Protocol of the Session on June 27, 2012

Aber die Begründungen sind im Einzelnen schon erstaunlich. Herr Heiler hat im Grunde gesagt, wenn wir alle Eventualitä ten bedacht hätten, würden Sie zustimmen. Das schließe ich aus dem, was Sie gesagt haben. Die Aussage „Wenn Sie alle Eventualitäten bedacht hätten“ erinnert mich ein bisschen an jemanden, der in ein Fahrradgeschäft kommt und sagt: „Da ist aber keine Pumpe und kein Gepäckträger dran. Deswegen nehme ich das Fahrrad gar nicht.“

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist eine gute Ent scheidung! Wie soll er sonst, wenn er einen Platten hat, das Ding reparieren?)

Wenn Sie schon der Meinung sind, dass etwas fehlt, dann dis kutieren wir doch darüber. Dann könnten Sie das, was Ihnen fehlt, mit einem Federstrich ergänzen.

Mich verwundert eines wirklich. Ihre Strategie irritiert. Denn wenn man etwas von der Opposition nicht übernehmen will, gibt es andere Möglichkeiten. Die beste Möglichkeit ist übri gens die, rechtzeitig einen eigenen, besseren Entwurf vorzu legen. Das ist die beste Methode.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Fehlanzei ge! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Es sind noch Fragen zu klären! Das ist nicht so einfach!)

Dann setzen Sie sich keinerlei Missverständnissen aus. Wenn Sie selbst rechtzeitig einen richtigen Vorschlag auf den Tisch legen, ersparen Sie sich das ganze Verfahren, nach Haaren in der Suppe suchen zu müssen. Aber diesen Vorschlag gibt es nicht. Uns liegt kein Vorschlag vor.

Sie müssen schon zugeben, dass man sich darüber Gedanken machen kann. Warum eigentlich liegt bis heute kein Vorschlag vor? Der Verdacht steht natürlich dick und groß im Raum: Sie sind sich in der Koalition in Wirklichkeit gar nicht so einig, wie Sie tun. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Minister präsident die Sache nicht unterstützt und dass der Innenmi nister auch kein Freund davon ist. Dass übrigens der Innen minister bei diesem Thema nicht hier ist, spricht für sich viel leicht schon Bände.

(Minister Reinhold Gall setzt sich auf seinen Platz auf der Regierungsbank. – Zurufe)

Im Moment kommt er, gerade rechtzeitig.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Zu Ihnen kommt er!)

Das nährt natürlich den Verdacht, dass etwas daran ist, dass der Ministerpräsident und der Innenminister die Sache in Wirklichkeit vielleicht nicht wollen. Warum könnte man sie eigentlich nicht wollen?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Reine Spekulation!)

Man muss sagen: Wir sind irritiert. Wir suchen nach Gründen. Beim Ministerpräsidenten gibt es einen wirklich handfesten Verdacht, nämlich: Die Kreise sollen ganz abgeschafft wer den.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Das geht doch gar nicht! Die haben doch Verfassungsgarantie! – Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Das ist das, was dahintersteht. Manchen ist offensichtlich die gewachsene Macht der Landräte im Zuge der teufelschen Re form ein Dorn im Auge. Das bekomme ich immer wieder mit. Aber ich erinnere daran, dass die Landkreise an der Wiege dieses Landes standen. In der Stunde null waren die Landkrei se da.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Wir warnen davor, die Axt an diese Institution zu legen. Was heißt „verfassungsrechtlicher Schutz“? Natürlich können Sie

die Strukturen so verändern, dass die Landräte am Schluss oh ne Bedeutung sind. Deswegen passt es Ihnen vielleicht nicht, wenn die Landräte durch eine direkte Wahl gestärkt werden. Aber verständlich ist das nicht, was Sie hier aufführen, insbe sondere nicht, dass Sie nicht rechtzeitig mit einem eigenen Vorschlag zur Stelle sind.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Seitens der Regierung liegt keine Wortmeldung vor.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aha! – Zu rufe der Abg. Tanja Gönner CDU und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Gibt es weiteren Beratungsbedarf? – Es liegen keine Wort meldungen mehr vor.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Wir hätten schon gern von der Regierung etwas gehört!)

Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 15/1566 (geänderte Fassung). Der Innenausschuss empfiehlt Ihnen in Ziffer 1 seiner Beschlussempfehlung Drucksache 15/1828, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Ich bitte Sie darum, damit einverstanden zu sein, dass ich den Gesetzentwurf im Ganzen zur Abstimmung stelle. Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 15/1566 (geänderte Fassung) zu stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegen stimmen? – Enthaltungen? –

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Knappe Mehrheit! – Heiterkeit)

Damit ist der Gesetzentwurf mehrheitlich abgelehnt.

Wir haben noch über Ziffer 2 der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 15/1828, abzustimmen. – Sie stimmen zu.

Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

a) Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der

FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Landeshochschul gesetzes und anderer Gesetze – Drucksache 15/416

b) Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregie

rung – Gesetz zur Einführung einer Verfassten Studie rendenschaft und zur Stärkung der akademischen Wei terbildung (Verfasste-Studierendenschafts-Gesetz – VerfStudG) – Drucksache 15/1600

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Drucksache 15/1850

Berichterstatter: Abg. Alexander Salomon

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Rede zeit von zehn Minuten festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Birk.

Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Der von der Landesregierung vor gelegte Gesetzentwurf zur Einführung einer Verfassten Stu dierendenschaft und zur Stärkung der akademischen Weiter bildung ist anscheinend so wichtig, dass die Wissenschafts ministerin, zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt, nicht bei der Debatte hier anwesend ist. Das ist etwas überraschend an gesichts der Bedeutung dieses Gesetzgebungsverfahrens. Aber es ist gleichzeitig auch blamabel, dass die Amtsspitze des Mi nisteriums bei dieser Beratung nicht vertreten ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ale xander Salomon GRÜNE: Was wollt ihr eigentlich?)

Die CDU-Fraktion hat dieses Vorhaben kritisch begleitet, und wir haben dafür gute Gründe, weil dieser Gesetzentwurf so wie das Gesetzgebungsverfahren bei Weitem nicht den An sprüchen genügen, die heute im Hinblick auf eine studenti sche Mitbestimmung notwendig wären.

Lassen Sie mich zunächst damit anfangen, dass das Interesse der Studierenden an den Wahlen zu studentischen Gremien seit vielen Jahren deutlich abnimmt und wir inzwischen Wahl beteiligungen von deutlich unter 20 % verzeichnen. An den Wahlen zur Verfassten Studierendenschaft, etwa an der Hum boldt-Universität in Berlin, nehmen weniger als 10 % der Stu dierenden teil. Meine Damen und Herren, unsere Studieren den beschäftigen sich mit etwas anderem als mit der Verfass ten Studierendenschaft. Die wollen zügig studieren und wol len in studentischen Belangen gehört werden. Sie wollen, wenn überhaupt, ein hochschulpolitisches Mandat, aber kein allgemeinpolitisches Mandat.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das ist der entscheidende Punkt; da ist Ihr Gesetzentwurf wie Gummi. In der Gesetzesbegründung sprechen Sie von einem hochschulpolitischen Mandat. Im Gesetzentwurf selbst ist es ein allgemeinpolitisches Mandat. Ja, meine Damen und Her ren von den Grünen und der SPD, wie hätten Sie es denn gern? Was wollen Sie denn jetzt? Wir erwarten von Ihnen, dass Sie klar und präzise in diesem Gesetzentwurf festlegen, wo die Reise hingeht. Wir wollen ein ausschließlich hochschulpoli tisches Mandat, denn nur dafür, wenn überhaupt, hat eine Ver fasste Studierendenschaft eine Legitimation, und nicht etwa im Hinblick auf Fragen des Auslandseinsatzes der Bundes wehr oder zu Fragen zu Stuttgart 21. Das gehört in andere Gremien, aber nicht an unsere Hochschulen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo! – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Das ist doch ein Schreckgespenst!)

Meine Damen und Herren, ein Quorum wäre bei diesem Ge setzentwurf mehr denn je angezeigt. Sie wollen die Studieren den in Baden-Württemberg mit einem Gesetz zwangsbeglü cken, das überhaupt nicht notwendig ist.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Haben Sie überhaupt mit einem Studenten geredet? – Zuruf von den Grünen: Wir machen doch keine Bürgermeisterwahlen!)

Wir fordern Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen, dass ein Mindestquorum von 25 % eingeführt wird im Hinblick auf die Frage der Einführung der Verfassten Studierendenschaft. Auch die Hochschulrektorenkonferenzen haben sich dem ange schlossen. Wir können Sie nur bitten, dem zuzustimmen. Wie so 25 %? Weil für das hessische Studentenparlament dieses Quorum mit 25 % gilt. Ich denke, wir sollten uns an das hal ten, was auch in Hessen eingeführt wurde.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, was das hochschulpolitische Man dat angeht: Wenn Sie dieses Mandat so breit fassen wollen, ist es nicht mehr als recht und billig, dass die Studierenden selbst darüber entscheiden, ob und inwieweit sie sich an der Verfassten Studierendenschaft beteiligen wollen. Deshalb überlegen Sie sich das noch einmal genau. Wir haben dazu ei nen Antrag formuliert, der ein individuelles Austrittsrecht be gehrt, wonach jeder Student selbst darüber entscheiden kann, wann er möchte – gegebenenfalls nach dem ersten Semester –, ob er aktiv an der Verfassten Studierendenschaft teilnimmt oder ob er nicht teilnehmen möchte. Deshalb fordern wir hier auch klar ein Austrittsrecht. Sachsen-Anhalt hat es vorge macht. Wir in Baden-Württemberg sollten dem folgen.