Protocol of the Session on May 9, 2012

Wenn jemand in der Vergangenheit auf Einnahmen verzichtet hat, dann war es die CDU-FDP/DVP-geführte Landesregie rung in der vergangenen Legislaturperiode. Denn durch die Verweigerung des Ankaufs von „Steuer-CDs“ hat sie auch weitere Einnahmen im Landeshaushalt verhindert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Walter Heiler SPD: Einnahmeverhinderer! – Abg. Peter Hauk CDU: Wo?)

Versuchen wir, die Substanz des Abkommens objektiv zu be werten. Es besteht Einigkeit darüber, dass es richtig ist, für die Zukunft Kapitalerträge in der Schweiz an der Quelle mit

einem Abgeltungssatz zu besteuern. Das ist überfällig; das brauchen wir. Das ist auch nicht weiter kritikwürdig.

Ich erlaube mir nur einen Hinweis: Wenn wir Kapitalerträge von Deutschen in der Schweiz besteuern wollen, dann sollten wir schauen, dass wir diese grenzüberschreitende Besteuerung auf dem Niveau des EU-Abgeltungsteuersatzes hinbekommen oder uns zumindest in diese Richtung bewegen. Die EU sieht einen Abgeltungsteuersatz von 35 % vor, während dieser in Deutschland bei 25 % liegt. Deshalb ist es richtig, den Abgel tungssatz für Kapitalerträge im deutschen Recht, wie von SPD und Grünen auf Bundesebene gefordert, anzuheben. Das wä re ein wichtiger nationaler Baustein zur Abrundung dieser Re gelung für die Zukunft. Wir müssen Kapitalerträge in Deutsch land etwas stärker und damit gerechter besteuern.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Zweiter Punkt – das wird jetzt wirklich interessant –: Thema Bankgeheimnis. Die Entwicklung in der politischen Debatte in Deutschland zu diesem Thema – insbesondere die Diskus sion der Länder im Bundesrat, gerade auch der A-Länder – hat hier ein großes Zugeständnis hervorgebracht. Niemand mehr in Deutschland, niemand mehr im Bundesrat beharrt auf der vollständigen Aufgabe des Bankgeheimnisses durch die Schweiz. Denn wir respektieren diese Rechtsordnung, auch wenn wir meinen, dass dieses Bankgeheimnis in dieser Form in Europa nicht auf Dauer zu halten sein wird. In zehn, 15 Jah ren wird dieses Bankgeheimnis gefallen sein. Aber im Mo ment respektieren wir die Entscheidung der Schweiz, dass sie dieses Bankgeheimnis sehr hoch ansetzt.

Deshalb hat die deutsche Seite, haben sich auch die A-Länder im Bundesrat bereit erklärt, die vollständige Abschaffung des Bankgeheimnisses nicht weiterzuverfolgen.

So viel zum Thema Kompromissbereitschaft und Aufeinan der-Zugehen. Ich finde, das ist auf der prinzipiellen Ebene ein erhebliches Zugeständnis der deutschen Seite. Umso wichti ger ist, dass dann die restlichen Regelungen des Abkommens Steuergerechtigkeit durchsetzen können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das Abkommen, das im letzten Herbst vorgestellt und von der Bundesregierung ratifiziert worden ist, hat trotzdem noch zahlreiche Kritikpunkte offengelassen: Missbrauchsanfällig keit durch Rechtskonstruktionen wie Stiftungen, die Abschleich frist, die zunächst noch bis ins Frühjahr des Jahres 2013 ge golten hat, die Frage der Mindestabgeltung und andere Punk te. Diese Kritikpunkte hat der Bundesrat, haben die A-Länder eingebracht.

Jetzt der nächste spannende Punkt in dieser Historie des Ab kommens: Die Bundesregierung selbst, Bundesfinanzminis ter Schäuble selbst hat gesagt, es bestehe Nachbesserungsbe darf. Man höre und staune! So viel zum Thema „Gut verhan deltes Abkommen“. Das Problem war von Anfang an: Herr Schäuble ist in die Schweiz gefahren und hat dort über ein Ab kommen verhandelt, ohne die Bundesländer zu beteiligen, und er hat in wichtigen Punkten schlecht verhandelt. Deshalb gab es überhaupt den Nachbesserungsbedarf. Es waren die Bun desländer – übrigens eine Kontaktgruppe, eine „Viererbande“ aus den Ländern Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfa len und Baden-Württemberg –,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: „Bande“? – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: „Bande“? Wie reden Sie von Ihren Kollegen? – Abg. Peter Hauk CDU: „Gang“?)

die dann überhaupt noch Nachbesserungen durchgesetzt ha ben. Deshalb sage ich: Wenn dieses Abkommen in dem einen oder anderen Punkt besser ist, dann ist das nicht das Verdienst von Herrn Schäuble, sondern maßgeblich auch das Verdienst von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Kollegen Willi Stächele?

(Abg. Willi Stächele CDU: Nicht wieder ablehnen!)

Bei Ihnen nie.

Lieber Herr Kollege, eine Frage: Waren Sie bei den Nachverhandlungen mit Kollegen Möll ring dabei?

Ja wohl.

Dann müssen Sie erklären, war um Sie mit Ihren vermeintlich guten Argumenten nicht zum Zuge gekommen sind. Denn Tatsache ist: Die Schweiz hat den Verhandlungstisch wieder eröffnet. Sie waren dabei. Dann wurde paraphiert. Es gehört im Grunde zur Fairness, dass man sagt, man steht dazu, wenn man in den Verhandlungen dabei war.

Aber hin oder her, sagen Sie einmal: Warum sind Sie nicht durchgedrungen? Wo waren Sie schwach in der Argumenta tion?

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Wir waren so stark in der Argumentation, dass wir Verbesse rungen durchgesetzt haben, die Herr Schäuble nicht durchge setzt hat.

(Abg. Peter Hauk CDU: Was wollen Sie jetzt noch?)

Ein wichtiger Punkt ist unverändert die Abschleichfrist. Mit der Schweiz haben wir hart um das Thema Abschleichfrist ge rungen. Wissen Sie, was der große Nachteil war? Dass Herr Schäuble in der ursprünglichen Fassung schon einer verlän gerten Abschleichfrist über das Inkrafttreten des Abkommens hinaus zugestimmt hatte.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Dieses weitreichende Zugeständnis mussten wir erst wieder mühselig einholen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Jetzt ist der 1. Januar 2013 im Gespräch. Da sage ich Ihnen, dass aus deutscher Sicht dieses Abschleichen noch immer zu

leicht möglich ist; denn wir haben jetzt nach den parlamenta rischen Beratungen in Deutschland wie in der Schweiz noch monatelang einen Zeitraum, in dem Konten per Mausklick z. B. nach Singapur und Hongkong verschoben werden kön nen.

Deshalb sage ich Ihnen: An diesem Kritikpunkt halten wir fest, weil wir genau wissen, dass die Frage der Rückwirkung in Deutschland schon locker geregelt werden kann. Wir ha ben zum Teil schon ein Inkrafttreten von Steuergesetzen mit entsprechenden Ausschussanträgen – so viel zum Thema Rück wirkung. Die Schweiz hat eine andere Rechtstradition. Aber eines ist auch klar: Wenn die Schweiz einmal ein parlamenta risches Verfahren abgeschlossen hat, dann ist klar, wohin die Reise geht.

Deshalb werden wir beim Thema Abschleichen hartnäckig bleiben. Das ist ein Punkt, über den wir mit der Schweiz dis kutieren müssen. Ich sage Ihnen eines: Die Schweiz hat schon einmal gesagt, sie sei nicht mehr zu weiteren Gesprächen über Nachbesserungen bereit, und doch gab es welche. Deshalb werden wir bis zum Schluss an diesem Punkt weiterbohren, weil es die Gesamtkonstruktion des Abkommens infrage stellt, wenn noch ganz locker Millionenbeträge in Drittstaaten ver schoben werden können.

(Abg. Peter Hauk CDU: Nächsten Montag ist Dead line! Dann ist es vorbei mit dem Nachbohren! – Ge genruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Nichts ist vorbei!)

An diesem Punkt gibt es bisher leider noch keine Einigkeit mit der Schweiz, aber wir haben im Gegensatz zu Schäuble maßgebliche Verbesserungen durchgesetzt. Ich erinnere an die Lösung bei den Erbschaftsteuerfällen, die auch vom Kollegen Herrmann gewürdigt wurde. Das halte ich für ein wichtiges Zugeständnis der Schweiz, dass das Bankgeheimnis sozusa gen erst mit dem Kontoinhaber stirbt; es ist also nicht auf die Nachkommen vererbbar. Aber in der Gesamtabwägung ist die ses Abschleichen ein ganz großes Problem für die Steuerge rechtigkeit in Deutschland. Deshalb werden wir an diesem Punkt hartnäckig bleiben müssen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine weitere Zwischen frage des Kollegen Stächele?

Ja.

Ich möchte Sie vor der Illusion warnen, dass Sie Dauergesprächspartner in Bern bleiben. Ich will auf einen kürzeren Zeitraum abheben. Wir beraten dem nächst im Bundesrat. Ich hätte gern zu Protokoll gebracht, was Sie in der Nachverhandlung, bei der Sie zugegegen waren, nicht erreichen konnten und was der Grund sein wird, im Bun desrat dagegen zu stimmen. Das muss jetzt zu Protokoll ge hen, damit wir wissen, wie sich die weitere Entwicklung ab zeichnen wird. Wenn Sie das im Sinne der Klarheit und Wahr heit erklären könnten, wäre ich dankbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Herr Stächele, die Kritikpunkte der A-Länder sind bekannt.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: So ist es!)

Sie sind in einem sogenannten Siebenpunktepapier mehrfach öffentlich vorgetragen worden und sind auch Finanzminister Schäuble vorgetragen worden. Dieses Siebenpunktepapier stelle ich Ihnen gern zur Verfügung.

Es bleiben nach den leichten Nachbesserungen mit der Schweiz zwei große Kritikpunkte. Der eine ist die Abschleichfrist. Ich halte es für ganz erheblich, dass dieses Verschieben möglich ist, weil die ganzen Überlegungen, man würde jetzt die Sün den der Vergangenheit abgelten können, infrage gestellt wer den, wenn Gelder verschoben werden können.

Der zweite Punkt ist der Mindestabgeltungssatz. Wir sind uns einig über die Besteuerung in der Zukunft. Aber für die Be steuerung für die Vergangenheit muss doch gelten, dass die Steuerhinterzieher nicht bessergestellt werden dürfen als die ehrlichen Steuerzahler, meine sehr geehrten Damen und Her ren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Diese Abgeltungswirkung für die Vergangenheit hat aufgrund der Formel, die ihr zugrunde liegt, aufgrund der Mechanik der Abgeltungssätze eine sehr sanfte abgeltende Wirkung. Das ist der Dimension der Steuerhinterziehungen, der Betrügereien, die dahinterstehen, nicht angemessen. Deshalb ist es beson ders wichtig, dass der Mindestabgeltungssatz angehoben wird. Darüber haben wir mit der Schweiz auch intensiv diskutiert, und sie hat dort ein leichtes Zugeständnis gemacht.

Ich sage noch einmal eines: Jeder Prozentpunkt beim Min destsatz ist für die Frage, ob ein Steuerhinterzieher besserge stellt wird als ein ehrlicher Steuerzahler, von entscheidender Bedeutung. Deshalb ist der Mindeststeuersatz ein wesentli cher Kritikpunkt des Abkommens, an dem wir festhalten und über den wir mit der Schweiz weiter reden wollen.

Denn Sie müssen schon sehen: Es gibt die große Mehrheit ehr licher Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland. Dann gibt es eine Minderheit, die Geld in die Schweiz ver schoben hat und gar nichts zahlt. Diese wollen jetzt eine Brü cke in die Legalität bekommen, um diesen Sachverhalt end gültig abzuschließen. Einiges spricht dafür, dass man einmal einen Schlusspunkt setzt. Aber dann muss doch auch klar sein, dass die Sünden der Vergangenheit ausreichend vergolten wer den, meine sehr verehrten Damen und Herren, und darum geht es bei dem Mindestabgeltungssatz.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Warum hat dann Herr Eichel damals 15 % gemacht?)

Dann gibt es noch einen weiteren Punkt, der einer Klärung bedarf. Das ist die Frage, wie weit sich die Schweiz auf Grup penanfragen nach OECD-Standard einlässt. Das ist noch nicht klar geregelt. Das war auch Gegenstand der Siebenpunktelis te, die die A-Länder im Bundesrat vorgetragen haben. Da gibt es ein Vorbild, nämlich das Abkommen der Schweiz mit den USA. Insofern meine ich, dass da auch noch mehr drin sein kann.