(Ministerin Gabriele Warminski-Leitheußer betritt den Plenarsaal. – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Da ist sie ja! Da hat die SMS von Herrn Schmiedel gewirkt!)
Man muss es sich einmal vor Augen halten: Die einstimmig gefassten Handlungsempfehlungen der Enquetekommission sahen u. a. 900 zusätzliche Lehrerstellen vor, die für eine kon sequente Verbesserung der Lehrerversorgung an den berufli chen Schulen notwendig gewesen wären. Was aber macht Grün-Rot? Aufgrund ihrer falschen bildungspolitischen Prio ritätensetzung streicht die grün-rote Landesregierung nun bei den beruflichen Schulen bis zum Jahr 2015 rund 850 Stellen.
Mit dieser Stellenstreichung aber schnüren Sie den berufli chen Schulen die Luft ab. Von einer Qualitätsentwicklung kann man hier schon gar nicht sprechen.
Die Begründung – so war es zumindest in der Zeitung zu le sen – lautete, dass man in diesem Jahr mit minus 15 000 Schü lern in diesem Bereich rechnet. Frau Ministerin, ich halte die se Zahl – 15 000 Schüler weniger an den beruflichen Schulen – für völlig überzogen. Vielleicht können Sie heute einmal Stellung dazu nehmen, ob das Kultusministerium noch immer von einem Minus von 15 000 Schülern ausgeht, wie es in der Zeitung stand.
Ich bleibe dabei: Man kann nicht gleichzeitig massiv Lehrer stellen streichen, bildungspolitische Lieblingskinder wie die Gemeinschaftsschule finanzieren und dann auch noch die Un terrichtsversorgung bzw. die Unterrichtsqualität verbessern wollen. Die grün-rote Landesregierung wird mit ihrer Bil
dungspolitik zulasten der Qualität gehen. Das trifft nun gera de den beruflichen Bereich sehr hart. Denn wenn Sie einmal nach den Ursachen fragen, warum mancher Ausbildungsplatz unbesetzt bleibt, verweisen die Betriebe häufig auf eine man gelnde Ausbildungsreife der Bewerber. Dass dies keineswegs nur Spekulationen sind, belegt eine Umfrage der IHK, nach der 70 % der baden-württembergischen Betriebe angeben, Ausbildungsplätze mangels geeigneter Bewerber nicht beset zen zu können.
Meine Damen und Herren, auch Ihre Bildungspolitik gefähr det den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.
Sorgen bereiten uns Liberalen auch einige Aussagen zur du alen Ausbildung im Koalitionsvertrag. So wollen Sie Zeiten in den Vollzeitschulen über eine generelle Anerkennung sei tens der Kammern auf die Ausbildungszeit anrechnen lassen. Damit würden nicht mehr die Ausbildungsbetriebe über die Anrechnung entscheiden. Dies wäre ein erheblicher Eingriff in deren Entscheidungsfreiheit.
Im Koalitionsvertrag steht auch, dass Sie die Berufskollegs dual ausgestalten und dann hier die Kammerprüfung einfüh ren wollen. Die Folgen wären: Beide Maßnahmen könnten dazu führen, dass die Betriebe aus ihrer Mitverantwortung für die Ausbildung hinausgedrängt werden und das erfolgreiche duale System infrage gestellt wird.
Die Stellungnahme der Landesregierung zu diesem Bereich fiel sehr vage aus. Vielleicht sind Ihnen ja bei näherer Betrach tung auch Zweifel gekommen, ob das der richtige Weg ist. Frau Kultusministerin, es wäre mir sehr recht, wenn Sie hier eine Klärung vornehmen könnten.
Über das Stichwort „Regionale Schulentwicklung“ haben wir heute auch schon diskutiert. Sie von Grün-Rot nehmen die Verantwortlichen vor Ort durch Ihre Vorgehensweise alles an dere als ernst, wenn Sie sie vor vollendete Tatsachen stellen. Viel zu spät und nachdem sie Tatsachen geschaffen haben, ha ben die Koalitionspartner ihre Absicht zur Planung einer re gionalen Schulentwicklung erklärt.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Selbst verständlich, die Fraktion der FDP/DVP sieht in der regiona len Schulentwicklung große Chancen gerade auch für die in tensivere Kooperation von Schule und Betrieben. Aber es macht eben auch einen Unterschied, ob die Verantwortlichen vor Ort eine Bedarfsanalyse erstellen und ein attraktives so wie zukunftsfähiges Schulangebot entwickelt haben oder ob von Stuttgart aus pauschal die Schließung kleinerer Berufs schulstandorte verordnet wird. Das dirigistische Vorgehen von Grün-Rot
und die pauschale Schulschließungsankündigung haben zu ei ner enormen Verunsicherung der Betroffenen geführt
und sind in Zeiten des Fachkräftemangels vor allem kleinen Betrieben bei der Suche nach geeigneten Bewerbern nun wirk lich keine Hilfe.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da ist sogar die FDP/ DVP fassungslos! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP: Bei eurer Bildungspolitik sind wir fassungslos!)
Meine Damen und Herren von Grün-Rot, nehmen Sie die Be triebe und die Bildungsverantwortlichen vor Ort als Partner ernst! Korrigieren Sie Ihren dirigistischen Kurs,
und zeigen Sie endlich ernsthaftes und tätiges Bemühen um Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung bei den schu lischen Angeboten im beruflichen Bereich. Die duale Ausbil dung ist das Herzstück unseres beruflichen Bildungswesens. Es ist inzwischen ein baden-württembergischer Exportschla ger weltweit geworden
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was heißt eigentlich „dual“? „Dual“ bezieht sich auf das Zusammenspiel von Ausbildung in der Schule und im Betrieb, und das ist einzigartig und wird weltweit anerkannt; teilweise wird es auch kopiert. Wir haben dadurch eine sehr, sehr geringe Jugendarbeitslosigkeit, und die jungen Leute hier sind sehr begehrt. Die Unternehmen im Land sichern sich durch die duale Ausbildung aber auch ihre Fachkräfte für morgen.
Das Ganze könnte eigentlich eine sehr chancenreiche Situati on sein, aber nur so lange, solange unsere Kultusministerin ihr Engagement für die duale Ausbildung nicht verkürzt und nicht einschränkt und die Berufsschulen tatkräftig unterstützt. An diesem Punkt sehe ich, ehrlich gesagt, im Moment eine große Gefahr.
Wir wollen, dass niemand verloren geht, der ausbildungsfä hig ist. Das war auch stets Konsens in der Enquetekommis sion „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“. Im Moment haben wir aber an dieser Stelle
genau, Herr Lehmann – das Problem, dass wir dabei sind, die Handlungsempfehlungen der Enquetekommission zu ver gessen, und dass ihre Umsetzung nicht tatkräftig verfolgt wird.
An dieser Stelle nenne ich z. B. die Gleichwertigkeit der all gemeinen Bildung und der beruflichen Bildung, die Unter richtsversorgung und viele Bereiche mehr.
Dass die berufliche und die allgemeine Bildung nicht gleich wertig sind und das auch nicht entsprechend verfolgt wird.
Wir können im Moment auch nicht hinnehmen, dass die Schu len in unserem Land immer mehr zu Mängelbetrieben werden und die Ausbildungsbetriebe anschließend die Reparaturleis tungen übernehmen müssen.
Die überhasteten schulpolitischen Maßnahmen der Landesre gierung wirken sich schon jetzt negativ auf den Lehrstellen markt aus. Der Anteil der Hauptschüler sinkt.
Meine Damen und Herren, diese Entwicklungen sind ganz eindeutig auch der aktuellen Schulpolitik geschuldet.
Sie, liebe Kollegen von den Regierungsfraktionen, bevorzu gen offensichtlich höhere Schulabschlüsse gegenüber der be trieblichen Ausbildung und deren Aufstiegschancen.