stuttgart 21 freuen würde – Zi tat –: „Heimlich auf jeden Fall.“

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist ja un glaublich!)

Herr Ministerpräsident, das ist an Zynismus nicht mehr zu übertreffen. Das lässt tief blicken. Ihre „Wahrheiten“ sind ein Schlag ins Gesicht der Menschen – nicht nur für die, die Sie gewählt haben, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Diese Sätze haben auch mit Ehrlichkeit nichts zu tun. Sie zeu gen davon, welchen Respekt Sie in Wirklichkeit vor den Men schen haben. Sie zeugen davon, welchen Wert Ihr Bekenntnis zur Volksabstimmung und dazu, den Bürgerwillen tatsächlich umzusetzen, in Wirklichkeit hat. Ich frage Sie: Wie glaubwür dig ist ein Ministerpräsident, der öffentlich das eine sagt und sich heimlich das andere wünscht?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Na tionalpark Nordschwarzwald! – Abg. Jörg Fritz GRÜ NE: Jetzt reicht es!)

Ich zitiere eine Aussage, die Sie in der Debatte zum Staats vertrag mit der Schweiz gemacht haben:

Ich gehe mit einer Grundloyalität mit anderen Verfas sungsorganen dieser Republik um.

Jetzt wissen wir eines ganz bestimmt: Der Ministerpräsident respektiert alle Verfassungsorgane, nur nicht das Volk.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Was? – Unruhe bei den Grünen)

Das akzeptieren wir nicht. Hören Sie auf mit dem Verwirr spiel! Die Menschen in unserem Land haben etwas anderes verdient und haben ein Anrecht darauf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Schwarz das Wort.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Welche Va riante kommt jetzt?)

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich denke, es ist wichtig und notwen dig, ein paar Dinge klarzustellen. Herr Kollege Schmiedel hat gestern gesagt: „Was der Schmiedel sagt, gilt!“ Er hat am Wo chenende gesagt: „Die Koalition von Grünen und SPD wird nach 2016 fortgeführt.“ Das ist Punkt 1.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Dass Sie das heute schon umtreibt, ist unglaublich! – Weitere Zurufe von der CDU, u. a. des Abg. Peter Hauk)

Punkt 2, den ich richtigstellen muss: Der Ministerpräsident hat gesagt:

Der Kostendeckel gilt.

Auch das ist eine klare Ansage.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Jetzt zur Aktuellen Debatte, in deren Titel steht: „Konsens zum Wohle des Landes“. Dass die beiden Fraktionen

(Abg. Nicole Razavi CDU: Welche beiden?)

Politik zum Wohle des Landes machen, haben Sie an der gest rigen Haushaltsdebatte gemerkt. Wir haben hier einen guten Haushalt vorgelegt,

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Schuldenberg!)

der investiert, saniert und zu einer nachhaltigen Politik bei trägt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Er ruiniert!)

Sie sprechen das Wohl des Landes an. Das Wohl des Landes ist in erster Linie den Finanzen geschuldet. Wenn wir über das Wohl des Landes reden, dann müssen wir über die Finanzen, über den Haushalt sprechen. Das steht im Vordergrund.

(Abg. Peter Hauk CDU: 3,3 Milliarden € neue Schul den!)

Da darf es weder für den Filderbahnhof noch für andere Pro jekte einen Blankoscheck geben.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Wer will denn einen Blan koscheck?)

Wir wollen weder heute noch morgen einen Blankoscheck für irgendetwas ausstellen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ihr wollt einen Blankoscheck zum Regieren!)