Protocol of the Session on March 15, 2012

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Mack.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die skrupellosen rechtsextremistischen Ge walttaten der jüngsten Vergangenheit haben uns schockiert. In Deutschland gibt es keinen Platz für extremistische Gesin nung und schon gar nicht für rechtsextreme Gewalt.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Es muss alles getan werden, um die Morde der Terrororgani sation „Nationalsozialistischer Untergrund“ aufzuklären, die Helfershelfer und die Hintermänner aufzudecken und alle Tä ter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zu ständigen Behörden im Bund und in den Ländern mit Hoch druck.

Zum NPD-Verbot wurden erste Beschlüsse der Innenminis terkonferenz und der Ministerpräsidentenkonferenz gefasst. Unsere Linie ist klar: Es geht jetzt darum, Beweise zu sam meln und klug abzuwägen, ob die V-Leute abgeschaltet wer den sollen oder nicht. Im Herbst muss entschieden werden, ob ein neuer Verbotsantrag sinnvoll ist.

Daneben gilt es, die rechtsextremistischen Aktivitäten im In ternet in den Blick zu nehmen.

Am 13. März, also vor wenigen Tagen, haben die Ermittlungs behörden in vier Ländern, darunter Rheinland-Pfalz und Ba den-Württemberg – mit Schwerpunkt in Rheinland-Pfalz –, bei dem „Aktionsbüro Mittelrhein“, einer rechtsextremisti schen Gruppierung, Durchsuchungen und Festnahmen durch geführt. Insgesamt sind gegen 24 Personen Haftbefehle erlas sen worden, von denen 23 bereits vollstreckt sind.

Wenn man sich die Internetpräsenz des „Aktionsbüros Mittel rhein“ anschaut, dann zeigt diese beispielhaft die Gefahren

durch die Rechtsextremisten im Netz. Mit der Behauptung, es gebe in der Bundesrepublik Deutschland eine staatlich ausge übte Zensur, wird versucht, Schlagworte der Netzgemeinde aufzugreifen und dadurch an politische Positionen außerhalb des rechten Spektrums anzudocken. Auch dieses Vorgehen zielt auf die Gewinnung junger Menschen, die den Diskussi onen über die Regulierung des Internets und das ACTA-Ab kommen unkritisch bzw. oberflächlich folgen.

Außerdem werden gezielt Aktionsformen propagiert, die jun ge Menschen ansprechen, so etwa Flashmobs, bei denen in vielen Fällen in Anlehnung an die Occupy- oder die Anony mus-Bewegung eine Maske getragen wird. Wenn man sich wirklich anschaut, welche Texte es im Internet gibt – ich ha be sie dabei –, dann wird einem ganz anders. Es werden Slo gans wie „Demokraten bringen uns den Volkstod“ verbreitet. Das ist nur etwas von „mittlerer Güte“; man könnte noch an dere Beispiele nennen.

Anhand des „Aktionsbüros Mittelrhein“ lassen sich also bei spielhaft die Gefahren herausarbeiten, die vom Rechtsextre mismus im Internet ausgehen. Bemerkenswert ist auch, dass die Onlineaktivitäten unter der Domain „.info“ stattfinden. Sie sind also der deutschen Internetregulierung entzogen. Herr Kollege Wahl, Sie haben das auch schon angesprochen.

Rechtsextremistische Internetseiten mit strafbaren Inhalten werden überwiegend anonymisiert über ausländische Provi der in das Internet eingestellt, um auf diesem Weg einer Straf verfolgung zu entgehen. Derzeit sind – das muss man sich ein mal vor Augen führen – etwa 1 000 Seiten abrufbar, die eindeu tig rechtsextremistischen Gruppen zugeordnet werden kön nen, die von unserem Verfassungsschutz in Baden-Württem berg beobachtet werden.

Deswegen müssen wir noch einmal ein Thema aufrufen, lie be Kolleginnen und Kollegen, das nicht in Vergessenheit ge raten darf: Wir brauchen eine Rechtsgrundlage für die Vor ratsdatenspeicherung.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Wie die grün-rote Landesregierung in der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 15/169 selbst sagt, hat das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die sogenannte Vorratsdatenspeicherung in Baden-Württemberg dazu geführt, dass allein bis zum 4. Ju li 2011 in mindestens 554 Fällen polizeiliche Ermittlungen in Strafsachen oder Gefahrenabwehrmaßnahmen verhindert oder wesentlich erschwert worden sind.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Hört, hört!)

Jetzt kommt eine weitere Zahl: Nach Angaben des Bundes kriminalamts laufen derzeit 80 % der Ermittlungen im Bereich der Cyberkriminalität und 85 % der Auskunftsersuchen an Provider mangels Vorratsdaten ins Leere.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das ist ja unglaub lich! Ungeheuerlich! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Leichtsinnig!)

Das ist eine Schutzlücke im Hinblick auf die Belange der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr. Diese Schutzlücke muss so schnell wie möglich geschlossen werden.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen kann ich an die Grünen, aber auch an die FDP nur appellieren, dass wir so schnell wie möglich zu einer verfas sungskonformen und praktikablen Neuregelung der Vorrats datenspeicherung im Telekommunikationsgesetz kommen müssen.

Neben dem, was wir jetzt angesprochen haben, geht es natür lich auch darum, dass wir die Zivilgesellschaft im Kampf ge gen den Rechtsextremismus brauchen. Jeder muss seinen Teil für ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft leis ten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der SPD)

Diese Werte müssen in den Schulen, in den Vereinen, im be ruflichen Umfeld und vor allem in der Familie vermittelt wer den. Deswegen brauchen wir neben der Stärkung der Medi enkompetenz in der Schule beispielsweise auch die außerschu lische Jugendbildung. Ich bin froh, dass es doch noch gelun gen ist – nachdem die Regierung dazu entgegengesetzte Be schlüsse gefasst hatte –, bei der Finanzierung der Landeszen trale für politische Bildung zu einem Konsens zu kommen.

Darüber hinaus haben wir beispielsweise die Landesakade mie für Jugendbildung in Weil der Stadt mit einem ausge zeichneten Medienzentrum. Dies könnte genutzt werden, aber hierzu ist natürlich der Wille des Kultusministeriums erfor derlich.

(Beifall bei der CDU)

Der Staat allein kann Hass und Gewalt nicht bezwingen. Wir brauchen eine starke Gesellschaft. Wir müssen alles dafür tun, dass diese Gesellschaft gegen Extremismus in Deutschland und in Baden-Württemberg eintritt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Richtig!)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Kollege Salomon.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeit gegen Rechtsextremismus ist für uns alle ein wichtiges, ein urdemo kratisches Thema. Ich möchte dem Innenministerium für sei ne sehr detaillierte Stellungnahme danken.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das ist doch selbstverständlich!)

Besonders wichtig ist mir dabei, neonazistische, rechtsextre me und rechtspopulistische Umtriebe nicht als etwas Gegebe nes oder Vernachlässigbares hinzunehmen. Ich möchte ganz klar sagen, dass derartiges Gedankengut hier in Baden-Würt temberg außerhalb des gesellschaftlichen Konsenses stehen muss und dass es für uns alle hier im Haus immer wieder ei ne zentrale Aufgabe sein muss, dieses Gedankengut zu be kämpfen.

(Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Florian Wahl und Rainer Hinderer SPD)

Um gegen neonazistische, rechtsextreme und rechtspopulis tische Umtriebe vorzugehen, muss man am Anfang ansetzen, nämlich bei Aufklärung und Prävention. Prävention heißt für

mich zunächst einmal, Kinder und Jugendliche stark zu ma chen, ihnen Zivilcourage zu vermitteln. Das heißt auch, dies als gesellschaftlich wichtigen und positiven Wert herauszu stellen und immer wieder zu hinterfragen, was Autoritäten als gegeben ansehen.

Die große Bedeutung von Prävention beim Thema Rechtsex tremismus kommt in der Stellungnahme des Innenministeri ums sehr klar zum Ausdruck. Ich möchte an dieser Stelle den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei, der Landeszentrale für politische Bildung und des Landesmedi enzentrums danken,

(Abg. Winfried Mack CDU: Und dem Verfassungs schutz!)

die dazu beitragen, Kinder und Jugendliche in dieser Sache stark zu machen. Mein Dank gilt ebenso den Lehrerinnen und Lehrern, die sich dieses Themas annehmen und klarmachen, dass in einer offenen und demokratischen Gesellschaft Mei nungen, die die Verbrechen des Nationalsozialismus verharm losen, die Feindschaft gegenüber – scheinbar – anderen schü ren, nicht geduldet werden können, und dass es dabei letztlich auf jeden Einzelnen und jede Einzelne ankommt.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Ganz besonders möchte ich den vielen ehrenamtlich Enga gierten in diesem Bereich danken. An dieser Stelle möchte ich die Landesarbeitsgemeinschaft Offene Jugendbildung BadenWürttemberg mit dem Landesnetzwerk für Menschenrechte und Demokratieentwicklung nennen. Im direkten Gespräch mit den dort Aktiven habe ich immer wieder erfahren, wie wichtig die offene Jugendarbeit für Prävention und Aufklä rung ist.

Ich möchte es noch einmal ganz deutlich sagen: Wir, die Zi vilgesellschaft, sind gefragt, wenn es darum geht, zu verhin dern, dass neonazistisches, rechtsextremistisches und rechtspo pulistisches Gedankengut in der Gesellschaft Wurzeln schlägt.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Es ist wichtig, dass nicht nur der Staat und seine Institutionen, sondern immer wieder auch die Zivilgesellschaft klarmachen: Unsere Städte, unsere Straßen, unser Netz dürfen keinen Raum für Rechtsextremismus bieten. Hier müssen wir alle zu sammenstehen und ein deutliches Signal setzen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Lassen Sie mich noch ein Wort zur Extremismusdebatte sa gen – ich möchte es an dieser Stelle zuspitzen, weil gerade freie Projekte der Aufklärung und Jugendarbeit unter dieser Debatte leiden –: Wer linke Jugendgruppen, die sich mutig und engagiert dafür einsetzen, die Verbrechen des National sozialismus nicht zu vergessen und eine freie Gesellschaft zu erhalten, mit Rechtsextremen in einen Topf wirft, macht et was falsch. Hier sollten wir auch ein Zeichen setzen und die Arbeit dieser Gruppen würdigen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie haben bestimmt gemerkt, dass ich bisher nicht explizit auf das Thema Internet eingegangen bin. Das hat seinen Grund; denn es wäre falsch, in diesem Zusammenhang zwischen dem Netz und dem realen Raum zu unterscheiden. Rechtsextremes Gedankengut wird nicht dadurch gefährlicher, dass es in ei nem sozialen Netzwerk oder auf einer Website anstatt in ei ner Fußgängerzone oder auf einem Schulhof dargeboten wird.

Wir müssen als demokratische Gesellschaft aktiv bleiben und an manchen Stellen sicherlich noch aktiver werden. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Professor Dr. Goll.