Heute sind es rund 20 % dieser Altersgruppen, die sich regel mäßig oder hin und wieder dem Glücksspiel hingeben. Das muss uns schon etwas alarmieren, denn das ist sicher das Pro blem, das hinter diesem etwas umfangreichen Gesetz steht.
Man fragt sich natürlich: Kann man, soll man oder muss man vorschreiben, ob und wie die Menschen zu spielen haben, ob sie es dürfen oder nicht und was sie dürfen? Insbesondere stellt sich natürlich die Frage: Wie kann ein Gesetz formuliert werden, um die Menschen vor einem Schaden zu schützen?
Dem steht gegenüber, dass der Staat und die Gesellschaft die Hand beim Glücksspiel kräftig aufhalten. Viele öffentliche Einrichtungen in Kultur und Sport gäbe es nicht, wenn in den vergangenen 60 Jahren nicht Spielbankabgaben, Lotteriesteu ern und Ähnliches an die Öffentlichkeit zurückgegeben wor den wären.
In diesem Spannungsfeld zwischen „alles freigeben“ und „al les verbieten“ bewegen wir uns. Beides ist sicher nicht mach bar. Deshalb, denke ich, ist dieses Gesetz, das wir heute ver abschieden sollen und wollen, schon ein Wegweiser in die richtige Richtung.
Ein absolutes Spieleverbot, zu dem ich mich eigentlich durch ringen könnte, würde meines Erachtens das Problem genau so wenig lösen wie die uneingeschränkte Freigabe aller Spie le und Wetten. Ich zweifle aber etwas daran, ob das, was im Gesetz als Begründung genannt wird, nämlich das Entstehen der Glücksspielsucht und der Wettsucht zu verhindern, den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten, den natürlichen Spieltrieb in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und unerlaubtes Glücksspiel einzudämmen, erreicht wird. Ich wür de für diese Formulierung meine Hand nicht unbedingt ins Feuer legen.
Trotzdem hat dieses Gesetz einige gute Ansätze: das Verbot oder die Lenkung von Werbung, die Verpflichtung, ein Sozi alkonzept zu erstellen, und vor allem – das scheint mir für uns heute sehr wichtig zu sein – die Ermächtigung, ein Glücks spielgesetz des Landes zu erlassen. In diesem Gesetz sind dann Richtlinien zu formulieren, wie Spielhallen genehmigt und wo sie betrieben werden können.
Auf genau solch ein Glücksspielgesetz warten wir, und wir hoffen, hierüber noch in diesem Jahr debattieren und dies ver abschieden zu können. Ich habe schon jetzt die herzliche Bit te, dass sich die Landesregierung in Bezug auf dieses Gesetz mit den Beteiligten, mit den Betreibern, aber natürlich auch mit den Kommunen rechtzeitig in Verbindung setzt und eine öffentliche Anhörung durchführt, damit wir hier dann ein fes tes und klares Konzept verabschieden können.
Trotz aller Bedenken, trotz aller Zweifel, ob dieses Gesetz wirklich geeignet ist, die Spielsucht einzudämmen, werden wir diesem Gesetz zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr verehr ten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Jedes Spiel braucht Regeln. Was bereits im Allgemeinen gilt, trifft für das sogenannte Glücksspiel doppelt zu. Denn anders, als der verharmlosende Name verheißt, nämlich, dass dieses Spiel Glück bringt, handelt es sich beim Glücksspiel um eine Tätigkeit mit hohem Suchtpotenzial und den damit stets einhergehenden gesellschaftlichen Folgen.
Dass dieses Thema gesellschaftlich relevant ist, zeigt die Zahl der bis zu 400 000 Menschen in Deutschland, die glücksspiel süchtig sind. Das ist besonders besorgniserregend, weil Fami lien häufig Multiplikatoren sind, die dieses Leid ebenfalls mit tragen, auch wenn innerhalb dieser Familie nur eine Person
abhängig ist. Denn je ausgeprägter die Glücksspielsucht ist, desto höher und riskanter sind auch die Wetteinsätze sowie die damit häufig einhergehenden Schulden.
Ein wirksamer Schutz kann jedoch nur durch einheitliche Standards erfolgen. Insofern ist es als großer Erfolg zu wer ten, dass alle 16 Bundesländer nun endlich die Vorgaben ei ner kohärenten Politik in diesem Feld geregelt haben. Nach dem Ministerpräsident Albig für Schleswig-Holstein als letz tem Bundesland angekündigt hat, ebenfalls einzusteigen, ist vollständig erreicht, dass alle Bundesländer mitmachen und diesen groben Rahmen, diesen Glücksspieländerungsstaats vertrag hoffentlich bald ratifizieren, so, wie wir das nun heu te tun möchten.
Wie wichtig ein solch koordiniertes Vorgehen tatsächlich ist, lässt sich allein schon anhand des Beispiels für ortsungebun dene Wettangebote nachvollziehen. Wo im heutigen Mobili tätszeitalter Ländergrenzen immer weniger Bedeutung haben, entsteht Raum für Ländergrenzen überschreitenden Wettbe werb, und dabei können durch eine eher nachlässige Gesetz gebung Glücksspieler aus anderen Gebieten angezogen wer den.
Es darf aber nicht unser Ziel sein, einen so bedenklichen Wett bewerb zuzulassen. Denn während steigende Umsätze im An gebotsland auch für steigende Steuereinnahmen im Glücks spielbereich sorgen, entstehen und verbleiben die sozialen und gesellschaftlichen Kosten im Wohnland der suchterkrankten Spielerinnen und Spieler.
Sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus präventiver Sicht be darf es also einer gemeinsamen Lösung der Bundesländer. Der vorliegende Glücksspieländerungsstaatsvertrag stellt in vier Punkten die Grundvoraussetzungen für das Erreichen unserer Ziele dar. Dabei geht es erstens darum, das Entstehen von Glücksspielsucht zu verhindern, also um Suchtprävention, zweitens darum, Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten, drittens, den Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu kanalisieren, und viertens, unerlaub tes Glücksspiel einzudämmen.
Die Details werden dann natürlich im Ausführungsgesetz fest geschrieben. Aber wir müssen den groben Rahmen, den der EuGH vorgegeben hat, auf Bundes- und auf Landesebene he runterbuchstabieren. Insofern können Sie im vorliegenden Ge setz natürlich noch keine Details erwarten, wie Sie sie hier an gemahnt haben. Nur durch die im Glücksspieländerungsstaats vertrag verbindlich festgelegte Einführung dieser Standards in allen Bundesländern kann das nötige Fairplay in dem an sonsten begrüßenswerten Länderwettbewerb auch im Glücks spielbereich garantiert werden.
Eine weitere fundamentale Voraussetzung kann nur durch die Umsetzung eines länderübergreifenden Staatsvertrags gewähr leistet werden, nämlich der hoheitliche Einfluss der staatli chen Organe. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge richts und des Europäischen Gerichtshofs lassen in diesem Punkt auch keinen Platz für Zweifel.
Das Staatsmonopol auf Glücksspiel kann aus wettbewerbs rechtlichen Gründen nur bei der Umsetzung der angemahn ten kohärenten und systematischen Regelungen aufrechter halten werden, wie sie der vorliegende Staatsvertrag erstmals
formuliert. Somit ist dies der einzig gangbare Weg zur Wah rung unserer hoheitlichen Interessen, die wir gerade aufgrund der Suchtgefahr im Glücksspiel auch in Zukunft aufrechter halten müssen.
Die in Aussicht stehende Verabschiedung des Glücksspielän derungsstaatsvertrags in allen Ländern bestärkt uns in unse rer Auffassung, dass hier der größtmögliche Konsens erreicht werden konnte. Auch die Zusammenlegung der Nordwest deutschen mit der Süddeutschen Klassenlotterie, die mit die sem heute zu verabschiedenden Gesetz ermöglicht wird, zieht keine Einbußen für die beteiligten Länder nach sich. Schließ lich werden diese an der geplanten Gemeinsamen Klassenlot terie der Länder ebenso beteiligt, wie dies zuvor der Fall war.
Durch eine einheitliche Organisation und eine einheitliche Klassenlotterie wird vielmehr eine effiziente Umsetzung der im Glücksspieländerungsstaatsvertrag festgelegten Ziele ga rantiert. Im Rahmen der Zusammenlegung werden die Ver mögensgegenstände der NKL und der SKL in die Gemeinsa me Klassenlotterie überführt und bleiben somit auch erhalten.
Unsere Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetz hat die Lan desregierung, und für die lokale Umsetzung des Gesetzes in Baden-Württemberg bleibt dem Land trotz einheitlicher Stan dards auf Bundesebene noch Gestaltungsspielraum, da den Ländern eine weiter gehende Regelung offengehalten wird. Dort könnte beispielsweise eine suchtpräventiv basierte Reg lementierung der Werbemöglichkeiten für das Glücksspiel umgesetzt werden. Die Frage, mit welchen begleitenden Prä ventionsmaßnahmen wir von Landesseite aus zur Verbesse rung der Vorbeugung von Suchtkrankheiten beim Glücksspiel insgesamt beitragen können, werden wir in den kommenden Monaten noch gesondert anzugehen haben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Die Ratifizierung eines Glücksspieländerungsstaatsver trags, den der Herr Ministerpräsident bereits unterschrieben hat, durch das Parlament ist eigentlich eine Formalie; der Re gelungsbereich ist jedoch von großer Wichtigkeit und großer Bedeutung für die Menschen. Wir brauchen letztlich einen Ordnungsrahmen für etwas, was zum Menschsein dazugehört. Das Glücksspiel bekommt man aus dem Menschen nicht he raus, und es gibt viele, die vernünftig damit umgehen können und die das als Freizeitbeschäftigung, als Vergnügen betrei ben. Aber es gibt auch viele, die damit nicht umgehen können und die sich und ihre Familien ins Unglück stürzen. Deswe gen brauchen wir dafür eine vernünftige Regelung.
Was wir heute machen, ist, einen Staatsvertrag, der aus Über gangsgründen zu Landesrecht geworden ist, jetzt wieder als Staatsvertrag in die Welt zu setzen, um dann aus diesem Staatsvertrag heraus eine Rechtsgrundlage zu haben, um hier über ein eigenes Landesglücksspielgesetz zu diskutieren und dies zu verabschieden, was dann in unsere ureigenste Zustän digkeit fällt. Dann können wir auch alle Details besprechen.
Wir reden von einem Markt, in dem diejenigen, die Glücks spiel betreiben und damit Geld verdienen, oft zu Superreichen werden. Ich habe erst kürzlich in einem Interview in der „Frankfurter Rundschau“ etwas von dem Entwickler der Mer kur-Automaten gelesen; dessen Familie ist inzwischen eine superreiche Sippe im Ruhrgebiet. Dieser Reichtum muss ja ir gendwo herkommen. Er kommt daher, dass eben viele Men schen, die nicht vernünftig mit Glücksspiel umgehen, ihre Lohntüten am Monatsende direkt in die Spielhalle tragen, um aus dem Wenigen mehr zu machen versuchen, und am Ende weniger haben, als sie ursprünglich hatten.
Unser Hauptproblem sind nicht die Kasinos und die größeren Einheiten, in denen geordnet miteinander umgegangen wird, sondern unser Hauptproblem sind die an jeder Ecke hervor sprießenden kleinen Spielhallen, die die Hoffnung wecken, hier könnte man mit wenig Geld reich werden. Aber reich wer den immer nur die anderen und nicht diejenigen, die ihr Geld dort hintragen.
Vor diesem Hintergrund habe ich mich ein bisschen gewun dert, dass im Rahmen der Anhörung zu diesem Staatsvertrag die EU-Kommission eine Stellungnahme vorgelegt hat – da raus möchte ich gern zitieren –, die die Markthörigkeit, die mir bei diesem Thema ein bisschen widerstrebt, deutlich macht. Die EU-Kommission hat in ihrer Stellungnahme zum Glücksspieländerungsstaatsvertrag tatsächlich ausgeführt – ich zitiere –:
Auch wenn es sich im vorliegenden Fall bei den Gründen, die zur Rechtfertigung des Verbots vorgebracht werden, um gültige Ziele des öffentlichen Interesses zu handeln scheint, weisen die Dienststellen der Kommission den noch darauf hin, dass keinerlei Daten vorgelegt wurden, um den Nachweis betreffend das tatsächliche Vorhanden sein der ermittelten Gefährdungen zu erbringen.
Als ob offen wäre, dass ein ausuferndes Glücksspiel und die se Möglichkeiten nicht schon eine objektive Gefährdung dar stellten! Ich möchte mein Unverständnis darüber ausdrücken, dass man selbst offensichtliche Fakten noch so infrage stellt.
Die Zustimmung der SPD-Fraktion zum Gesetzentwurf wird selbstverständlich signalisiert. Der Gesetzentwurf stellt die Grundlage für eine vernünftige Regelung auf Landesebene dar.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wer die jahrelange Diskussion über die Glücksspielstaatsverträge verfolgt hat, dem ist klar, dass das Modell, das jetzt in diesem Vertrag beschlossen wird, weitge hend dem entgegenkommt, was die liberale Fraktion im Land tag und die Liberalen im Bund seit Jahren gefordert haben, nämlich ein anderes Modell als das bisherige: Es trägt die Überschrift „Freigabe der Sportwetten, aber Konzessionie rung“. Das ist übrigens vor dem Hintergrund zu sehen, lieber Kollege Hollenbach, dass das ganze Geschehen am allerwe nigsten beeinflusst werden kann, wenn das Spiel im Internet stattfindet und aus dem Ausland betrieben wird.
Deswegen haben wir uns jahrelang dafür eingesetzt, dass man auf ein System übergeht, die Sportwetten freizugeben – her aus aus dem Monopol –, aber dafür Konzessionen zu verge ben, sodass man wenigstens ungefähr weiß, wer die Spiele be treibt, und für die Vergabe der Konzessionen übrigens auch noch Geld erhält. Daher könnten wir natürlich sagen: Wun derbar, diese Veränderung ist richtig, sie ist im Sinne der Ver nunft, vertreten durch die FDP. Aber ganz so einfach ist es nicht.
Denn das neue Modell ist natürlich inkonsequent und nicht bis zum Ende umgesetzt. Wenn man genau hinschaut, merkt man: Das neue Modell endet auf einmal an bestimmten Gren zen. Diese Grenzen – das merkt man – sind Kompromisslini en, die nicht sachlicher Art sind, sondern politische Kompro misslinien sind. Ich werde Ihnen ein paar Beispiele geben, und dann wird, glaube ich, deutlich, was wir meinen. Dann wird auch deutlich, dass sich dahinter zwangsläufig weitere recht liche Risiken verbergen.
Ich nenne den ersten Punkt: Die Beschränkung auf 20 Lizen zen ist im Grunde genommen völlig willkürlich und durch nichts begründbar. Man könnte genauso gut zehn, 15 oder 25 Lizenzen vergeben. Ich prophezeie, dass auch diese Regelung auf der EU-Ebene letzten Endes nicht überleben wird, wie ich mir schon seit Jahren erlaubt habe, darauf hinzuweisen, dass der frühere Staatsvertrag nicht auf Dauer überleben kann, weil er gegen EU-Recht verstößt. Dasselbe gilt für diese Beschrän kung auf 20 Lizenzen.
Weitere Beispiele: Man verbietet in dem Bemühen, jetzt nicht alles zuzulassen, beispielsweise Onlinepoker. Aber kein Mensch hier wird zu dem Schluss kommen, dass Onlinepo ker besonders gefährlich ist, abgesehen davon, dass es im In ternet weiterhin wunderbar ungestört möglich ist.
Zweitens: Man verbietet Livewetten. Man darf also, wenn ein Fußballspiel läuft, nicht auf den Ausgang dieses Fußballspiels wetten. Warum ausgerechnet das auch verboten sein soll, er klärt mir, erklärt uns und erklärt vor allem auch der EU nie mand. Das ist im Grunde genommen sachlich nicht begründ bar, nicht schlüssig und schafft damit rechtliche Risiken.
Dritter und letzter Punkt, den ich ansprechen möchte: Es ist natürlich in unseren Augen schon immer ein bisschen un glaubwürdig gewesen, das Lotteriemonopol mit der Suchtge fahr zu begründen; denn jeder weiß, dass beim Lottospiel die Gefahr der Spielsucht am geringsten ist. Bei Lotto von Sucht gefahr zu reden ist schon ein bisschen an den Haaren herbei gezogen. Aber trotzdem machen wir es in diesem Vertrag noch immer.
Wir begeben uns dadurch aber in die Falle, dass wir dann bei allem anderen, was kein Lottospiel ist, umso eifriger die Spiel sucht bekämpfen müssen. Das heißt, die künftigen Regelun gen wenden sich eigentlich vor allem an diejenigen, die dazu keinen großen Anlass geben. Denn, lieber Herr Sakellariou, das Automatenspiel ist in den letzten Jahren hinsichtlich der Gewinnsummen, vom Alkoholverbot und von weiteren Rege lungen sehr eingeengt worden.
Es ist nach meiner Meinung nicht schlüssig und nicht ganz redlich, wenn der Staat sein Monopol, weil er damit Geld ver dienen will, mit einer Suchtgefahr begründet und dafür dann anderen durch Regulierungen auf den Leib rückt und sagt, dort müsse man die Sucht bekämpfen.
Wenn ich das alles zusammennehme, dann muss ich sagen: Trotz guter Ansätze sehen wir in unserer Fraktion – ich möch te es bewusst so ausdrücken – keinen Grund, uns mit in die Haftung zu begeben für die Mängel, die dieser Vertrag nach wie vor hat. Deswegen werden wir nachher dem Ratifizie rungsgesetz auch nicht zustimmen.