Denn eines ist auch klar: Die Landesverantwortung und die kommunale Verantwortung, das kommunale Sonderwissen, müssen in einer Struktur zusammengeführt werden, die tat sächlich zu den besten Ergebnissen führt. Das ist Dialog, mei ne Damen und Herren. Sie haben Schulentwicklung von oben betrieben.
Wir reden mit den Leuten, wir hören ihnen zu, und wir entwi ckeln Konzepte, die tatsächlich auch in die jeweilige Region passen.
Die Gemeinschaftsschule erfährt sehr große Unterstützung, nicht nur durch solche Anzeigen, wie ich sie Ihnen gerade vor
gestellt habe, sondern von allen gesellschaftlichen Gruppie rungen. Die beiden großen Kirchen sind darunter; die beiden Heilbronner Schuldekane haben sich in der politischen Aus einandersetzung in Heilbronn ausdrücklich dafür ausgespro chen, eine Gemeinschaftsschule einzurichten.
Denn sie sagen: Das ist die beste Form, um die Kinder, die mehr Förderung brauchen, tatsächlich zu erreichen. Das ist zukunftsgerichtete Bildungspolitik.
Wir bekommen Unterstützung aus der Wirtschaft. Der Lan deshandwerkspräsident Joachim Möhrle sagt, die beste Grund lage für die Umsetzung der Forderungen des Handwerkstags biete die neue Gemeinschaftsschule.
Mit den ersten Gemeinschaftsschulen bricht nach Jahren... endlich eine neue Ära der Bildungspolitik in BadenWürttemberg an,
Auch die GEW nennt den Gesetzentwurf für die Gemein schaftsschule einen „historischen Moment für Baden-Würt temberg“.
Der Städtetag hat uns geschrieben und auch mir persönlich versichert, dass der Mut der Landesregierung, diesen neuen Weg zu gehen, ausdrücklich begrüßt werde. Der Städtetag werde alles tun – auch in kritischer Auseinandersetzung –, um diesen Weg zu unterstützen. Es heißt dort weiter:
Die Lebenshilfe ist der Auffassung, es sei in Baden-Württem berg endlich so weit, dass Kinder mit Behinderungen völlig selbstverständlich in einer Schule Aufnahme finden. Sie lo ben, dass wir dies zum ersten Mal gesetzlich geregelt haben.
Die Opposition behauptet, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gemeinschaftsschule gehe zulasten der anderen Schularten, weil sie besonders üppig ausgestattet worden sei.
Richtig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir ge hen mit den finanziellen Ressourcen dieses Landes sehr sorg fältig um.
Das ist schon allein deshalb notwendig, weil Sie uns nicht un erhebliche Finanzlöcher hinterlassen haben.
(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hofelich SPD: So ist es! – Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP: Ein Teil von Grimms Mär chen, oder? – Zurufe von der CDU)
Jetzt reden wir doch einmal Klartext: Die 223 Millionen € für die Qualitätsoffensive Bildung haben Sie nicht abgesichert und damit auch nicht die Klassenteilersenkung auf 30 Schü ler. Die Absicherung nimmt jetzt diese neue Landesregierung vor. Das ist verantwortungsvolle Bildungspolitik, die sich auch tatsächlich verantwortungsvoll an den finanziellen Spiel räumen orientiert.
Ansonsten ist die Gemeinschaftsschule ausgestattet wie alle gebundenen Ganztagsschulen hier im Land plus einem Zu schlag für die individuelle Förderung, weil diese Schule in der Tat alle drei Bildungsniveaus unterrichtet.
Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Ent wicklungsstau in der Bildungspolitik in diesem Land aufge löst. Wir haben Bewegung und Kreativität ins Bildungssys tem gebracht.
Endlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, können die Lehrerinnen und Lehrer, können die Eltern und die Kommu nalpolitiker vor Ort die Ärmel hochkrempeln und das tun, was sie schon längst als überfällig angesehen haben, was sie als zukunftweisend für ihre Stadt angesehen haben. Wir entwi ckeln dieses Land weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren, und Sie werden das nicht mehr aufhalten.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Und Sie gehen in die Geschich te dieses Landes ein!)
Was das übrigens auch bei Lehrerinnen und Lehrern auslöst, will ich Ihnen abschließend zur Kenntnis geben. Vor drei Wo chen schrieb mir eine Lehrerin folgende E-Mail:
Es tut so gut, wenn endlich die Idee, die man jahrzehnte lang erträumt hat, von einer Kultusministerin nicht nur akzeptiert, sondern sogar ausdrücklich erwünscht ist, und wir ganz offiziell so arbeiten dürfen, wie wir es still und leise versucht haben. Plötzlich bekommen wir auch die Möglichkeiten, unsere Träume tatsächlich umzusetzen und so vielleicht doch einen winzigen Beitrag zu einer gerech teren Welt und zu einem Schulleben zu leisten, mit dem sich eine größtmögliche Vielzahl an Menschen wohlfüh len und sich entwickeln können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Menschen in diesem Land, die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern, vor al lem aber auch die jungen Menschen haben die Bildungspoli tik der neuen Landesregierung verstanden. Ich lade Sie recht herzlich ein, sich auch auf den Weg dieses Erkenntnisprozes ses zu machen.
(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der CDU: Jetzt fehlt nur noch die La-Ola- Welle! – Heiterkeit)
Meine sehr geehrten Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Rede zeiten gelten.
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Noch nie hat ein Gesetzent wurf einer Landesregierung so viel Kritik und offene Fragen hervorgerufen.
Es ist kaum vorstellbar, dass selbst die kommunalen Landes verbände von einer Rücknahme dieses Gesetzentwurfs spre chen und Sie dazu direkt und indirekt in ihren Stellungnah men aufrufen. Das gab es in der Vergangenheit noch nie, mei ne Damen und Herren.
Sie befinden sich in einem Dilemma. Sie erfahren Kritik, weil Sie das differenzierte Bildungssystem schrittweise abschaffen oder die Schularten dieses bestehenden differenzierten Bil dungssystems zumindest systematisch benachteiligen wollen.
Sie erfahren aber auch Kritik von Befürwortern der Gemein schaftsschule, Frau Kultusministerin. Das haben Sie bei den von Ihnen eben angeführten Zitaten wohlweislich verschwie gen. Wir lesen beispielsweise in einer Pressemitteilung der GEW:
Der Handwerkstag rügt die Bildungsreform mittlerweile. Es wird von einem „unausgegorenen“ oder gar von einem „über hasteten“ Entwurf gesprochen.
Fazit: Sie machen es keinem recht, weder den Gegnern Ihrer Gemeinschaftsschule noch den Befürwortern. Sie sitzen zwi schen allen Stühlen, meine Damen und Herren.