Protocol of the Session on May 23, 2012

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wenn man eine solche individualisierte Rückmeldung hat, dann kann man auch zusammen mit den Eltern sehr gut dar an arbeiten, sich zu verbessern.

Übrigens teile ich Ihre Einschätzung nicht, dass sich die El tern um den Bildungserfolg ihrer Kinder nicht kümmern wür den oder nur unzulänglich Zeit darauf verwenden würden. Wenn man den Eltern die richtigen Informationen gibt und sie tatsächlich klare Informationen und ein Gesprächsangebot aus der Schule bekommen, dann funktioniert das auch.

Die individuellen Leistungsrückmeldungen erfolgen selbst verständlich nicht nach Handbuch – das ist doch klar –, son dern man beschreibt tatsächlich mit eigenen Worten die Leis tungsfähigkeit oder auch die Schwächen des jeweiligen Schü lers.

Jetzt noch ein Wort zu den Klassenwiederholungen, weil das heute auch angesprochen worden ist. Gerade hinsichtlich der Klassenwiederholungen dürfte doch zumindest bei den päda gogisch Kundigen weitestgehend Einigkeit bestehen, dass die tatsächliche pädagogische Wirkung fragwürdig ist. Wir haben in Baden-Württemberg eine sehr niedrige Sitzenbleiberquo te. Das ist klasse und hat mit Sicherheit erstens mit der guten Leistung unserer Lehrerinnen und Lehrer zu tun, aber zwei tens auch damit, dass wir eine sogenannte Versetzung auf Pro be ermöglicht haben. Wir sehen, dass ein großer Teil von Schülerinnen und Schülern vorübergehend einen Durchhän ger hat, und wenn man ihnen die Zeit gibt, sich in ihrem so zialen Umfeld wieder zu fangen, und ihnen Mut macht, dann funktioniert das auch.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Deswegen haben wir das eingeführt, vor Ihrer Zeit!)

Ich habe nicht vor, das abzuschaffen.

Es geht jedoch auch darum, sich einmal klar Gedanken darü ber zu machen: Wie können wir unser Bildungssystem wei terentwickeln? Wenn wir sehen, dass die Versetzung auf Pro be funktioniert, dann ist es doch nur vernünftig, in der Ge meinschaftsschule das Sitzenbleiben von vornherein gar nicht zu verankern, sondern ganz klar auf moderne pädagogische Konzepte zu setzen, die heißen: Wir unterstützen junge Men schen in ihren Kompetenzen, in ihrer Leistungsfähigkeit,

(Glocke der Präsidentin)

und wenn ein junger Mensch einen Durchhänger hat, dann wird er entsprechend gefördert, damit er weitermachen kann. Wir messen das Ganze, indem wir individuell beschreiben, welcher Bildungsstandard erreicht worden ist. Das spart üb rigens auch Geld. Jetzt gibt es die wildesten Berechnungen zu den Kosten des Sitzenbleibens. Aber es steht definitiv fest,

dass der pädagogische Zweck zu den Kosten, die erzeugt wer den, wirklich in keinem sinnvollen Verhältnis steht. Vielmehr ist es wichtig, dass man die Schulen in die Lage versetzt, in dividuell zu fördern, damit junge Menschen nach Möglich keit gar nicht entmutigt und aus ihrem Umfeld herausgerissen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das ist letztlich das Entscheidende.

Sie hatten noch die Frage gestellt, Frau Kurtz, welche weite ren Überlegungen wir zu dem Thema „Gymnasiale Oberstu fe“ haben; zumindest stand das in Ihrem Antrag. Das will ich in einem Ausblick durchaus kurz anreißen.

(Zuruf der Abg. Sabine Kurtz CDU)

Wir denken, dass wir auch da zu einem modularisierten Ver fahren kommen, dass man bei Nichtbestehen von Basis- oder Wahlmodulen eine Wiederholungsmöglichkeit hat, immer mit dem Ziel, dass es gar nicht erst zu einem Zeitverlust kommt.

Insgesamt, meine Damen und Herren, folgender Ausblick: Es geht nicht darum – das zieht sich wie ein roter Faden durch die grün-rote Bildungspolitik –, mit einem Federstrich etwas abzuschaffen. Es geht darum, weiterzuentwickeln. Wir haben jetzt die Gemeinschaftsschule als eine Schule angelegt, in der grundsätzlich die individuelle Leistungsbewertung systema tisch Vorrang hat. Es gibt zusätzlich die Möglichkeit zur No tengebung, auch an anderen Schulen. Aber systematisch hat diese individuelle Leistungsbewertung einen Vorrang. Wir werden uns jetzt anschauen, ob das gut funktioniert.

Mit dem Sitzenbleiben ist es genau das Gleiche. Ziel muss sein, dass wir unser Bildungssystem in Baden-Württemberg ganz klar an den Ergebnissen gemessen, die wir erzielen, wei terentwickeln. Dazu gehört die Möglichkeit, individualisiert die Leistung rückzumelden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Jetzt gab es noch Fragen.

Frau Ministerin, es lie gen zwei Nachfragen vor, eine von Frau Abg. Kurtz und eine von Frau Abg. Gurr-Hirsch. Da müssen sich die Fragestelle rinnen

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Entscheiden!)

entscheiden, welche zuerst ihre Frage stellt.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Eine muss immer zuerst!)

Frau Ministerin, die Antwort auf meine Frage in dem Antrag aus dem letzten Jahr empfand ich weder als differenziert noch als individualisiert. Da haben Sie en bloc zusammengefasst. Ich versuche einfach nur, hinter diesen Textbausteinen, die Sie aufführen, mehr zu verstehen.

Dann gab es von mir diesen etwas süffisanten Unterton: „Sie hatten ja jetzt zehn Monate Zeit, um diese Mängel zu behe ben.“

Ich habe Ihrem Vortrag entnommen, dass es einen Anhörungs entwurf zur Rechtsverordnung für diese neue Notengebung gibt. Daher meine Frage: Sind Sie bereit, der CDU-Landtags fraktion morgen den Anhörungsentwurf zu dieser Rechtsver ordnung zur Verfügung zu stellen?

Selbstverständlich. Ich habe da über haupt keine Bedenken, weil wir in dieser Frage nichts zu ver bergen haben. Es ist schlicht so, dass jede Verordnung genau so wie auch der Gesetzentwurf zur Gemeinschaftsschule ei ner sorgfältigen Beratung bedarf. Da gibt es keine Geheim nisse.

Danke schön. Wir würden das dann auch gern einsehen und beraten.

Okay.

Vielen Dank.

Sehr geehrte Frau Mi nisterin, wie erklären Sie sich die Tatsache, dass ich als Mut ter von drei Kindern und als Tante

(Zuruf: Oma!)

bei Erst- und Zweitklässlern, für die es ja keine Noten gibt, immer wieder vor der Situation gestanden habe, dass mir die Kinder ihre schriftliche Diagnose gegeben und mich gefragt haben: „Mama, welcher Note entspricht das eigentlich?“

(Abg. Walter Heiler SPD: Wenn sie nichts anderes hören!)

Es ist doch ein Grundbedürfnis des Menschen, sich irgendwo einordnen zu wollen.

(Zurufe von den Grünen und der SPD)

Der Mensch will es aber simpel.

Ich gebe Ihnen ja recht, dass insbeson dere Kinder in diesem Alter sich unglaublich freuen, wenn sie sagen können: „Ich habe den ersten Preis gemacht“ oder „Ich habe den zweiten Preis gemacht“ oder „Ich habe den dritten Preis gemacht.“ Dieses Bedürfnis kann man aber doch anders befriedigen, nämlich indem man Noten gibt. Ich kenne das selbst von Kleinkindern. Sie freuen sich immer darauf, wenn sie zum ersten Mal Noten bekommen. Das Entscheidende ist aber doch: Das ist doch eher der infantile Ansatz, dass man eine Belohnung für eine gute Leistung haben möchte. Das kann man beispielsweise dadurch hinbekommen, dass den Kindern in der Familie eine entsprechende Belohnung zu kommt.

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Viel wichtiger ist doch die Frage: Wie erreichen wir es denn, dass Kinder eine individuelle Rückmeldung erhalten, also ei ne tatsächliche Vorstellung von ihrem Leistungsstand bekom men?

Eine Note ist eine Note und sagt zunächst einmal etwas dar über aus: Das ist jetzt dein Leistungsstand. Aber sie sagt eben

nicht genau, warum das vielleicht jetzt gut ist oder was viel leicht nicht so gut war, weil es ja ansonsten ein „sehr gut“ ge worden wäre. Es geht darum, eine individuelle Rückmeldung zu gestalten. Das ist zunächst einmal aus meiner Sicht kein Widerspruch.

Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

In der Aussprache liegt jetzt noch eine Wortmeldung vor. Das Wort hat Herr Abg. Röhm. Sie haben noch eine Minute und zwölf Sekunden Redezeit.

Das genügt.

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Mi nisterin, Sie legen Wert auf eine individuelle Leistungsbeur teilung. Ihr Stabsstellenleiter Zeller zieht durch die Lande und hat öffentlich erklärt, dass die Kinder in der Gemeinschafts schule niveaubezogen geprüft werden sollen. Da habe ich zu nächst einmal gar nichts dagegen. Der Schulleiter in Tübin gen hat das sehr schön dargestellt. Er hat – Sie lassen ja kei ne Differenzierung in Kurse zu – immerhin zugestanden, dass in Mathe der Anforderungsgrad durch Sternchen gekennzeich net werden darf.

Jetzt meine Frage: Wird die Abschlussprüfung auch eine in dividuelle Prüfung sein? Das heißt, jedes Kind wird dort in der Gemeinschaftsschule abgeholt, wo es in Klasse 10 ange kommen ist. Oder gibt es da gegebenenfalls eine zentrale Prü fung, die einen gewissen Aussagewert besitzt? Also noch ein mal die konkrete Frage: Niveaubezogene Abschlussprüfung oder eine Abschlussprüfung für alle, die einen Vergleich zu lässt?

Die Frau Ministerin berät sich und wird dann sicherlich ant worten.