Protocol of the Session on October 11, 2012

Herr Abg. Hauk, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmiedel?

(Unruhe bei der SPD – Zuruf: Feigling! – Glocke des Präsidenten)

Einen Moment! Wenn ein Redner ei ne Zwischenfrage nicht zulässt, dann ist es mehr als unange messen, dies mit dem Begriff „Feigling“ zu belegen. Dies möchte ich ausdrücklich rügen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Man muss eben auch die un angenehmen Sachen einmal hören! – Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es darum geht, die innere Freiheit und unsere Demokratie zu stabilisieren und erst gar nicht ins Wanken ge raten zu lassen, wenn es darum geht, das Gewaltmonopol des Staates durchzusetzen, dann muss dies auch getan werden. Dazu bedarf es der notwendigen rechtlichen Instrumentarien.

Ich kann Sie nur auffordern: Lassen Sie den Fraktionszwang sausen. Wir werden im Zusammenhang mit der Änderung des Polizeigesetzes, die heute auf der Tagesordnung steht, den Ge setzentwurf für ein Alkoholverbot erneut mit in die Beratun gen einbringen und im Landtag noch einmal darüber abstim men lassen. Lassen Sie den Fraktionszwang sausen. Fordern Sie in dieser Frage Ihr eigenes Gewissen ein. Es geht um Leib und Leben der Menschen in unserem Land, es geht um Leib und Leben der Polizistinnen und Polizisten in Baden-Würt temberg und nicht um Parteitagsbeschlüsse.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Um die Nachtru he der Menschen in den Städten geht es ebenfalls!)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol legin Häffner.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP zur SPD: Keine Angst, wir helfen euch bei der Abstimmung! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD – Anhal tende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich darf die Herren bitten, der Dame die Möglichkeit zu ge ben, ihre Rede vorzutragen. – Bitte schön, Frau Häffner.

Danke, Herr Präsident. – Wer te Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrtes Publikum auf der Zuhörertribüne! Jede Polizistin und jeder Polizist, die oder der im Dienst verletzt oder angegriffen worden ist, ist eine, ist ei ner zu viel.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Hauk, die Diskussion auf dieser Ebene zu führen – mit dem, was Sie gerade gesagt haben – ist zu kurz gefasst. Das wird der Polizei nicht gerecht und wird auch keinem einzigen Polizeibeamten gerecht.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Warum?)

Sie betreiben hier Parteienschelte, anstatt sich an der Proble matik abzuarbeiten und zu sehen, vor welcher Problematik wir stehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Also! Was schlagen Sie denn vor? – Zuruf von der CDU: Gilt das auch für den Ministerpräsidenten, die Parteien schelte?)

Wir haben hier dramatische Zahlen. Es gibt eine Steigerung der Zahl der Körperverletzungen und Beleidigungen gegen über den Polizistinnen und Polizisten. Bestimmt spielt auch die Sensibilisierung der einzelnen Polizisten eine Rolle, dass sich die Zahlen in der Statistik etwas erhöht haben.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch: Sind die schmerzempfindlicher?)

Nein, das ist einfach eine Wahrnehmung von Gewalt, die gegen Polizisten gerichtet wird und die nicht in Ordnung ist und die in der Zwischenzeit benannt werden darf.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Auch bei S 21! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Die erschreckende Zahl ist, dass 85,3 % aller Gewalttaten im täglichen Dienst des Polizisten passieren. Nur 14,7 % passie ren bei Einsätzen aus besonderen Anlässen. Was heißt „Ein satzlagen des täglichen Dienstes“, und was sind Einsätze aus besonderem Anlass?

Besondere Anlässe sind z. B. Fußballspiele, Großveranstal tungen, Versammlungen. Einsatzlagen des täglichen Dienstes – da lohnt sich Differenzierung, was das alles ist – sind Ein sätze bei häuslicher Gewalt, bei verbalen bzw. tätlichen Aus einandersetzungen, aber auch Einsätze bei der Verkehrssiche rung und Übergriffen bei Ruhestörung. Auch Ruhestörung ist meist häusliche Gewalt bzw. findet zu Hause statt.

Wie sehen die Tatverdächtigen aus, die in dieser Statistik er hoben werden? Interessant ist: 78,1 % der Tatverdächtigen sind Erwachsene, und 70,8 % dieser Menschen stehen unter dem Einfluss berauschender Mittel, meist unter Alkohol.

Handelt es sich um Körperverletzungen, dann sind 79 % der Tatverdächtigen alkoholisiert. Wenn wir uns dies anschauen, dann müssen wir sagen, dass hier ein Alkoholverbotsgesetz nicht greifen würde.

Wer sind die geschädigten Polizeibeamten? Das sind zu 82,8 % Polizisten des Streifendienstes, also der Schutzpoli zei, die als Erste vor Ort sind. Die anderen Zahlen, die gestie gen sind, hat mein Kollege von der SPD schon genannt.

Die Gewalt hat zugenommen, der Alkoholkonsum spielt eine wesentliche Rolle. Aber das ist der Alkoholkonsum, den wir im Alltag haben, und das ist ein gesamtgesellschaftliches Pro blem und nicht das Problem allein der Polizei. Da sind wir als Gesellschaft, ist die Politik komplett gefordert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Solange Sie nicht den Weinanbau verbieten!)

Alkohol wird überall getrunken, er wird in allen Altersklas sen getrunken, und er wird in allen sozialen Schichten getrun ken.

Die Polizeibeamten haben es vermehrt mit Menschen zu tun, die sich in aussichtsloser Situation befinden, die resigniert ha ben, die manchmal nichts mehr zu verlieren haben.

Auf welchen Ebenen tritt der Alkoholkonsum gesamtgesell schaftlich auf? Wir haben ihn auf öffentlichen Plätzen – jetzt kommt gleich wieder Ihr Geschrei; ich warte schon darauf –, dann haben wir den Alkoholkonsum bei Stadtfesten, und wir haben ihn bei Großveranstaltungen, Stichwort Oktoberfest.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist aber in Bay ern!)

Das Oktoberfest 2012 ist – ich kann Ihnen vom Wasen leider noch keine Zahlen nennen, weil das Volksfest ja noch läuft – zu Ende. Interessant: Es ist ein neuer Rekord beim Oktober fest entstanden: weniger Besucher, mehr Gewalt. Laut Poli zei wurden 2 000 Einsätze durchgeführt. Zu vermerken ist, dass sich trotz gesunkener Besucherzahlen die Aggressivität und die Zahl der Schlägereien erhöht haben, und es gab deut lich mehr Alkoholopfer beim Oktoberfest.

Die meiste Gewalt auch gegen Polizisten findet im Bereich der häuslichen Gewalt statt. Wir haben hier eine deutliche Zu nahme. Wir haben meist einen männlichen Täter, der die Fa milie gewalttätig angeht und letztlich auch noch die Polizei, die zu Hilfe gerufen wird, tätlich angeht. Erschreckend dabei sind zwei Faktoren: 90 % dieser Tatverdächtigen sind alkoho lisiert, und bei 80 % aller Einsätze bei häuslicher Gewalt sind Kinder mittelbar oder unmittelbar selbst von Gewalt betrof fen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Was schlagen Sie vor? – Abg. Peter Hauk CDU: Jetzt wollen wir die Maß nahmen hören!)

Herr Hauk, das Erschreckende ist: Das sind Zahlen und Fak ten, hinter denen Menschen stehen, und Sie betreiben hier Par teienschelte.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Claus Schmie del SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Es geht um Maß nahmen!)

Es geht um Maßnahmen. Ich gebe Ihnen ein praktisches Bei spiel. In meinem Wahlkreis gibt es ein Stadtfest, bei dem die Kommune den Ausschank harter Alkoholika verboten hat. Es wird konsequent kontrolliert. Wer sich nicht daran hält, wird ausgeschlossen. Wir haben keine Probleme mehr mit irgend welchen Schlägereien bei diesem Stadtfest.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber das spricht doch gerade für ein Alkoholverbot!)

Keine 10 km entfernt wird ein kleines Volksfest gefeiert. Da brauchen wir an einem Abend 20 Polizisten. Wissen Sie, wa rum? Die Kommune ist der Polizei entgegengekommen, und der Ausschank von Alkoholika endet um 2:30 Uhr statt um 2:45 Uhr.

Es gibt eine Handhabung, sodass etwas geschehen kann. Wie so müssen auf diesem Fest zusätzlich harte Alkoholika aus geschenkt werden dürfen? Es gibt alkoholisierte Menschen. Ich habe selbst eine Nacht an dem Fest teilgenommen und ha be es mir angeschaut: Es ist schrecklich.

Da sind Maßnahmen, die wir schon ergreifen können, und die Kommunen und Verwaltungen sind aufgefordert, ihre Mög lichkeiten auszuschöpfen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Der Ministerpräsident ist nicht zu beneiden! – Abg. Peter Hauk CDU: Dann müssen wir doch nichts ändern!)

Außerdem haben das Innenministerium und die Polizei gear beitet. Es wird über die Polizeieinsätze reflektiert. Es wird un tersucht, wie die Polizeiarbeit ausschaut und was wir alles tun können.

Unter dem Arbeitstitel „Gewalt gegen Polizei“ ist das Drei säulenmodell „Anhalten – Festhalten – Mitnehmen“ entstan den. Ich könnte die Liste jetzt weiterführen, mache es aber nicht, weil meine Redezeit begrenzt ist. Ich denke, der Innen minister wird Ihnen dazu noch einiges sagen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Zunächst einmal ist ganz klar, dass wir alles tun müssen, um Gewalt gegen Polizeibeamte zu verhin dern. Die Zahlen, die Herr Kollege Sakellariou hier genannt hat, stehen im Wesentlichen fest. Sie sind alarmierend; das kann man gar nicht anders sagen. Deswegen am Anfang die Erkenntnis: Wir müssen alles tun, um auf diesen Zustand ein zuwirken.

Es ist ja nicht so, dass gar nichts passiert wäre. Wir haben schon eine ausführliche Diskussion hinter uns, z. B. über die Gestaltung von § 113 des Strafgesetzbuchs – Widerstand ge gen Vollstreckungsbeamte. Das Strafrecht ist verschärft wor den.

Auch jeder andere Vorschlag ist es wert, dass darüber disku tiert wird. Es ist übrigens zu Recht schon darauf hingewiesen worden, dass die Verwaltung schon jetzt durchaus beachtliche Handlungsmöglichkeiten hat. Man kann nun durchaus über neue Maßnahmen nachdenken. Es gibt Ideen bis hin zu dem Vorschlag, dass man Kameras an den Uniformen befestigt. Ich muss sagen: Mir wäre kein Vorschlag zu entlegen, als dass man über ihn nicht diskutierte – wobei mir bei diesem Vor schlag in den Sinn kommt, dass natürlich auch solche Kame ras Ziel von Attacken werden könnten. Das muss man auch bedenken. Wir sind jedoch angehalten, wirklich alles zu prü fen, was auch wir dazu beitragen können.