Protocol of the Session on May 26, 2011

Meine Damen und Herren, bevor ich die nächste Worterteilung vornehme, noch eine ganz all gemeine Bemerkung. Sie gestatten mir das. Ich will nicht kleinlich sein, aber Sie wissen, was „parlamentarische Debat te“ bedeutet: Das Niveau einer solchen Debatte spiegelt sich noch immer in der Aufmerksamkeit gegenüber dem Redner wider. Intelligente Zwischenrufe sind immer gefragt,

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

aber eine Dauerbelärmung sollte man im Interesse derer, die zuhören wollen, unterlassen. Zwischenrufe von der Regie rungsbank sollte es nicht geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Ich bitte die Mitglieder der Landesregierung, wenn sie intel ligente Zwischenrufe einbringen wollen, ihren Parlamentssitz einzunehmen.

(Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist keine Kinder stube!)

Ich erteile Frau Abg. Sitzmann das Wort.

Herr Präsident, meine Da men und Herren!

(Einige Abgeordnete der CDU verlassen den Plenar saal. – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Jetzt ge hen sie alle!)

Werter Kollege Hauk, am Ende Ihrer Rede haben Sie gesagt, Sie wollten keine Fundamentalopposition betreiben. Dennoch haben Sie in weiten Teilen Ihrer Rede das Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ verfolgt.

(Abg. Winfried Mack CDU: Was?)

Allerdings muss ich Ihnen sagen: Diese neue grün-rote Lan desregierung ist seit exakt zwei Wochen im Amt. Ihre Partei, die CDU, war 58 Jahre an der Regierung. Ihre Angriffe fallen auf Sie selbst zurück, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Das hat dem Land nicht geschadet! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie müssen es akzep tieren!)

Sie haben sich mit dem Koalitionsvertrag der grün-roten Re gierung beschäftigt. Den haben Sie schon kritisiert, bevor Sie ihn überhaupt gelesen haben konnten. In weiten Teilen Ihrer Rede musste ich heute feststellen, dass Sie ihn anscheinend noch immer nicht gelesen haben.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Haben Sie ihn denn schon gelesen? – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP)

Deswegen werde ich Ihnen im Anschluss an meine Ausfüh rungen gern ein Exemplar als Wochenendlektüre überreichen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Das ist nicht das Niveau, das wir von Ih nen erwartet hätten! – Abg. Volker Schebesta CDU: Haben Sie noch ein Exemplar für Herrn Hermann?)

Sie werden feststellen, dass dieser Koalitionsvertrag ein sehr guter, ein zukunftweisender und in vielen Punkten sehr kon kreter Koalitionsvertrag ist. Sie werden dies insbesondere dann feststellen, wenn Sie ihn mit Ihrer eigenen Koalitions vereinbarung für den Zeitraum von 2006 bis 2011 vergleichen. Diese ist im Vergleich doch recht mager, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir sind gern bereit, mit Ihnen über gute Konzepte zu strei ten. Wir haben sie heute allerdings vermisst. Sie haben die Bildungspolitik kritisiert, die wir hier in Baden-Württemberg für eine zukunftsfähige Gesellschaft, für eine soziale Gesell schaft auf den Weg bringen wollen. Mittlerweile stehen Sie damit recht allein da. Es gibt eine CDU-Kommission, die sich ausführlich mit Bildungsfragen beschäftigt hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die soziale Durchlässigkeit des Bildungs systems erhöht werden müsse.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Richtig!)

Deshalb sollten Haupt- und Realschulen fusioniert werden.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Was ist mit dem Gym nasium?)

Der Baden-Württembergische Handwerkstag hat es so kom mentiert: „Endlich bewegt sich was in der Bildungspolitik der CDU.“

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist jetzt nicht Grundlage Ihres Koalitionsvertrags!)

Ich hoffe, werte Kolleginnen und Kollegen,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist gerade nicht das Ziel Ihres Koalitionsvertrags!)

Herr Schebesta, dass diese Bewegung endlich auch bei der CDU in Baden-Württemberg stattfindet.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das heißt aber nicht Einheitsschule!)

Sie haben über Finanzpolitik gesprochen, und ich kann nur sagen: Das, was Sie uns hinterlassen haben, ist eine schwere Bürde und Herausforderung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Widerspruch bei der CDU – Abg. Volker Schebesta CDU: So schwer, dass die Steuermehreinnahmen ausreichen, um die Nullneuverschuldung schon 2011 zu errei chen! So schwer ist die Bürde!)

Sie haben hier versucht, diese Politik der Luftbuchungen zu verteidigen. Aber wir haben in diesem Haushalt 45 Milliar den € Schulden. Sie haben von Rückstellungen für Pensionen gesprochen. Da fehlen 70 Milliarden € für Verpflichtungen, die wir bereits heute haben. Sie haben einen milliardenschwe ren Sanierungs- und Investitionsstau hinterlassen, werte Kol leginnen und Kollegen,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Und können die Null neuverschuldung im Jahr 2011 erreichen! Was sagen Sie dazu?)

und in der mittelfristigen Finanzplanung für den Zeitraum von 2012 bis 2014 – in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung – feh len pro Jahr 3 Milliarden €.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es! – Abg. Volker Schebesta CDU: Abzüglich Steuermehreinnahmen!)

Sich dann hier hinzustellen und die seriöse grün-rote Finanz politik zu kritisieren

(Lachen bei der CDU – Abg. Volker Schebesta CDU: Das werden wir noch sehen!)

das werden Sie noch sehen – ist doch ein starkes Stück, mei ne Damen und Herren.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ein starkes Stück!)

Ich kann Ihnen sagen: Wir werden auf der einen Seite den Haushalt konsolidieren und auf der anderen Seite in den Wan del investieren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Mehr Geld ausgeben!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die finanzielle Lage – die Verschuldung des Landes BadenWürttemberg, aber auch die Verschuldung der öffentlichen Haushalte insgesamt – ist eine große Herausforderung.

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stehen vor weiteren ge waltigen Herausforderungen. Die Ereignisse in Japan haben gezeigt, dass es auch in einem hoch technologisierten Indus trieland keine hundertprozentige Sicherheit geben kann und dass wir deshalb eine Energieversorgung brauchen, die als un umstößliche Leitlinie die Sicherheit hat. Die alleinige Hoff nung auf Sicherheit reicht bei Weitem nicht aus.

Wir brauchen Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz. Das ist zugleich eine öko logische wie auch eine ökonomische und soziale Frage.

Wir erkennen in zunehmendem Maß die Auswirkungen des Klimawandels. Wir beobachten eine rasche Ausweitung des Ozonlochs. Es hat sich inzwischen bis nach Nordeuropa aus gedehnt. Das bedeutet, dass wir unsere Lebens- und Wirt schaftsweise zukünftig ändern müssen. Umweltverträglich keit, Wirtschaftlichkeit und die Schaffung von guten Arbeits plätzen stehen dabei für uns im Mittelpunkt.

Wir werden ferner den demografischen Herausforderungen gegenüberstehen – in Baden-Württemberg wie in China. Das betrifft die Altersversorgung, die Infrastruktur, die Gesund heitsversorgung. Wir werden uns endlich vom Jugendkult ver abschieden und wieder zu einer Wertschätzung des Alters kommen müssen.

(Heiterkeit des Abg. Winfried Mack CDU)

Denn es kann nicht sein, dass über 50-Jährige heute bereits zum alten Eisen zählen und Schwierigkeiten haben, eine neue Arbeitsstelle zu finden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Da haben Sie recht!)

Um auch zukünftig für den globalen Wettbewerb gerüstet zu sein, müssen wir uns diesen Herausforderungen stellen. Das, meine Damen und Herren, werden Grüne und SPD in den kommenden fünf Jahren tun.

Nun kann aber niemand glauben, dass wir hier die Probleme, von denen ich gesprochen habe, allein lösen könnten. Wir wer den sie nur mit einer Politik im Dialog lösen können, bei der wir gemeinsam Lösungsvorschläge entwickeln, die auf Ak zeptanz stoßen. Dafür werden wir ganz dringend die Kompe tenzen und Erfahrungen aller gesellschaftlichen Akteure und unserer Bürgerinnen und Bürger brauchen; denn Politik im Wandel braucht eine aktive und engagierte Bürgergesellschaft.