Protocol of the Session on March 28, 2012

Zu Recht – auch das muss man sagen – sind den Kommunen in Baden-Württemberg solche Spekulationsgeschäfte verbo ten. Sie haben auch im Rahmen ihrer Wirtschaftlichkeitsbe trachtung und vor allem ihrer Sparsamkeitsbetrachtung spe kulative Finanzgeschäfte außen vor zu lassen. Denn bereits nach den bestehenden Regelungen ist ein Geschäft schon dann

spekulativ, wenn die Zinssätze variabel sind und damit ein Ka pitalverlust drohen könnte.

Der Einsatz von Derivaten in dem Umfang, wie er heute be reits gegeben ist – Zinsswapgeschäfte sind nur dann zulässig, wenn es um einen konkreten Bedarf an Krediten für Investi tionen über einen gewissen Zeitraum hinweg geht –, ist kei ne Spekulation, sondern Finanzmanagement, wie wir es na türlich auch im Land Baden-Württemberg betreiben. Grund für solche Finanzgeschäfte darf eben nicht der reine Zweck der Einnahmebeschaffung sein; denn so etwas gehört nicht in die Denkweise und in das Portfolio öffentlicher Haushalte.

Gleiches gilt aber auch für die Geldanlagen, die die Kommu nen tätigen. Auch hier besteht im Rahmen der Wirtschaftlich keit und der Sparsamkeit nicht das Gebot, Gewinnmaximie rung zu betreiben.

Ich darf Ihnen auch noch Folgendes sagen, Herr Rülke – auch das war ein Thema, dessen sich die FDP/DVP in der letzten Legislaturperiode angenommen hat –: Ich als Bürgermeister habe von gewissen Cross-Border-Leasing-Geschäften oder PPP-Projekten noch nie viel gehalten;

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD – Abg. Walter Heiler SPD: Sehr gut!)

denn die Kommunen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, grundsolide andere Finanzierungsmöglichkeiten, und sie haben diese auch genutzt. Dafür bin ich dankbar.

Wir wissen auch, dass wir eine gute Aufsicht haben. Sowohl der Rechnungshof als auch die Gemeindeprüfungsanstalt kom men ihren Aufgaben in wirklich sehr guter Weise nach und fordern von den Kommunen natürlich auch eine entsprechen de Rechenschaft.

Meine Damen und Herren, es ist in der Tat so: Die öffentli chen Haushalte, insbesondere die Kommunen, bewirtschaf ten Steuergelder, Gebühren und Beiträge von den Bürgern und den Firmen. Diese Gelder sind sehr hart erarbeitet worden. Daraus erwächst auch ein gewisses Treuhandprinzip und ei ne ganz besondere Verpflichtung für all diejenigen, die im öf fentlichen Dienst Verantwortung tragen. Diese ganz besonde re Verpflichtung reduziert sich nach unserer Auffassung nicht allein auf die gesetzlichen Regelungen, sondern das hat auch etwas mit Werten zu tun, das hat etwas mit Anstand zu tun, das hat etwas mit Moral zu tun. Jeder, der sich nicht entspre chend verhält, hat eigentlich im öffentlichen Dienst nichts ver loren.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Vielleicht sollten wir das Thema auf einen ganz kleinen Nen ner herunterbrechen, indem wir sagen: Derjenige, der manche Finanzgeschäfte nicht durchschaut, sollte einfach die Hände von solchen Finanzgeschäften lassen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD – Abg. Walter Heiler SPD: So ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte hier auch daran erinnern, dass auch die Gemeinderäte, wir Landtagsab

geordneten, auch die Bundestagsabgeordneten und die Kreis räte eine ganz besondere Verantwortung tragen. Sie müssen eigentlich für Transparenz und Kontrolle sorgen. Sie müssen vor allem Verantwortlichkeiten in diesem Bereich formulie ren und festlegen, und sie müssen natürlich auch – was zuläs sig ist – die Finanzierungsinstrumente und Finanzierungsfor men entsprechend begrenzen und festlegen. Das alles ist be reits heute gegeben. Sicherheitsvorkehrungen sind getroffen. Ich möchte auch den Hinweis geben: Die kommunalen Lan desverbände haben hervorragende Musterdienstanweisungen für die Städte und Kommunen. Wenn man diese anwendet, darf es in unserem Land eigentlich keine Probleme geben.

(Abg. Walter Heiler SPD: So ist es!)

In einem möchte ich Ihnen recht geben: Wir dürfen die Ban ken in dieser Hinsicht nicht außen vor lassen. Nicht nur das Wissen, dass es ein Spekulationsverbot bei den öffentlichen Haushalten gibt, ist ein Grund, weshalb man den Kommunen solche Finanzprodukte nicht anbieten darf. Das hat nicht al lein etwas mit Recht zu tun, sondern auch hier vor allem mit Werten und mit Moral, mit Anstand und mit Zuverlässigkeit. Auch in dieser Hinsicht muss man an die Banken appellieren, denn nur so lässt sich Schaden vom Allgemeinwohl und vom Bürger abwenden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich müssen wir aus der Finanzkrise Lehren ziehen. Wir haben hier allge meinen Aufklärungs- und vor allem Informationsbedarf über Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen. Sie müssen ein mal hören, welche Antworten man bekommt, wenn man heut zutage Schulabgänger, sogar Abiturienten, fragt, was sie un ter solchen Derivaten verstehen. Deshalb, meine sehr verehr ten Damen und Herren, müssen solche Lebenswirklichkeiten auch im Bildungsplan berücksichtigt werden. Wir sollten uns weniger über ideologisch geprägte Strukturen im Schulbereich unterhalten, sondern vor allem über Inhalte; denn solche In halte gehören heute auch in Bildungspläne, wenn wir zukünf tig Schaden von der jungen Generation und von unserer Ge sellschaft abwenden wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

In der Tat sollten wir uns darüber unterhalten, denn darin se he ich den wahren Handlungsbedarf.

Abschließend: Die CDU-Landtagsfraktion hat schon in der Vergangenheit das strikte Spekulationsverbot in die entspre chenden Gesetze für Baden-Württemberg aufgenommen. Wir werden auch in der Zukunft darauf achten, dass dies zu kei nem Problem in Baden-Württemberg wird und, falls es doch einmal zu Problemen kommt, Kontrollen durchgeführt und Verstöße sehr hart sanktioniert werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Kollege Schwarz.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! In unseren Augen gibt es in BadenWürttemberg einen klaren Rechtsrahmen, der Spekulations

geschäfte untersagt. Ich erinnere an § 2 und an die §§ 87 und 88 der Gemeindeordnung. Dieser Rechtsrahmen ist ausrei chend. Hier sehen wir erst einmal keinen Änderungsbedarf. Wir meinen, die Gemeindeordnung muss nicht verschärft wer den.

Herr Rülke, das Thema, das Sie ansprechen, ist kein Thema der Kommunalverfassung und kein Thema des Landes. Es ist ein Thema des Banken- und Kapitalmarktrechts, es ist ein Thema des Kreditwesenrechts. Wenn Sie hier Änderungsbe darf sehen, dann bitte ich Sie, beim für das Banken- und Ka pitalmarktrecht zuständigen Gesetzgeber – das ist der Bund; an der Bundesregierung sind Sie beteiligt, sind Sie noch be teiligt –

(Heiterkeit der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Änderungsvorschläge hierzu einzubringen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Klein hat auf den Derivateerlass von 1998/1999 hingewiesen. Damals hatte das Innenministerium dazu schon zukunftweisende Vorgaben gemacht. Der Derivateerlass gilt weiterhin. Er ist für die Kommunen eine Leitplanke, an der sie sich orientieren können.

Für die Fraktion GRÜNE sage ich ganz klar: Wir stehen zur kommunalen Selbstverwaltung. Die kommunale Selbstver waltung ist für uns

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ein hohes Gut!)

ein hohes Gut.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja! Genau!)

Kommunen sollen als Mittel der Zinsstrukturpolitik auch De rivate einsetzen können, wenn es darum geht, Aufgaben der Daseinsvorsorge zu finanzieren.

Die bestehenden Gesetze und Verordnungen – ich habe dar auf hingewiesen – sind in unseren Augen ausreichend. Sie bil den den Rahmen für einen vernünftigen Mehrklang aus Da seinsvorsorge, Kommunalwirtschaft und Sicherheit. Diesen Gleichklang wollen wir erhalten. Wir müssen hier nicht nach steuern.

Ich möchte auch darauf hinweisen: Es gibt die Kommunal aufsicht. Es gibt die Gemeindeprüfungsanstalt quasi als kom munales Pendant zum Rechnungshof des Landes. Mit der Ge meindeprüfungsanstalt und mit der Kommunalaufsicht ist die notwendige Transparenz und Kontrolle gewährleistet.

Aber es gab in den vergangenen Jahren offenbar gravierende Sonderfälle, in denen einzelne Kommunen nicht entsprechend gehandelt haben. Herr Rülke, Sie haben den Fall Pforzheim angesprochen. Ich sage dazu: Das ist der „FDP-Fall Pforz heim“. Sie haben gegenüber der „Pforzheimer Zeitung“ dar auf hingewiesen, dass der dortige Vorgang hätte vermieden werden können, wenn es das Spekulationsverbot gegeben hät te. Ich meine aber, es ist notwendig, dass wir noch ein biss chen Transparenz in den „FDP-Fall Pforzheim“ bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wer war denn damals beteiligt? Das war die Oberbürgermeis terin, Frau Augenstein von der FDP, die höchst spekulative Geschäfte eingehen wollte, um ein Schnäppchen zu machen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber wie! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich darf um mehr Aufmerksamkeit bitten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau! Gerade jetzt!)

Die der FDP angehörende Oberbürgermeisterin wollte höchst spekulative Geschäfte ein gehen. Offenbar fehlte Ihrer Parteifreundin das rechte Maß an wirtschaftlichem Sachverstand oder das richtige Maß an ge sundem Menschenverstand, um zu erkennen, dass man solche Geschäfte nicht eingeht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Wolf gang Drexler SPD: So ist es!)

Wenn Sie jetzt behaupten, eine Verbotsregelung hätte das Gan ze dort verhindert,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein!)

dann stelle ich mir die Frage: Müssen wir immer, wenn ein Amtsträger oder eine Amtsträgerin mit FDP-Zugehörigkeit Blödsinn macht, eine Verbotsregelung aufstellen? Das kann ja wohl nicht sein.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abgeord neten der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das wäre zu viel! Das wäre schlecht für die Gesetze!)

Dann hätten wir viel zu tun – auch wenn sich die FDP-Frak tion wie seinerzeit bei den Vorgängen in Pforzheim nicht ge gen die dortige Oberbürgermeisterin mit FDP-Zugehörigkeit durchsetzte –, um den wirtschaftlichen Blödsinn, der letztlich zulasten des Gemeinwohls geht, zu verhindern.

Lassen Sie mich ein anderes Beispiel ansprechen, das auch in Pforzheim gespielt hat, und zwar das Thema Cross-BorderLeasing. Der Kollege Klein hat ja auch Cross-Border-Leasing kritisiert, und quer durch das Haus ist es kritisiert worden.