Protocol of the Session on November 15, 2012

Diese Zahlen mit Steigerungsraten von 40 % bzw. 25 % zei gen, dass wir in Baden-Württemberg noch in einer vergleichs weisen guten Situation sind, und sie zeigen auch, dass die Pfle ge bereits heute ein Berufsfeld mit Zukunft ist.

Aber wir wissen natürlich auch, dass sich Entwicklungen aus der Vergangenheit nicht einfach in die Zukunft fortschreiben lassen. Wir können nicht automatisch davon ausgehen, dass wir auch in der Zukunft noch eine ausreichende Zahl von Fachkräften für eine Tätigkeit in der Pflege gewinnen können, um den in den Prognosen ermittelten Bedarf zu decken.

Schon heute macht ein Blick auf den Arbeitsmarkt deutlich, dass examinierte Kranken- und Altenpflegekräfte gefragte Fachkräfte sind und diese beispielsweise in der Region Stutt gart kaum zu bekommen sind, weil der Arbeitsmarkt, bildlich gesprochen, leer gefegt ist.

Für die Gesellschaft aber hat eine Situation, in der zu wenige Menschen einen Beruf in der Pflege ausüben möchten, erheb liche Konsequenzen. Wer wird künftig die Menschen pflegen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind? Wie schaf fen wir es, Menschen für einen Beruf in der Pflege zu gewin nen?

Allein der prognostizierte zusätzliche Bedarf an Pflegefach kräften ist enorm, denn wir brauchen in diesem Bereich über

57 000 zusätzliche Beschäftigte bis zum Jahr 2030. Zum Ver gleich: In Baden-Württemberg arbeiten rund 50 000 Men schen bei Bosch und rund 100 000 Menschen bei Daimler. Wir brauchen rund 57 000 zusätzliche Pflegekräfte. Daran wird vielleicht bildlich deutlich, wie viele das sind.

Die Landesregierung hat die Zeichen der Zeit erkannt und wird ihren Beitrag dazu leisten, damit der künftige Bedarf an Pflegekräften gedeckt wird.

Was ist zu tun? Mein Ziel als Ministerin ist es, in erster Linie die Rahmenbedingungen in der Pflege und für die Pflegenden zu verbessern.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Dazu habe ich beispielsweise im Bundesrat Initiativen zur Neuordnung der Pflegeversicherung mit auf den Weg ge bracht, die leider von der Bundesregierung insbesondere hin sichtlich einer Neubeschreibung des Begriffs der Pflegebe dürftigkeit abgelehnt wurden, und zwar in Kenntnis dessen, wie groß die Notwendigkeit ist, hier etwas zu tun und eine wirkliche Reform der Pflegeversicherung und nicht nur ein Minireförmchen anzugehen, das sich fast noch des Namens „Reförmchen“ schämen muss.

Wir brauchen auch mehr Geld zur Verbesserung des Stellen schlüssels. Das kann ich als Ministerin natürlich nicht direkt beeinflussen, weil es hier um Verhandlungen zwischen den Kostenträgern und den Leistungserbringern geht. Aber im Rahmen meiner Möglichkeiten möchte ich meinen Beitrag dazu leisten, dass sich hier tatsächlich etwas tut, dass die Kos tenträger endlich einsehen, dass wir hier personelle Verbesse rungen brauchen, weil sich die Situation komplett verändert hat. Die Bewohner einer stationären Einrichtung sind heute häufig in einer anderen Verfassung als noch vor zehn Jahren, weil sie älter und kränker sind, wenn sie einziehen; in der Fol ge ist der Bedarf an qualifiziertem Personal höher.

Wir leisten im Rahmen unser Möglichkeiten unseren Beitrag. Dazu möchte ich noch einige Punkte nennen.

Erstens: Im Berufsfeld Altenpflege kann in Baden-Württem berg jeder und jede auf einem den jeweiligen Fähigkeiten und den Bildungsabschlüssen entsprechenden Niveau einsteigen. Der Grundsatz des lebenslangen Lernens wird weiter umzu setzen sein, und die Durchlässigkeit zwischen den Berufsbil dern wird stetig weiterzuentwickeln sein, um so die Aufstiegs möglichkeiten zu verbessern.

Bei einem erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung in der Altenpflegehilfe und der erforderlichen Abschlussnote besteht z. B. die Möglichkeit, direkt in das zweite Jahr der Ausbil dung in der Altenpflege einzusteigen. Auch die Durchstiegs möglichkeit bis hin zu einem Studium ist mittlerweile gege ben. Das heißt, man kann in der Pflege richtig Karriere ma chen.

Problematisch wird es dann, wenn jemand ein Studium absol viert hat und sich das, was dort gelernt wurde, nicht in den Ta rifen, nicht im Gehalt und nicht in den Tätigkeiten, die er oder sie wahrnimmt, abbildet. Hier gibt es aus meiner Sicht noch erheblichen Nachholbedarf.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zweitens: Ein weiterer Baustein zur Deckung des künftigen Pflegekräftebedarfs ist eine ausreichende Zahl von Ausbil dungsplätzen in der Altenpflege, aber auch in der Kranken pflege. Besonders in der Krankenpflege schlägt eine Entwick lung der letzten Jahre zu Buche, im Rahmen derer viele Aus bildungsplätze abgebaut und viele Krankenpflegeschulen zu sammengelegt worden sind. Diese Kapazitäten fehlen uns jetzt natürlich.

In der Altenpflege stehen wir nach wie vor zu der Ausbil dungsplatzumlage. Sie hat sich bewährt; die dargestellten Zah len zeigen dies. Weil sich die Ausbildungsplatzumlage be währt hat und ein gutes Instrument ist, werden wir sie, auch wenn mancher Träger manchmal etwas darüber jammert, fort führen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Solange sie nur jammern!)

Genau.

Drittens: Ergänzend zu den Kernberufen der Pflege sind wei tere Berufsgruppen für eine qualitätsorientierte Betreuung, Versorgung und Pflege älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger tätig. Diese Berufsgruppen müssen und wollen wir ebenfalls weiter stärken.

Viertens: Neben den bereits genannten Ansätzen strebt die Landesregierung an, die Attraktivität und das Ansehen der Pflegeberufe insgesamt zu steigern. Wir müssen auf eine neue gesellschaftliche Anerkennung der Beschäftigten in der Pfle ge hinwirken.

Eine Informations- und Werbekampagne für die Berufsgrup pen, die in der Versorgung, Betreuung und Pflege tätig sind, ist ein erster wichtiger Schritt, um dieses Ziel zu erreichen. Deshalb habe ich am 22. Oktober dieses Jahres in Zusammen arbeit mit den Berufsverbänden aus der Pflege, den Sozialbe rufen und den hauswirtschaftlichen Berufen sowie mit den Ausbildungseinrichtungen, den Arbeitsagenturen und den Ge werkschaften die Informations- und Werbekampagne „Vom Fach – Für Menschen. Pflege- und Sozialberufe in BadenWürttemberg“ gestartet.

Zugegebenermaßen hat es früher bereits Kampagnen im Be reich der Pflege gegeben.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gute Kampag nen!)

Diese Kampagne soll aber über die bisherigen Kampagnen hi nausgehen. Sie bezieht Pflegeberufe und hauswirtschaftliche Berufe sowie soziale Berufe mit ein und soll die großen Leis tungen sowie die fachliche und persönliche Kompetenz der Beschäftigten in diesen Berufen in der Öffentlichkeit darstel len – immer mit dem Ziel der Steigerung des Ansehens die ser Berufe; denn eine Tätigkeit wird nur dann als attraktiv empfunden, wenn ihr gesellschaftliche Anerkennung zuteil wird.

Damit bin ich bei meinem letzten Punkt, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, und dieser geht uns alle an. Wenn wir über die Wertigkeit der Pflegeberufe, über die Wertigkeit der sozialen Berufe insgesamt reden, dann müssen wir auch etwas dafür tun. Dazu möchte ich Sie alle auffordern. Wir alle müssen das

gemeinsam in die Gesellschaft hineintragen, müssen die Dis kussion über die Wertigkeit der sozialen Berufe führen, so dass diese in Zukunft ein Ansehen erlangen, das besagt: Ein sozialer Beruf, ein Pflegeberuf ist ein hochwertiger, professi oneller Beruf, der eine hohe Qualifikation erfordert. Es darf nicht in den Köpfen der Menschen der Eindruck bleiben: Wer einmal ein kleines Kind auf dem Arm hatte, kann auch pfle gen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Deswegen möchte ich Sie alle auffordern, auch in den Gremi en, in denen Sie tätig sind, daran mitzuwirken, dass diese Dis kussion weitergeführt wird. Das gelingt uns nicht durch ein Gesetz oder eine Verordnung. Vielmehr müssen wir alle da für tätig werden und daran arbeiten – jenseits der Reality shows, Herr Rüeck, die es natürlich auch im deutschen Fern sehen gibt.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Und in diesem Haus!)

Ich darf an die TV-Serien „Schwarzwaldklinik“ und „In aller Freundschaft“ erinnern. Dort spielen Pflegekräfte – –

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sie haben aber Zeit zum Fernsehen! – Vereinzelt Heiterkeit – Gegen ruf des Abg. Jürgen Filius GRÜNE – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

„Schwarzwaldklinik“ ist, glaube ich, schon vor ein paar Jahrzehnten ausgelaufen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Da waren wir zwei noch gar nicht geboren!)

In diesem Sinn wünsche ich uns allen, dass wir gemeinsam – mit Unterstützung der Opposition – die Pflege in Baden-Würt temberg voranbringen und dafür sorgen können, dass wir in Zukunft genügend Pflegekräfte im Land haben, die qualifi ziert sind und gute Arbeit leisten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage besprochen und Punkt 9 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe die Punkte 10 bis 13 der Tagesordnung gemeinsam auf:

Punkt 10:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Aus schusses zu der Mitteilung des Rechnungshofs vom 26. Ju li 2012 – Prüfung der Wirtschaftsführung der Bavaria Film GmbH durch den Bayerischen Obersten Rechnungs hof – Drucksachen 15/2186, 15/2568

Berichterstatter: Abg. Heribert Rech

Punkt 11:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Aus schusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 2. Oktober 2012 – Information über Staatsvertragsentwür fe; hier: Entwurf des Staatsvertrags über die Übertragung hoheitlicher Aufgaben zum Betrieb eines gemeinsamen Vollstreckungsportals der Länder – Drucksachen 15/2441, 15/2573

Berichterstatterin: Abg. Andrea Lindlohr

Punkt 12:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft zu der Mitteilung der Landesregierung vom 14. September 2012 – Bericht der Landesregierung zu einem Beschluss des Landtags; hier: Prioritäre Stoffe im Bereich der Wasserpolitik – Drucksachen 15/2361, 15/2496

Berichterstatter: Abg. Thomas Marwein

Punkt 13:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ar beit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren zu der Mitteilung des Ministeriums für Arbeit und Sozialord nung, Familie, Frauen und Senioren vom 23. Oktober 2012 – Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten; hier: Verordnungen über In-vitro-Diagnostika sowie über Medizinprodukte – Drucksachen 15/2588, 15/2660