Protocol of the Session on July 18, 2012

Dann kam die Föderalismuskommission II, an der auch Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann, und Sie, Herr Drexler, mitgewirkt haben. Der Grundsatz war: Es sollen keine neuen

Schulden aufgenommen werden. Die Ausnahme: Die Länder können bis zum Jahr 2020 davon abweichen.

Nun kam der Regierungswechsel 2011. Sie haben Milliarden Euro an Mehreinnahmen angetroffen.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Oh, angetroffen!)

Wir haben in der mittelfristigen Finanzplanung für das Jahr 2012 34 Milliarden € Einnahmen prognostiziert. Sie haben jetzt im Haushalt tatsächlich 39 Milliarden € stehen.

(Abg. Klaus Maier SPD: Brutto!)

5 Milliarden € mehr! 1 Milliarde € gehen auf den Überschuss aus dem Vorjahr zurück – das ist richtig –, aber 4 Milliarden € stellen Steuermehreinnahmen gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung dar.

(Abg. Klaus Maier SPD: Brutto!)

Ein guter Teil der Deckungslücke, die Sie jetzt im nächsten und im übernächsten Jahr haben, rührt daher, dass Sie mit dem Haushalt 2012 und dem Vierten Nachtrag 2011 zahlreiche Wünsche erfüllt haben, die in den nächsten Jahren strukturell zu Buche schlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Nur ein paar Beispiele: Mehr Geld für Altlasten, für Nachhal tigkeit, für die Energiepolitik, für die Schulsozialarbeit, für das Arbeitsmarktprogramm, für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Die Studiengebühren wurden abgeschafft, neue Stel len in Ministerien bewilligt usw. Manches davon mag auch sinnvoll sein. Wir haben dem einen oder anderen auch zuge stimmt. Aber in dem Umfang, in dem Sie Mehrausgaben be schlossen haben, wirkt das in verstärktem Maß 2013 ff. fort.

Jetzt plötzlich merkt das auch der Ministerpräsident. Es leis tete hier am 24. Mai einen Offenbarungseid und sagte, er se he sich nicht in der Lage, in einem Jahr eine von ihm mit ver antwortete Haushaltslücke von 2,5 Milliarden € zu schließen. Er sehe sich dazu nicht in der Lage – trotz der hohen Steuer einnahmen.

Dann gibt man ein Gutachten bei der Hertie School of Gover nance in Auftrag und legt diesem den von Ihnen aufgeblähten Haushalt 2012 und die daraus resultierende mittelfristige Fi nanzplanung zugrunde. Das Gutachten kommt zum Ergebnis: Schuldenbremse in der Landesverfassung Ja, aber erst ab dem Jahr 2020; bis dahin sind 6,6 Milliarden € neue Schulden zu lässig, allein 6 Milliarden € in dieser Legislaturperiode.

Meine Damen und Herren, wer – und das auch noch gutach terlich bestätigt – bei bester Konjunkturlage in dieser Legis laturperiode 6 Milliarden € zusätzliche Schulden machen will, handelt unverantwortlich. Er handelt auf Kosten künftiger Ge nerationen und trägt mit dazu bei, dass Baden-Württemberg vom finanzpolitischen Vorbild zum Träger der roten Laterne wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wir sind zu Gesprächen bereit, die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufzunehmen. Wir sind aber nicht dazu be

reit, wenn die Schuldenbremse erst mit Wirkung ab dem Jahr 2020 aufgenommen werden soll. Denn dann gilt die Schul denbremse des Grundgesetzes für die Länder ohnehin.

Ein möglicher Weg könnte sein, dass wir die Schuldenbrem se mit Wirkung ab 1. Januar 2015 in der Verfassung veran kern. Denn dann wird hier der letzte Haushalt in dieser Legis laturperiode verabschiedet. Der Bund muss bereits 2016 oh ne neue Schulden auskommen. Das Jahr 2020 wurde für die Länder deshalb gewählt, weil man Rücksicht auf die beson ders hoch verschuldeten Bundesländer genommen hat. Man hat aber nicht Rücksicht auf Länder genommen, die wie Ba den-Württemberg gut dastehen.

Nun haben wir, was die Haushaltsaufstellung betrifft, einen ganz großen Unterschied zwischen dem Jahr 2007 und heute. Wir haben zunächst eine Gemeinsamkeit: Es ist eine De ckungslücke von 3 Milliarden € vorhanden. Der Unterschied ist: Wir wollten damals keine neuen Schulden. Wir haben die Landeshaushaltsordnung ergänzt, die Schuldenbremse aufge nommen. Wir haben massiv gespart. Wir haben nicht in gro ßem Umfang mehr Ausgaben beschlossen, als Mehreinnah men kamen.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Uns ist es gelungen, die Neuverschuldung ab 1. Januar 2008 auf null zu senken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: In 58 Jahren!)

Das war ein harter Kampf, auch gegen oft berechtigte Wün sche aus unserer Fraktion. Aber gemeinsam mit der FDP/DVP haben wir es geschafft, auch 2009 ohne neue Schulden aus zukommen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Trotz vieler Wünsche aus der Opposition damals! – Abg. Muhte rem Aras GRÜNE: Wahnsinn!)

Wo stehen wir heute? Sie haben nun in der Finanzplanung für die nächsten beiden Jahre ebenfalls eine Deckungslücke von 3 Milliarden €.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Sie aber wollen die einzelgesetzliche Schuldenbremse, die in der Landeshaushaltsordnung verankert ist, erneut missachten oder streichen. Die Landeshaushaltsordnung bindet Regierung und Verwaltung – leider nicht den Gesetzgeber. Die Mehrheit hier im Landtag beabsichtigt, im nächsten Jahr erneut gegen die Landeshaushaltsordnung zu verstoßen und einen Haushalt mit neuen Schulden vorzulegen.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wer hat denn das gesagt?)

Wir haben bisher kein Recht, dagegen zu klagen.

Ich zitiere eine Aussage des Präsidenten des Rechnungshofs bei der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs im Finanz- und Wirtschaftsausschuss, die in dem betreffenden Bericht wie folgt wiedergegeben wird:

Die Regelungen zur Verschuldung bzw. zu einem Verbot der Verschuldung seien so elementar, dass ihre Einhal

tung – unabhängig davon, ob in der Verfassung oder ein zelgesetzlich – rechtlich nachprüfbar gestaltet werden sollte.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir ein Klage recht des Parlaments vor dem Staatsgerichtshof einführen, da mit § 18 der Landeshaushaltsordnung, wie wir ihn 2007 ein geführt haben, auch für das Parlament Verbindlichkeit hat. Deshalb bitten wir um Zustimmung des Hauses.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Aras das Wort.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Rechtsanwältin!)

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich komme mir manchmal vor wie ei ne Schallplatte, die einen Sprung hat und deshalb immer wie der das Gleiche wiederholt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Uns auch! – Abg. Peter Hauk CDU: Das stimmt allerdings!)

Nicht zu früh freuen, liebe Kollegen.

Sie haben dieses Land jahrzehntelang regiert.

(Oh-Rufe von der CDU – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Sie haben einen Berg von über 45 Milliarden € offenen Schul den angehäuft und einen riesengroßen Sanierungsstau hinter lassen.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Peter Hauk: Auch durch Wiederholung wird das nicht besser!)

Jetzt inszenieren Sie sich hier als die Verfechter der Haushalts disziplin,

(Abg. Klaus Herrmann CDU: 2007 war das!)

die Sie fast 60 Jahre lang mit Füßen getreten haben. Sie ha ben nicht nur in verfassungswidriger Weise das Haushalts recht des Parlaments missachtet. Sie haben auch noch min destens 800 Millionen € beim EnBW-Deal in den Sand ge setzt.

(Oh-Rufe von Abgeordneten der CDU)

Jetzt sind Sie keine 15 Monate lang in der Opposition, und schon mutieren Sie zum Sparkommissar. Das ist unglaubwür dig. Diese Rolle nimmt Ihnen niemand ab.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Wo bleibt der Applaus von der eigenen Fraktion?)

Meine Damen und Herren, Ziel der grün-roten Koalition ist es, das strukturelle Defizit abzubauen, also die Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen und die Schuldenbremse einzuhalten. Das alles geht jedoch nicht von heute auf mor gen.

Die einstimmige Verabschiedung der Änderung des § 18 LHO im Jahr 2007, also die Einführung eines Schuldendeckels und