Protocol of the Session on March 28, 2012

Meine Damen und Herren! Ich eröff ne die 32. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg. Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen.

Krankgemeldet sind Frau Kollegin Lindlohr und Herr Kolle ge Paal.

Dienstlich verhindert ist Frau Staatsrätin Erler.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Meine Damen und Herren, eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt vervielfältigt auf Ihren Tischen. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvor schlägen zu. – Es ist so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 2012, Az.:

1 BvR 2297/10 – Verfassungsbeschwerde gegen die Enteignung und vorzeitige Besitzeinweisung nach dem Baden-Württembergischen Ethylen-Rohrleitungsgesetz

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2012, Az.:

2 BvE 4/07 – Organstreitverfahren eines Mitglieds des Bundestages und der Bundestagsfraktion DIE LINKE gegen den Bundesminister des Innern und die Bundesregierung wegen Beobachtung von Mit gliedern des Bundestages durch das Bundesamt für Verfassungsschutz

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich noch bekannt geben, dass die Fraktionen übereingekommen sind, den Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Die Konversion gestal ten – Planungen des Bundes –, Drucksache 15/1499, als neu en Punkt 4 in die Tagesordnung aufzunehmen. Die neue Ta gesordnung ist gerade in Druck. Sie wird Ihnen zusammen mit dem Antrag Drucksache 15/1499 in Kürze ausgehändigt. Die übrigen Tagesordnungspunkte verschieben sich dadurch entsprechend. – Sie sind damit einverstanden.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Für ein Spekulationsverbot im kom munalen Haushaltsrecht – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP

Das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtrede zeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärun gen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mit glieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vor gegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit jeder weiteren Sitzung wird es ernster, was den Blick auf § 60 Absatz 4 der Ge schäftsordnung angeht, wonach es der Lebendigkeit der De batte, insbesondere der Aktuellen Debatte, in diesem Haus dienlich ist, wenn diese in freier Rede geführt wird.

(Beifall der Abg. Peter Hauk CDU und Wolfgang Drexler SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erhält Kollege Dr. Rülke das Wort.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Die Kärtchen gelten auch nicht!)

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Seit geraumer Zeit haben Kom munen die Möglichkeit – das ist auch durchaus sinnvoll –, sich gegen Zinsänderungsrisiken abzusichern. Allerdings sind mit dem Aufkommen immer komplexerer Finanzprodukte, so genannter Derivate, die Grenzen zur Spekulation fließend ge worden. Manche Banken haben dies als Markt entdeckt und haben die kommunalen Kämmerer geködert, solche Derivate zu kaufen und auf diese Art und Weise in die Spekulation, ins spekulative Geschäft einzutreten.

Experten schätzen den bundesweit dadurch entstandenen Scha den auf mittlerweile über 1 Milliarde €. Es sind ja auch schon Millionenverluste aktenkundig, beispielsweise in Baden-Würt temberg in Pforzheim in Höhe von 57 Millionen € oder in Rie sa in Sachsen – das ist eine Stadt mit 35 000 Einwohnern – in einer Größenordnung von 22 Millionen €.

Vermutlich ist das Ganze nur die Spitze des Eisbergs, denn diese Derivatgeschäfte laufen über einen längeren Zeitraum, und es besteht durchaus die Möglichkeit, wenn diese schief laufen, zunächst einmal das Ganze unter der Decke zu halten und erst relativ spät zuzugeben, dass man sich verspekuliert hat. Manche von diesen Geschäften mögen auch gut gehen. Dann sagt man natürlich nichts und streicht den Gewinn ein.

Finanzgeschäfte, die auf Gewinnerzielung auf diese Art und Weise ausgerichtet sind, sollten klipp und klar verboten wer den, denn es geht natürlich nicht, dass Kämmerer, kommuna

le Verwaltungen oder wer auch immer mit dem Geld des Steu erzahlers spekulieren.

Nun kann man sagen, diese Geschäfte seien den Kommunen schon bisher untersagt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: So ist es nämlich! Es gibt über haupt keinen Anlass für die Debatte!)

In der Tat gibt es ein ganz allgemeines Spekulationsverbot für Kommunen. Aber leider wird das Aufkommen der komple xen Finanzderivatgeschäfte bisher offensichtlich von diesem Verbot nicht hinreichend erfasst. Es sollte klipp und klar ge regelt werden, dass sich die Kommunen eben nur gegen Zins änderungsrisiken absichern dürfen. Diese Absicherung kann im Einzelnen schwierig sein, und deshalb bedarf es auch ei ner Verordnungsermächtigung zur Kontrolle. Wir würden an regen, diese bei den Regierungspräsidien anzusiedeln.

Der entscheidende Grund für unseren Vorschlag einer recht lichen Verschärfung, bei der man über die jetzige Rechtslage hinausgehen sollte, ist, dass ein klares Verbot in der Gemein deordnung die Rechtsfolge der Nichtigkeit dieser Geschäfte hätte. Das ist der entscheidende Unterschied.

Schauen Sie sich an, in welcher Situation sich beispielsweise jetzt gerade die Stadt Pforzheim befindet. Die Stadt Pforz heim, deren Klage erstinstanzlich vor dem Frankfurter Land gericht verhandelt wird, hat versucht, den Weg zu gehen, ei ne Nichtigkeit des mit der Investmentbank J. P. Morgan ein gegangenen Geschäfts zu erreichen mit der Argumentation: „Wir hätten das nicht tun dürfen, also müssen diese Geschäf te nichtig sein.“ Dieser Argumentation folgt das Landgericht Frankfurt offensichtlich nicht, sondern hat nun eine Beweis aufnahme mit Zeugeneinvernahme anberaumt. Das zeigt, dass die gesetzliche Regelung im Moment noch nicht ausreichend ist und dass es einer Verschärfung in der Gemeindeordnung bedarf,

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

sodass die Kommunen die Chance hätten, diese Nichtigkeit durchzusetzen. Genau dies würde auch einen eindeutigen Ab schreckungseffekt auf die Banken haben.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Denn wenn eine Bank fürchten müsste, dass das Geschäft, das man einem kommunalen Kämmerer aufdrängt, anschließend von einem Gericht für nichtig erklärt wird,

(Abg. Walter Heiler SPD: Sind Sie für die Verstaat lichung der Banken?)

dann wird diese Bank natürlich wesentlich vorsichtiger beim Eingehen dieser Geschäfte werden.

(Beifall des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Der Freistaat Sachsen hat dies erkannt und deshalb jetzt ein Verbot dieser hoch riskanten Zinswetten im Wege der Reform der Gemeindeordnung auf den Weg gebracht. Es ist aus unse rer Sicht auch in Baden-Württemberg unklar, was aus dem

bisherigen allgemeinen Verbot zu folgern ist. Deshalb sollten die regelnden Vorschriften so gestaltet werden, dass eindeu tig ist, dass die Konnexität gegeben sein muss. Das heißt, es muss ein klarer Zusammenhang zwischen dem Ursprungsge schäft, also einem kommunalen Kredit, und dem Derivatge schäft bestehen. Es muss klar sein, dass sogenannte Zinsopti mierungsgeschäfte gegen das Spekulationsverbot verstoßen. Wetten auf Marktentwicklungen darf es einfach nicht geben.

Deshalb fordern wir eine unmissverständliche und vor allem auch gegenüber den Banken durchsetzbare gesetzliche Rege lung. Wir werden deshalb einen konkreten Vorschlag zur Än derung bzw. Ergänzung der Gemeindeordnung machen.

Der Freistaat Sachsen wird in § 72 seiner Gemeindeordnung folgenden Satz ergänzend hinzufügen – ich zitiere mit Erlaub nis des Präsidenten –:

Spekulative Finanzgeschäfte sind verboten.

Analog würde das für das Land Baden-Württemberg bedeu ten, § 77 Absatz 2 der Gemeindeordnung entsprechend um diesen Satz zu ergänzen. Genau diesen Antrag werden wir ein bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Fraktion der CDU spricht Herr Abg. Klein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rül ke, ich kann Ihren Vorstoß verstehen, aber letztlich verstehe ich ihn doch nicht so genau; er ist nicht begründet. Wir mei nen, dass derzeit Spekulationsgeschäfte und insbesondere die Derivate, die hier vor allem in der Diskussion stehen, bei den baden-württembergischen Kommunen überhaupt nicht zur Debatte stehen und gar kein Thema sind. Denn man darf fest stellen, dass bis auf sehr wenige Ausnahmen die Oberbürger meister und die Bürgermeister sich an die Regelungen des Ge setzes halten; insbesondere gilt dies für diejenigen, die im Fi nanzbereich Verantwortung dafür tragen, dass mit den öffent lichen Mitteln aus Steuereinnahmen sehr sensibel, vorsichtig und verantwortungsvoll umgegangen wird. Das strikte Spe kulationsverbot, das wir bereits heute in unserer Gemeinde ordnung, in der Gemeindehaushaltsordnung haben und das in dem seit 1998 bestehenden Derivateerlass festgeschrieben ist, wird eingehalten.

Wir sollten nicht von wenigen Ausnahmen auf alle über 1 000 Kommunen, die es in Baden-Württemberg gibt, schließen; diese Kommunen gehen mit diesem Thema sehr sorgfältig um. Man darf feststellen: In Baden-Württemberg wird mit öffent lichen Geldern aus Steuereinnahmen nicht spekuliert.

(Abg. Walter Heiler SPD: So ist es!)

Zu Recht – auch das muss man sagen – sind den Kommunen in Baden-Württemberg solche Spekulationsgeschäfte verbo ten. Sie haben auch im Rahmen ihrer Wirtschaftlichkeitsbe trachtung und vor allem ihrer Sparsamkeitsbetrachtung spe kulative Finanzgeschäfte außen vor zu lassen. Denn bereits nach den bestehenden Regelungen ist ein Geschäft schon dann