Protocol of the Session on March 15, 2012

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wenn man sie über setzt, ist es in Ordnung! – Abg. Brigitte Lösch GRÜ NE: Sagen Sie es einmal auf Deutsch! – Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Ab und zu schon.

Gut, vielen Dank. – Diese Compliance darf natürlich nicht dazu führen, dass sich Wirtschaftskriminelle der Strafverfolgung entziehen. Die Lan desregierung setzt bei der Verfolgung von Straftaten primär auf die Prärogative des Staates und nicht auf private Mithil fe.

Meine Damen und Herren, wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt: Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergrei fen, damit Baden-Württemberg bei der Verfolgung von Wirt schaftskriminalität und der Bekämpfung von Korruption vor bildlich wird. Ich sage extra „vorbildlich wird“, weil wir an diesem Ziel sicher noch nicht angelangt sind.

Erlauben Sie mir zu Beginn aber noch einige Erläuterungen zum Begriff Wirtschaftskriminalität – Herr Dr. Goll, Sie ha ben das auch thematisiert –, gerade im Verhältnis zu den Ta ten, die mittels des Internets oder nur durch das Internet be gangen werden können.

Der Begriff der Wirtschaftskriminalität ist nicht abschließend definiert. Wie Sie aber der Antwort auf die Große Anfrage ent nehmen können, werden die Vermögens- und Fälschungsde likte nur zu einem Teil als Wirtschaftskriminalität erfasst. In der Öffentlichkeit findet in der Regel keine Differenzierung statt. Wenn etwa ein Onlinehändler nach Zahlung durch den Besteller keine Ware zusendet oder wenn plötzlich Mahnun gen zugeschickt werden, weil ein Abonnement im Internet ab geschlossen worden sein soll, ohne dass dafür bezahlt worden sei, wird das natürlich zu Recht als Wirtschaftskriminalität wahrgenommen. Es geht um eine wirtschaftliche Dienstleis tung, die vorgetäuscht wird, die nicht erbracht wird oder bei der betrogen wird.

Das Landeskriminalamt hat bei der Analyse der Kriminalitäts felder Wirtschaftskriminalität und Korruption aufgrund der

gestiegenen Bedeutung und der hohen Gewinnspannen auch die Cyberkriminalität einbezogen. Weil bei der Umweltkrimi nalität in der Regel ebenfalls wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen, wird auch dieser Bereich in die Betrach tung aufgenommen.

Die Kollegin Häffner und der Kollege Sakellariou haben schon darauf hingewiesen, was diese Koalition tut, um Wirt schaftskriminalität zu bekämpfen. Natürlich sind dazu schon früher, Herr Dr. Goll, und nicht erst durch die grün-rote Lan desregierung Maßnahmen eingeleitet worden. Aber Krimina lität gab es auch schon vor Amtsantritt der grün-roten Landes regierung.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Aber sie hat zugenommen, Herr Kollege! Das wurde hier ausgeführt!)

Wir haben gehört, Frau Kollegin Gurr-Hirsch, Ihr Kollege Zimmermann hat da eine andere Wertung vorgenommen und hat in der Tendenz eigentlich eher ein optimistischeres Bild gezeichnet, was wir als Kompliment für unsere Koalition na türlich gern verbuchen. Kollege Zimmermann, vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Zahlen stammen aus 2010! Für 2011 lie gen sie leider noch nicht vor! 2010 waren noch wir an der Regierung!)

Sie bekommen zu gegebener Zeit natürlich neue Statistiken. Wir werden sie auch regelrecht ausfeilen, aber sie dann – wenn es geht – nicht alle mündlich erörtern, sondern Ihnen ei nen Teil davon schriftlich zukommen lassen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber nicht zurecht feilen, sondern ausfeilen!)

Meine Damen und Herren, was machen wir, was macht die Koalition, was macht die Polizei? Da kann ich einige Punkte nennen, die auch schon angerissen wurden.

Wegen der steigenden Bedeutung von Internet und Compu tern bei dem Begehen von Straftaten hat der Kollege Gall be reits zu Beginn des Jahres die Einrichtung einer neuen Abtei lung „Cyberkriminalität/Digitale Spuren“ beim Landeskrimi nalamt genehmigt. In dieser Abteilung wird das Fachwissen des Landeskriminalamts in den Bereichen Auswertung, Er mittlung und technische Unterstützung gebündelt. Diese Kon zentration von Spezialisten wird nicht nur zur Bekämpfung der Cyberkriminalität vorangetrieben, sie unterstützt auch al le anderen Ermittlungsbereiche bei Datenauswertungen und bei der Suche nach digitalen Spuren – ein Feld, das die Poli zei, die Justiz zunehmend beschäftigt und entsprechende Kräf te, entsprechende Ressourcen bindet.

Im Rahmen der Polizeistrukturreform plant das Innenminis terium zudem die Einrichtung einer Kriminalinspektion Cy berkriminalität bei den Polizeipräsidien. Damit wird den ge stiegenen Anforderungen an Technik und Know-how Rech nung getragen.

Auch in den Bereichen Wirtschaftskriminalität und Korrupti on werden mit der Strukturreform, wie wir es hier heute Mor gen auch schon diskutiert haben, schlagkräftige regionale Ein heiten gebildet, die ihren Beitrag zu einer verbesserten Be

kämpfung dieser besonders sozialschädlichen Kriminalität leisten werden.

Von großer Bedeutung für die Aufklärung von Wirtschaftskri minalität ist auch eine gezielte Aus- und Fortbildung bei der Polizei und – ich kann das für mein Ministerium sagen – im Anschluss daran selbstverständlich auch für die Bediensteten in der Justiz.

Für die Polizei kann ich sagen: Das bereits bestehende gute Angebot wird noch in diesem Jahr durch das Angebot entspre chender Lehrgänge etwa im Bereich der schweren Umwelt kriminalität weiter verbessert.

Wir prüfen bei der Polizei auch laufend Maßnahmen zur Ver besserung der Polizeitechnik. Wir stehen hier vor der Heraus forderung, bei knappen Budgets für Sachausgaben mit den ständig neuen technischen Möglichkeiten Schritt zu halten.

Eines möchte ich an dieser Stelle auch einfügen – Herr Kol lege Zimmermann, Sie haben das angesprochen; das wird uns in der Tat vor Probleme stellen –: Mit Umschichtungen allein wird es nicht getan sein, wenn wir mit der Entwicklung der Kriminalität auf Dauer Schritt halten wollen. Wir dürfen nicht zulassen, dass diejenigen, die Straftaten begehen, uns immer einen Schritt voraus sind und aus diesem einen Schritt viel leicht größere oder mehr Schritte werden. Deshalb werden wir nicht umhinkommen, auch hier, was Sachmittel und personel le Ausstattung angeht, bei den künftigen Haushaltsberatungen verstärkt tätig zu werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Justizminister, Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht im Satz unterbrechen.

Ja, bitte.

Gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Herrn Abg. Dr. Löffler?

Selbstverständlich. Ich führe nur noch den Halbsatz zu Ende.

Oder wir nehmen die Alternative in Kauf, gegebenenfalls auf ein Höchstmaß an Si cherheit zu verzichten. Das – da sind wir uns, glaube ich, ei nig – können wir uns im Interesse der Bürgerinnen und Bür ger in unserem Land nicht leisten.

Bitte, Herr Kollege Dr. Löffler.

Herr Minister, Internetkri minalität ist kein auf Baden-Württemberg begrenztes Prob lem, und es ist auch kein deutsches Problem, sondern primär ein internationales Problem. Die Täter agieren weltweit.

Wichtig wäre es, durch internationale Verträge und Vereinba rungen und durch die Zusammenarbeit mit anderen Ländern die Bekämpfung zu vertiefen. Dazu habe ich bislang nichts gehört. Es wird uns wenig nützen, wenn wir die Arbeitskräf te der hiesigen Polizei verstärken oder noch mehr Aktivität von ihnen verlangen, wenn wir nicht in der Lage sind, die Tä ter auch international zu verfolgen. Dafür brauchen wir eine

weltumspannende Aktivität beim Kampf gegen die Internet kriminalität. Ich glaube, da müssen Sie aktiv werden, um das Problem an der Wurzel zu packen. Aktivitäten in Baden-Würt temberg sind eigentlich nur bedingt geeignet, um zum Erfolg zu kommen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das war keine Fra ge, sondern eine Kurzintervention!)

Bitte, Herr Justizminis ter.

Herr Dr. Löffler, ich gebe Ihnen uneingeschränkt recht: Internetkriminalität ist ein internationales Problem. Ich muss sagen, dass unsere Polizei, aber auch die Justiz dabei schon recht gut aufgestellt sind. Es gibt, glaube ich, kaum einen Bereich der Politik, der im Ver gleich zu anderen Ländern so gut vernetzt ist, wie es die Po lizei schon jetzt ist. Aber die Zusammenarbeit wird sicher noch verstärkt werden müssen. Da müssen wir sicherlich auch auf europäischer Ebene unseren Einfluss geltend machen. Da bei habe ich den Eindruck, dass Deutschland und insbesonde re Baden-Württemberg im Vergleich der europäischen Län der schon recht gut abschneiden. Aber wir müssen diesen Weg weitergehen; da gebe ich Ihnen recht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in der Justiz legen wir ein verstärktes Augenmerk auf die Wirtschaftskriminalität und das Tatmittel Internet. Ich habe beispielsweise bei der Gene ralstaatsanwaltschaft Stuttgart – Frau Häffner und Herr Sakel lariou, Sie haben dies dankenswerterweise bereits erwähnt – eine Zentralstelle für die Bekämpfung der Informations- und Kommunikationskriminalität eingerichtet. Das ist, wenn Sie so wollen, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft. Diese neue Stelle steht den Staatsanwaltschaften bei Fachfragen zur Ver fügung und sorgt für einen umfassenden Informationsaus tausch. Die Richter und Staatsanwälte werden wir ständig fort bilden, damit sie in diesem sehr dynamischen Bereich, der stark expandiert, auf dem Laufenden bleiben. Auch hier ar beiten wir eng mit der Polizei zusammen.

Diese Zentralstelle koordiniert die Zusammenarbeit aller auf Bundes- und Landesebene befassten Behörden und wird na türlich, Herr Dr. Löffler, jetzt auch zunehmend europaweit und international tätig sein müssen. Es gibt entsprechende Mög lichkeiten des Informationsaustauschs zwischen der Polizei und der Justiz, um eine schnelle Informationsweitergabe zu gewährleisten. Schließlich prüft die Zentralstelle auch einzel fallunabhängig strafrechtliche und verfahrensrechtliche Fra gestellungen, um das rechtliche Instrumentarium zur Bekämp fung der Wirtschaftskriminalität den Erfordernissen anpassen zu können.

Es gibt seit Oktober 2010 bei den Staatsanwaltschaften unter einander vernetzte IuK-Ansprechpartner, die über ein beson deres rechtliches und technisches Know-how verfügen und ihre Kollegen bei der Bearbeitung von Wirtschafts- und Inter netkriminalität fachlich unterstützen. Zugleich sind sie An sprechpartner für andere Behörden und halten den Kontakt zur Polizei.

Aber wir kommen trotz aller Maßnahmen, die wir bis jetzt eingeleitet haben, nicht an der Erkenntnis vorbei, dass uns Wirtschafts- und Internetkriminalität täglich vor neue Heraus

forderungen stellen, dass sie enorme Personal- und Sachmit tel binden und dass deren Bekämpfung damit nicht zum Null tarif zu haben ist. Die äußerst komplexen Rechtsfragen, ver wickelte Sachverhalte, anspruchsvolle Techniken der Wirt schaftskriminellen selbst erfordern ausreichendes und gut ge schultes Personal, damit das Land, die Polizei und die Justiz nicht den Kürzeren ziehen.

Angesprochen wurden auch Großverfahren. Ich möchte kurz darauf eingehen: Derzeit sind das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit einigen Großverfahren im Be reich der Wirtschaftskriminalität besonders belastet. Um wel che Fälle es dabei ging, konnten Sie in den letzten Tagen den Medien entnehmen. Dabei ist es zum Teil schon zu Anklagen gekommen. Dass die Ermittlungsbehörden diese von Groß verfahren geprägte Situation bewältigen, ist dem Engagement der Beamtinnen und Beamten der Polizei in diesem Bereich und den mit den Verfahren befassten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu verdanken.

Hilfreich war es natürlich, dass im Jahr 2010 – es ist schon gesagt worden – sieben zusätzliche Staatsanwaltsstellen be willigt wurden, um die Folgen der Finanzkrise aufzuarbeiten. Diese Stellen sind zeitlich befristet; zwei davon laufen Ende dieses Jahres aus, die übrigen haben einen k.w.-Vermerk und werden wieder abgebaut. Aber derzeit brauchen wir die Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich, damit wir die Verfahren zu Ende bringen. Denn Wirtschaftsstrafsachen müssen zügig bearbeitet werden. Überlange Verfahrensdau ern führen zu späteren Verurteilungen und zu deutlichen Ab schlägen bei den Strafen, die der Sache keinesfalls angemes sen sind. Wir müssen deshalb für eine ausreichende Personal- und Sachausstattung sorgen.

Die Verstärkung der Steuerverwaltung ist bereits angespro chen worden; auch die Zahlen wurden genannt. Auch das ist ein Beitrag, um der Wirtschaftskriminalität zu begegnen.

Die Taskforce, die Sie angesprochen haben, Frau Häffner, ist nach wie vor tätig. Sie hat ihre Arbeit etwas anders struktu riert als zu dem Zeitpunkt, als sie ins Leben gerufen wurde. Sie arbeitet nach wie vor und unterstützt die einzelnen Staats anwaltschaften insbesondere bei der Erledigung von Großver fahren, bei denen die einzelne Staatsanwaltschaft auf profes sionelle Hilfe angewiesen ist. Das leistet diese Taskforce nach wie vor.

Wenn ich noch einmal auf den Koalitionsvertrag mit dem dort formulierten Ziel zurückkomme, muss ich sagen: Wir sind, glaube ich, auf dem richtigen Weg, haben die notwendigen Maßnahmen ergriffen, werden aber weiterhin wachsam sein müssen.

Ich bitte Sie auch künftig um Ihre Unterstützung, dass wir nicht vor der Kriminalität kapitulieren müssen, sondern sie, wie bisher, weiterhin in den Griff bekommen

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wie bisher!)

und uns neuen Entwicklungen der Kriminalität anpassen und entsprechend antworten können.