Protocol of the Session on June 27, 2012

Bei den Deliktfeldern, die strafrechtlich hier im Raum stehen, geht es nicht nur um kleine Hühnerdiebstähle. Da geht es um Diebstahl, Raub, Rauschgifthandel, Waffenhandel, Gewalt kriminalität bis hin zu Tötungsdelikten und auch um schlim me Fälle von Rotlichtkriminalität. Das heißt, wir haben es hier mit Entwicklungen auch im Bereich der organisierten Krimi nalität zu tun.

Nun versuchen diese Banden, intern Subkulturen zu bilden. Sie haben einen völlig falsch verstandenen Ehrenkodex – da gibt es wahrscheinlich auch Fälle von Selbstjustiz –, und sie versuchen, sich ihren eigenen Rechtskreis zu konstruieren. Meine Damen und Herren, da wird es Ernst. Das können wir, das kann der Staat so nicht akzeptieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE und Walter Heiler SPD)

Das staatliche Gewaltmonopol muss unverrückbar bleiben. Es darf nicht akzeptiert werden, dass sich einzelne Gruppierun gen, aus welchen Gründen auch immer, anmaßen, sich über den Staat zu stellen.

Als ein Weiteres kommt die Belastung des subjektiven Sicher heitsgefühls der Bevölkerung hinzu. Allein durch das martia lische und rudelhafte Auftreten wird es einem wahrscheinlich schon Angst, sobald sie nur Präsenz zeigen. Auch dies ist ein Thema, bei dem man im Interesse der Bevölkerung einfach vorsichtig und sensibel sein muss.

Es handelt sich hier nicht um Hobbymotorradfahrer. Die Straf taten müssen mit der gesamten Härte des Gesetzes bekämpft werden.

Deswegen kann ich auch sagen, Herr Minister: Im vergange nen Jahr wurde in Pforzheim – da gab es schlimme Szenen; die Kollegin Engeser hat es mir vorhin gerade noch beschrie ben – die dortige Gruppierung der Hells Angels – „Border land“ nannte sie sich – von Ihnen mit einem Vereinsverbot be legt. Das begrüßen wir. Es wurden die Strukturen zerschla gen, und sicherlich wurde die Szene auch erfolgreich verun sichert. Es gab einen regelrechten Rockerkrieg, auch in der Türsteherszene.

Das zeigt: Vereinsverbote sind ein wirksames Mittel, das auch angewandt werden muss. Ich glaube aber, dass wir ausschwei fende Debatten über einzelne Vereinsverbote gar nicht so sehr in der Öffentlichkeit führen sollten. Denn man muss sie ja nicht groß vorwarnen. Man sollte vielmehr im Stillen Erkennt

nisse sammeln. Die Nachweise, die erforderlich sind, um ein Vereinsverbot auszusprechen, sind nämlich schwer zu erbrin gen. Sobald solche Erkenntnisse jedoch da sind, muss man konsequent handeln.

Für die Polizei ist das schwierig. Sie arbeitet konspirativ, aber in diesen Kreis kommt sie auch mit verdeckten Ermittlungs maßnahmen nicht so einfach hinein. Deswegen ist es meiner Ansicht nach besser, gar nicht so sehr über einzelne Ermitt lungsmaßnahmen zu sprechen.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen: Auch die Strukturen der Polizei sind in diesem Zusammenhang wichtig. Wir führen heute nicht die Debatte, die wir in letzter Zeit des Öfteren streitig führen. Aber ich sa ge Ihnen eines: Wir haben in den heutigen Strukturen der Po lizei bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität und an derer schwerwiegender Kriminalitätsformen eine sinnvolle Struktur der Zentralisierung. Der Kampf gegen organisierte Kriminalität, den islamistischen Terrorismus – hier kommen die REGIT, die Regionalen Ermittlungsgruppen Islamistischer Terrorismus, zum Einsatz – sowie schwere Fälle von Wirt schaftskriminalität ist in Baden-Württemberg zentralisiert an vier Standorten, nämlich bei den Landespolizeidirektionen. Ich möchte Sie bitten, Herr Minister – wir führen die Diskus sion heute nicht darüber, aber Sie möchten ja sehr viel zent ralisieren –: Zerschlagen Sie hier, wo wir eine sinnvolle Zen tralisierung haben, die vorhandenen guten Strukturen mit schlagkräftigen Einheiten und regelrechten Kompetenzzent ren nicht, sondern erhalten Sie diese Sach- und Fachkompe tenz, die wir heute haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen den Ermittlungsdruck aufrechterhalten, auch da mit – das gilt bundesweit – nicht irgendwelche Verdrängungs effekte entstehen. Deswegen halte ich den Kurs, den vor we nigen Wochen die Innenministerkonferenz eingeschlagen hat, für richtig. Die erste Stufe auf Länderebene sind regionale Verbote gegen örtliche Gruppen. Hierfür sind die Länder zu ständig. Sie können solche regionalen Verbote aussprechen. Wünschenswert sind im Weiteren aber auch ein bundeswei tes Vorgehen und bundesweite Verbote. Allerdings ist es schwie rig, die hierfür erforderlichen Nachweise zu erbringen; dies gilt sowohl für regionale als auch für bundesweite Verbote. Bundesweit müssen Sie Vernetzungsstrukturen nachweisen, und für ein generelles Vereinsverbot müssen Sie nachweisen, dass Straftaten Einzelner einer ganzen Gruppierung zuzurech nen sind, dass es praktisch organisierte Tätigkeiten sind.

Ich halte hierbei jedoch die vorgegebene Linie des Bundesin nenministers für sehr sinnvoll. Er hat gesagt – ich darf zitie ren, Herr Präsident –:

Sobald die Prüfung ausreicht für ein bundesweites Ver bot, gibt es auch ein bundesweites Verbot.

Ich darf Herrn Bundesinnenminister Friedrich da ausdrück lich zustimmen. Das ist der richtige Weg, und den sollten wir einschlagen.

Wir in Baden-Württemberg – ich danke Ihnen, Herr Kollege Sakellariou, dass Sie das angesprochen haben – sind ja in der Vergangenheit nicht untätig gewesen. Bereits im Jahr 2004 gab es nach meiner Erinnerung seitens der Landesregierung

erste vernetzte und gezielte Maßnahmen gegen Rockerkrimi nalität. Sie sind sehr sinnvoll, und sie können heute fortge setzt werden. Ich finde es auch begrüßenswert, Herr Minister, dass Sie darauf aufsetzen und dies fortführen.

Wir müssen auf Landesebene alle Möglichkeiten ausschöp fen. Da gibt es im Bereich des Waffenrechts Möglichkeiten, z. B. die konsequente Widerrufung von Waffenerlaubnissen – wenn sie vorhanden sind –, präventiv Waffenbesitzverbote, aber beispielsweise auch – immerhin sind auch Motorräder im Spiel – den Entzug der Fahrerlaubnis. Warum nicht, wenn dies möglich ist? Ich kann Sie nur dazu ermuntern, Herr Mi nister – und ich sage Ihnen unsere Unterstützung zu; wenn Sie Unterstützung brauchen, stehen wir gern bereit –: Nutzen Sie alle rechtlichen Möglichkeiten, damit diese stark wachsende Form organisierter Kriminalität beendet oder zumindest ein geschränkt werden kann.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol lege Sckerl.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der heutigen Aktuellen Debatte tatsächlich ein hohes Maß an Übereinstim mung, wenn es um die Beurteilung des Gefahrenpotenzials geht, das von kriminellen Motorradbanden ausgeht. Das gilt für Baden-Württemberg ebenso wie für den Bund: Da sind wir gefordert, diesen zum Teil zynischen Herausforderungen – der Kollege Sakellariou hat sie beschrieben: inszenierte Hochzeitsfeste, demonstrierte Rechtsstaatlichkeit, Demonst rationen für vermeintlich durch den Staat verletzte Bürger rechte usw. – entgegenzutreten und auf das wahre Gesicht die ser Szene hinzuweisen.

Die Sicherheitsbehörden sind in der Tat seit vielen Jahren gut beraten, mit hohem Ermittlungsdruck und wachen Augen vor zugehen und da, wo es notwendig ist, gezielte Maßnahmen wie Vereinsverbote zu ergreifen. Dies wird von uns angesichts der Schwere der Straftaten, die geplant und begangen werden, und der verbreiteten Hinwendung zur organisierten Krimina lität mit ihren bedenklichen Entscheidungsformen ausdrück lich unterstützt.

Wir haben bei uns im Land schon lange mafiöse Strukturen mit Banden, die sich, etwa im Bereich Drogenkriminalität, or ganisieren. Da sehen wir immer wieder, dass Motorradban den als Fahrer dienen, aber auch als Stadtteilkontrolleure im Bereich der Prostitution; sie betätigen sich als Zuhälter. Es gibt Fälle von Zwangsprostitution und Menschenhandel ge rade mit betroffenen Menschen aus den südost- und osteuro päischen Ländern. Das alles sind Erscheinungsformen, die uns angesichts der Verletzung der Menschenwürde und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit nicht mehr gleichgültig lassen.

Damit ist auch völlig klar: Die Zeit der Romantik, die Filme wie „Born to Be Wild“ früher verbreitet haben, ist vorbei. Die se Art von Motorradklubs zeigt in der Tat ein sehr hässliches Gesicht. Wir müssen entschieden dagegen vorgehen. Wir müs sen die Polizei ermächtigen und unterstützen, damit sie wirk same Maßnahmen ergreift.

Das, was in Baden-Württemberg seitens der Polizei in den letzten Jahren geschehen ist, war sicher richtig. Das Landes kriminalamt und die Polizei wurden für diese Schwerpunkte entsprechend ausgestattet. Das sollten wir weiter tun. Ich glau be nicht, Herr Kollege Blenke, dass die Polizeireform diesen Prozess in irgendeiner Form stören wird; im Gegenteil:

(Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Die Bildung von stärkeren Einsatzgruppen mit mehr Spezia listen als bisher, gerade im Bereich der Kriminalitätsbekämp fung,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

wird das ihre dazu tun, Bandenkriminalität im Bereich der Motorradbanden noch stärker und noch erfolgreicher zu be kämpfen, als es bisher der Fall war.

Ich finde, man muss Debatten nicht unnötig überziehen. Das Wesentliche ist gesagt; ich muss es nicht wiederholen. Es gibt aber einen Gesichtspunkt, der unserer Fraktion ebenfalls wich tig ist. Wir legen Wert auf eine differenzierte Betrachtung: Nicht alle Menschen auf Motorrädern gehören kriminellen Rockerbanden an, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

In Baden-Württemberg gibt es Tausende Menschen, die am Wochenende ihrem Hobby nachgehen und auch in Motorrad klubs organisiert sind. Sie sitzen auf ihrer Harley Davidson oder auf was auch immer und genießen einfach nur ihr Hob by – wohlgemerkt im Rahmen der Straßenverkehrsordnung.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist aber kein grünes Hobby!)

Das ist kein originär grünes Hobby, aber es gibt auch genug Grüne, die dieser Leidenschaft frönen, Frau Kollegin.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ist das ein Selbst bekenntnis?)

Nein. Aber für meine Jugendjahre würde das auch als Selbst bekenntnis gelten.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Aber es ist völlig klar, dass wir keine pauschale Diffamierung dieser Menschen vornehmen werden, sondern unser Augen merk gilt tatsächlich den kriminellen Motorradbanden. Allen anderen Motorrad fahrenden Menschen in Baden-Württem berg wünschen wir jetzt, da der Sommer unverzüglich kom men wird, am Wochenende schönes Fahren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Allzeit gute Fahrt! – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Kollege Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist klar – das ist auch in die ser Debatte zum Ausdruck gekommen –, dass ein großes ge meinsames Interesse besteht, bei uns im Land Kriminalität konsequent zu bekämpfen – bekanntlich sind wir dabei recht erfolgreich –, egal, in welcher Form, und egal, wie sie pas siert. Dies gilt natürlich vor allem dann, wenn Kriminalität von Banden ausgeübt wird, weil sie in diesem Fall eine be sondere Herausforderung mit einer besonderen Gefährlichkeit darstellt.

Wir bekämpfen alle Formen der Kriminalität natürlich auch ohne Rücksicht auf die Fahrzeuge, die dabei benutzt werden. Ich habe bei diesem Thema heute Morgen die Harley einmal vorsichtshalber in der Garage gelassen.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)

Denn es hat lange gedauert, lieber Herr Sckerl, bis einmal je mand bereit war, zu sagen, dass es auch noch ein paar andere Motorradfahrer gibt. Ich komme gleich noch einmal darauf zu sprechen.

Uns kommt es darauf an, Kriminalität zu bekämpfen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Ich habe bei den Reden jetzt doch einiges an Klagen und Em pörung gehört, aber nicht sehr viel Handfestes dazu, wo ei gentlich die Möglichkeiten und Grenzen sind. Es lohnt sich schon, sich z. B. anzuschauen, was ein Sprecher des Innenmi nisteriums sehr nüchtern, sehr klar auf Nachfrage einer Zei tung gesagt hat. In der Zeitung heißt es:

„Unsere konsequente Linie gegen die Rocker-Gruppie rungen wird fortgesetzt“, versichert ein Sprecher...