Protocol of the Session on June 27, 2012

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Hat der Mann eine Bildung! Ich bin beeindruckt! – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Wer hat denn das für Sie he rausgesucht?)

Was will ich damit sagen? Die Motivation des FDP/DVP-Ge setzentwurfs ist offenkundig: Sie pflügen auf fremdem Acker, nämlich in unserem Koalitionsvertrag.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist kein Acker, sondern eine Wüste! – Vereinzelt Heiterkeit und Beifall)

Sie pflügen auf fremdem Acker und wollen die Früchte ern ten, weil Sie entdeckt haben, dass wir dort die Volkswahl der Landräte festgeschrieben haben. Deshalb frage ich Sie noch mals, meine Herren von der FDP/DVP: Sie waren, wenn ich es richtig weiß, von 1996 bis 2011 mit an der Regierung. Sie haben in 15 Jahren nicht einmal den Versuch unternommen, die Volkswahl der Landräte einzuführen. Sie haben das nicht einmal in Koalitionsgesprächen eingebracht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Waren Sie dabei?)

Das heißt, Ihr Gesetzentwurf – ich bleibe dabei – ist nichts als purer Populismus.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Jetzt werde ich Ihnen anhand von vier Punkten zeigen – Herr Dr. Goll, Sie schreiben schon eifrig mit –,

(Heiterkeit bei der SPD)

dass Ihr Gesetzentwurf – ich drücke mich heute etwas vor nehmer, etwas zurückhaltender aus – zu wünschen übrig lässt.

Erstens: Es fehlen sämtliche Regelungen zum Wahlverfahren, z. B. zum Bewerbungsverfahren, es steht nichts darin über Frist und Form, über Unterstützungsunterschriften, über Wähl barkeitsbescheinigung, Prüfung und Zulassung durch den Kreiswahlausschuss. Jetzt haben Sie im Ausschuss gesagt, dies könnte man nachträglich noch machen. Aber klar ist doch: Wenn das Gesetz hier verabschiedet werden soll, dann möchten Sie die Volkswahl der Landräte, und das können Sie nicht, ohne diese Voraussetzungen zu schaffen.

Zweitens – ich finde es schon toll, wie Sie als Jurist dabei ar gumentiert haben –: Ich habe Ihnen im Innenausschuss vor gehalten: Die Landratswahlen brauchen eine gewisse Vorlauf zeit, die Stellenausschreibung hat spätestens drei Monate vor Ablauf der Amtszeit zu erfolgen, und deshalb sind Übergangs regelungen erforderlich; denn es kann nicht sein, dass zum Zeitpunkt der Stellenausschreibung noch altes Recht gilt, bei der Wahl dann aber neues Recht. Darauf haben Sie geantwor tet: „Ja, das stimmt schon, allerdings ist diese Situation ziem lich selten.“ Sie haben gesagt: „nur selten relevant“. Das ist doch keine Begründung. Denn, Herr Dr. Goll, ein Gesetz muss Regelungen für alle Eventualitäten treffen, seien sie auch noch so selten.

(Heiterkeit des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Drittens: Nach Ihrem Gesetzentwurf erhalten mit Inkrafttre ten des Gesetzes alle Landräte Stimmrecht – alle –; denn § 32 Absatz 6 Satz 3 in Ihrer Fassung lautet:

Der Landrat hat im Kreistag und in den Ausschüssen Stimmrecht.

Das heißt, alle Landräte haben dies mit Inkrafttreten des Ge setzes. Es sind die direkt Gewählten, die regulär vom Kreis tag Gewählten und diejenigen, die vom Kreistag gewählt wur den, weil das Quorum von 15 % nicht erreicht wurde. Also all diejenigen sollen das Stimmrecht erhalten, auch die sogenann ten – ich nenne es einfach einmal so – Altfälle.

Ich denke, das wäre eine glatte Verfälschung des Wählerwil lens, denn die Wähler haben bei den Kreistagswahlen ihre Kreisrätinnen und ihre Kreisräte gewählt, und diese haben durch die Direktwahl auch Stimmrecht erhalten. Sie wollen jetzt mit einem Federstrich im Gesetz mitten in einer Legis laturperiode den vom Kreistag gewählten Landräten ein Stimm recht im Kreistag und in den Ausschüssen geben. Das heißt, Sie würden mit diesem Gesetz die derzeitigen Stimmenver hältnisse verschieben, ohne dass der Souverän, nämlich das Volk, der Wähler, darauf Einfluss hat. Ich sage, das kann ver fassungsrechtlich nicht funktionieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ein vierter nicht nachvollziehbarer Punkt ist auch die in Ih rem Gesetzentwurf so bezeichnete demokratische Legitima tion, will heißen, dass Landräte nach dem Gesetzentwurf bei der Volkswahl ein Quorum von mindestens 15 % erreichen müssen. Wenn dieses Quorum nicht erreicht wird, soll der Kreistag den Landrat wählen. Ich frage: Soll dies künftig auch bei anderen kommunalen Wahlen gelten, insbesondere bei Bürgermeisterwahlen, bei Oberbürgermeisterwahlen? Und ich frage Sie: Ist Ihnen eigentlich bewusst, welche verheerende Außenwirkung Sie damit erzielen? Denn künftig wird es dann einerseits Landräte geben, die mit stolzgeschwellter Brust durch die Gegend ziehen und sagen: „Ich bin vom Volk ge wählt.“

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Genau das wollen Sie nicht!)

Andererseits wird es Landräte geben, die etwas geduckt ge hen und sagen: „Ich habe das Quorum nicht erreicht. Ich bin

‚nur‘ vom Kreistag gewählt.“ Das heißt, Sie schaffen hier Landräte erster und zweiter Klasse.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Und Sie schaffen sie ab, frü her oder später!)

Ich garantiere Ihnen, dass die Landräte zweiter Klasse von vornherein einen enormen Autoritätsverlust haben werden. Denn das fängt schon am Wahlabend an. Die Zeitungsüber schriften kann man sich vorstellen: „Landrat erreicht Quorum nicht, jetzt muss der Kreistag wählen“. So möchte ich kein Landrat werden; das sage ich Ihnen deutlich.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie wählt auch keiner!)

Also das Quorum funktioniert hinten und vorn nicht.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie sind auch mit den Zweitstim men hier hereingekommen!)

Zum Schluss noch einen kleinen Ausflug in das Strafrecht. Dort gibt es den Begriff des untauglichen Versuchs, Herr Pro fessor Dr. Goll, das heißt: ein Versuch, der von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wie heißt das lateinisch?)

Ich sage Ihnen jetzt eines: Das, was Sie hier machen, ist ein untauglicher Versuch. Deshalb können wir, so gern wir es auch täten, diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das bedauern wir!)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht der Kollege Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich habe es befürchtet, wir haben es be fürchtet: Wir haben über weite Strecken gerade eben nichts anderes gehört als Ausflüchte, Ausreden, Vorwände,

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP: Und die Rede aus der ersten Lesung!)

um einer Sache nicht zustimmen zu müssen, die Sie doch selbst in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Wo waren Sie denn in den letzten 15 Jahren, Herr Goll?)

Aber jetzt einmal vorweg:

(Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Aber Eile mit Weile! – Un ruhe)

Man kann sich in einer Demokratie natürlich gegen die Volks wahl der Landräte aussprechen, wie die CDU es hier bis heu te getan hat, wenn auch ein bestimmter Prozess des Nachden kens eingesetzt hat, ob man den Bürgern nicht da und dort ent

gegenkommen sollte. Das erklärt übrigens auch, weshalb es bisher nicht im Gesetzblatt stand; ganz einfach. Aber dass es jetzt noch immer nicht hineinkommt, obwohl Sie die Mehr heit haben, das ist doch das Erstaunliche an der Debatte.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Ich muss übrigens noch kurz bei der CDU bleiben. Ich res pektiere natürlich den Standpunkt, möchte aber an dieser Stel le auch sagen: Die beiden hauptsächlichen Gründe sind nicht stichhaltig. Sie argumentieren in der Regel damit, dass der Landrat vorwiegend staatliche Aufgaben hat. Mit diesem Ar gument dürfen Sie dann aber auch nicht den Kreistag wählen lassen. Dann müssen Sie ihn vom Staat ernennen, wie den Re gierungspräsidenten.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das stimmt nicht! Das ist jetzt unschlüssig! Der Kreistag macht die Selbst verwaltungsaufgaben!)

Das hält natürlich auch dem Vergleich mit dem Oberbürger meister nicht stand, dem man genau diese Aufgaben auch übertragen hat, aber nichts dabei findet, ihn zu wählen. Ich finde, es spricht nichts dagegen, auch einen Exponenten staat licher Verwaltung zu wählen. Die meisten anderen Bundes länder machen es bekanntlich so.

Was die Wahlbeteiligung angeht, so kann man immer nur da rauf hinweisen: In Bayern wäre, wenn unser Entwurf dort Ge setz wäre, keine einzige Wahl auf den Kreistag zurückgefal len – keine einzige Wahl!

Aber im Übrigen sind wir jetzt ein bisschen beim Thema Vor wände. Sie sagen: „Das Quorum gefällt uns nicht.“ Dann las sen Sie es doch weg! Wir haben das Quorum in den Gesetz entwurf geschrieben, damit nicht umgekehrt sofort wieder ein Vorwurf im Hinblick auf die Wahlbeteiligung erhoben wird. Aber hätten wir das Quorum weggelassen, käme dieser Vor wurf wahrscheinlich, weil Sie nach Gründen suchen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ausreden! – Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Nun ist bekannt – ich darf sozusagen eine kleine Anleihe an ein Bibelzitat machen –, dass eher ein Kamel durch ein Na delöhr geht, als dass die Regierung einem Vorschlag der Op position zustimmt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Das war früher so! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Aber der Vor schlag muss einfach gut sein! Und er ist nicht gut!)

Aber die Begründungen sind im Einzelnen schon erstaunlich. Herr Heiler hat im Grunde gesagt, wenn wir alle Eventualitä ten bedacht hätten, würden Sie zustimmen. Das schließe ich aus dem, was Sie gesagt haben. Die Aussage „Wenn Sie alle Eventualitäten bedacht hätten“ erinnert mich ein bisschen an jemanden, der in ein Fahrradgeschäft kommt und sagt: „Da ist aber keine Pumpe und kein Gepäckträger dran. Deswegen nehme ich das Fahrrad gar nicht.“