denn ich bin mir bei einer Sache ganz sicher: Wir dürfen Po litik nicht als etwas Statisches verstehen, genauso wenig wie Gesellschaft statisch ist.
Wir haben in dieser Gesellschaft neue Herausforderungen zu bewältigen, und dann sind auch neue Wege zu beschreiten. Es ist klar, dass sich jede Regierung ihre eigene Arbeitsorganisa tion gibt, und nichts anderes passiert jetzt. Ich würde vorschla gen, Sie beschränken sich mit Ihrer Kritik darauf, in zwei oder drei Jahren zu sagen, ob das eine funktioniert hat oder das an dere vielleicht nicht funktioniert hat.
Wir haben bei dem, was Sie, Herr Kollege Schebesta, auch im Ständigen Ausschuss bereits geäußert haben, zur Kenntnis ge nommen, dass einige Punkte in der Betrachtung auch von Ih nen als sehr sinnvoll bezeichnet werden. Sie sprachen die Energiethemen sowie die Betreuung der unter Dreijährigen an. Wir denken, dass wir gerade in Bezug auf die Bildungs politik vor einer veränderten Situation stehen, insbesondere im Hinblick darauf, wie sich unsere Gesellschaft auch in Be zug auf die Anzahl der Kinder entwickelt. Hierauf müssen wir ein stärkeres Augenmerk legen.
Schauen wir uns das Thema Wirtschaft an, das hier schon mehrfach angesprochen wurde. Ich frage Sie dazu, ob aus Ih rer Sicht das Wirtschaftsministerium unter dem nun aus dem Amt geschiedenen Wirtschaftsminister und – dies gilt noch stärker – unter dem aus dem Amt geschiedenen Staatssekre tär den Stellenwert in der Landespolitik hatte, den die Wirt schaft in Baden-Württemberg verdient.
Diese Art von Wirtschaftspolitik, bei der die Menschen im Land das Gefühl hatten: „Hier kommt der Grüß-Gott-August“, hat nun ein Ende.
(Beifall bei den Grünen – Widerspruch bei der CDU und der FDP/DVP – Oh-Rufe von der CDU und der FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: „Grüß- Gott-August“ ist nicht parlamentarisch, Herr Kolle ge!)
Wir werden zukünftig mit einer neuen Arbeitsaufteilung in den Ministerien die Wirtschaftspolitik wieder in die Mitte der Landespolitik rücken.
Sie können ganz sicher sein, dass durch die Bewältigung die ser Aufgaben durch Nils Schmid als Finanzminister und als Wirtschaftsminister dieser Bereich endlich ernst genommen wird.
Die Menschen in diesem Land, vor allem auch die Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmer, aber auch die Unternehmer, wer den sich von dieser Regierung ernst genommen fühlen – an ders als in der Vergangenheit.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zum Thema Integ ration sagen. Herr Kollege Bullinger, diese Aufgaben auf Ab teilungsleiterebene abhandeln zu wollen deutet auf das eigent liche Problem in diesem Land hin.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau das ist das Pro blem! – Abg. Volker Schebesta CDU: In 15 anderen Ländern!)
Wir werden es nicht schaffen, diese Thematik unter Einbezie hung vor allem der gesellschaftlichen Entwicklung ernst zu nehmen, wenn wir diesem Thema nicht stärker unsere Auf merksamkeit widmen.
Schauen Sie sich die Geburtenraten bei uns an, und dann er klären Sie den Menschen in diesem Land, vor allem den Un ternehmern, wie in den nächsten 20 bis 30 Jahren dafür ge sorgt werden soll, dass genügend junge Menschen in Arbeit, und zwar in qualifizierte Arbeit, kommen. Dazu brauchen Sie enorme Anstrengungen, gerade auch im Hinblick auf die Men schen mit Migrationshintergrund, die ein Teil dieser Gesell
schaft sein müssen, im Sinne einer Politik des Willkommen seins und nicht im Sinne eines Geduldetseins.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Was hat das mit dem Ministerium zu tun? Thema verfehlt!)
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Eigentlich hatte ich gedacht, ich hät te nun ein bisschen weniger Arbeit.
(Abg. Andreas Stoch SPD: Noch weniger? – Abg. Claus Schmiedel SPD: Zweimal am Tag reden! Wol len Sie noch weniger tun? – Heiterkeit bei der SPD)
Wo ist Herr Stickelberger? Herr Stickelberger, bitte erklären Sie Ihren Fraktionskollegen einmal Ihre jetzige Tätigkeit. Da besteht Informationsbedarf.
Meine Damen und Herren, eine solche Abgrenzung der Ge schäftsbereiche drückt natürlich auch ein Weltbild oder zu mindest ein Politikbild aus. Darüber sind wir uns, glaube ich, einig. Darüber darf man schon einmal diskutieren. Dabei ist mir natürlich aufgefallen: Auch für mich stimmen die Propor tionen nicht, und zwar in verschiedener Hinsicht.
Auch ich beginne mit dem Thema Integration; von diesem Thema verstehe ich ja nun ein bisschen. Was das Thema In tegration betrifft, bin ich gespannt, wann Ihnen dazu etwas Neues einfällt und wann Sie damit aufhören, lediglich bereits Begonnenes umzusetzen. Heute Morgen hat der Ministerprä sident beispielsweise das Stichwort Interkulturalität angespro chen und gefordert, mehr Menschen mit Migrationshinter grund in den Verwaltungen einzusetzen. Ich darf darauf hin weisen, dass in der Vergangenheit ressortübergreifend ein her vorragendes Konzept dazu entwickelt worden ist, und ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Umsetzung dieses Konzepts.
Auch bei der Anerkennung der im Ausland erworbenen Ab schlüsse waren wir deutschlandweit Vorreiter und haben hier einen Kongress zu diesem Thema veranstaltet. Ich bin einfach gespannt, wie das nun läuft. Aber so zu tun, als wäre das The ma Integration jetzt von Ihnen hier erfunden worden, und so zu tun, als hätten ausgerechnet wir in Baden-Württemberg den größten Handlungsbedarf von allen Ländern, ist für mich schlicht und einfach weltfremd.
Insofern ist es natürlich ein Stück Ideologie, zu sagen: Wir schaffen dafür jetzt den Minister. Von der Sache her wäre das auch nach meiner Meinung nicht unbedingt notwendig gewe
sen. Ich bin auch der Meinung, eine starke Abteilung hätte es getan, vielleicht noch mit der Zuordnung eines Staatssekre tärs. Dann hätten für mich die Proportionen gestimmt.
Aber weit schlimmer ist natürlich in der Tat das verstümmel te Wirtschaftsministerium. Es wird künftig – auch das sagt ei niges aus – quasi als Melkkuh im Stall des Finanzministeri ums stehen.
Aber wenn Sie hier allen Ernstes sagen, dass die Wirtschaft des Landes in der Vergangenheit das Gefühl gehabt habe, von der früheren Regierung des Landes nicht ernst genommen worden zu sein,
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP zu Grünen und SPD: Da müssen Sie sich mal die Zahlen an schauen in Ihren Ländern!)
Diese Degradierung – eine solche ist es; darüber kann man diskutieren, wie man will – passt auch nicht zu dem Gerede über die Gründerzeit, wobei ich das ohnehin ein bisschen zum Kichern finde. Denn in der Gründerzeit, meine Damen und Herren, wäre der Bahnhof da drüben schon halb fertig. Da sind wir uns einig.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Verhin dererzeit ist das! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)
Auch die Leute, die da so fleißig zitiert und strapaziert wur den, wie Daimler, Bosch und viele andere, haben eine be stimmte Infrastruktur gebraucht. Für diese Infrastruktur wur de in der Vergangenheit aktiv gesorgt. Da darf man nur daran erinnern, dass bereits ein württembergischer König auf die Idee kam, 1848 die Bahnlinie von Stuttgart nach Friedrichs hafen zu bauen, die übrigens drei komplette Jahreshaushalte gekostet hat. Aber damit wurde die Grundlage dafür gelegt, dass es hinterher eine Gründerzeit geben konnte. Von dieser Einstellung sind Sie Lichtjahre entfernt.
Spannend sind auch die Unterpunkte oder -themen, die in ei ner solchen Abgrenzung angesprochen werden. Darauf kom me ich noch zurück. Für den Sektor „Verkehr und Infrastruk tur“ haben Sie in Ihrem Papier gerade einmal fünf Unterthe men übrig.