Protocol of the Session on March 7, 2012

Dabei ist Übergewicht d e r Risikofaktor schlechthin für eine Diabeteserkrankung. Wohl keine Krankheit wird derart unterschätzt wie Diabetes. Im Rahmen der Gesundheitsstra tegie Baden-Württemberg muss hier mehr geleistet werden. Die Zentren für Bewegungsförderung wie auch das Projekt „Gesund aufwachsen und leben in Baden-Württemberg“ sind wichtig. Wenn sich bislang lediglich 15 Städte und Gemein den in Baden-Württemberg aktiv hieran beteiligen, so ist das viel zu wenig.

Was Übergewicht bei Kindern anbelangt, sehe ich zunächst das Elternhaus in der Pflicht. Gleichwohl begrüße ich die be schriebenen Initiativen in Kindertagesstätten und Schulen.

(Unruhe – Zuruf: Pst!)

In einem kleinen Absatz der Antwort wird darüber informiert, dass sich die Landesregierung im Rahmen eines runden Ti sches mit dem Thema Genitalverstümmelung beschäftigt. Un ser ehemaliger Justizminister Professor Dr. Goll hatte dazu bereits eine Bundesratsinitiative gestartet mit dem Ziel, mit einem § 226 a im Strafgesetzbuch einen eigenen Straftatbe stand zu gestalten. Ich wünsche mir, dass das Sozial- und das Integrationsministerium dieses Thema, das für die betroffe nen Frauen von großer Tragik ist, als wesentliches Handlungs feld definieren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Von zentraler Bedeutung ist für mich, dass den Besonderhei ten beider Geschlechter in der Medizin und in der Pflege mehr Rechnung getragen wird. Das betrifft nicht nur die Pharma kokinetik, also die Aufnahme pharmazeutischer Wirkstoffe im Körper. Wir brauchen in allen Bereichen der Medizin eine ver stärkte Geschlechterbetrachtung, also Gender-Mainstreaming. Mir wurde auch schon berichtet, dass weibliche Patienten sich nicht so ernst genommen fühlen. Das mögen Einzelfälle sein,

aber diese können nur durch einen Bewusstseinswandel von uns allen überwunden werden.

Abschließend werbe ich für die Verinnerlichung der Prinzipi en des Gender-Mainstreaming, insbesondere auch im Gesund heitsbereich, wo es oft genug um Leben und Tod geht. Die Landesregierung unterstützen wir daher in ihrem Ziel, den An teil der Frauen, die am Brustkrebsscreening teilnehmen, aus gehend von dem eher bescheidenen Niveau von 50 % deut lich zu erhöhen. Den Herren Kollegen möchte ich eines mit auf den Weg geben: Frauen gehen häufiger zur Vorsorge als Männer. Gehen Sie also selbst mit mehr Disziplin zu Ihren ei genen Terminen. Sensibilisieren wir uns alle tatkräftig dafür im eigenen Umfeld. Jeder ist gefordert.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU sowie Abge ordneten der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Fa milie, Frauen und Senioren Altpeter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Am Anfang der Diskussion über das Thema Frauengesundheit muss eine einfache, aber leider all zu oft vergessene Feststellung stehen: Es gibt Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein!)

Doch.

(Heiterkeit – Abg. Martin Rivoir SPD: Ich erkläre es ihm! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dar über reden wir im Präsidium!)

Diese Unterschiede bestehen nicht nur in biologischer oder psychologischer Hinsicht, sondern Unterschiede bestehen auch hinsichtlich des sozialen Hintergrunds. Daher ist es nur logisch, dass die Medizin die geschlechtsspezifischen Ge sichtspunkte besonders berücksichtigen muss.

In der Vergangenheit haben medizinische Lehrbücher stets den Menschen betrachtet, wenn es weit ging den ganzen Men schen. Sie sind dabei aber stillschweigend fast ausschließlich vom männlichen Organismus ausgegangen. Die Gender-Me dizin ist ein Ansatz, dies zu korrigieren, denn – zuhören! – die Unterschiede zwischen Frauen und Männern betreffen nicht nur unterschiedliche primäre und sekundäre Geschlechtsmerk male. Sie betreffen noch ganz andere Dinge. Hormonelle Ein flüsse z. B. wirken ebenso auf Körper und Psyche. Sie haben nicht nur Einfluss auf Erkrankungen, sondern auch auf die Wirkung von Medikamenten.

Obwohl dies alles wissenschaftlich gut belegt ist, findet es doch im Alltag noch immer zu wenig Berücksichtigung. Der zeit unterliegt die Erkenntnis von geschlechtsspezifischen Un terschieden mehr oder weniger zufälligen Beobachtungen in Studien.

Die Landesregierung hat sich deshalb im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, dass die Angehörigen aller Gesundheitsbe rufe in ihren Aus- und Fortbildungen für geschlechtsspezifi sche Unterschiede bei Krankheiten sensibilisiert werden. Um dies zu erreichen, muss die geschlechterdifferenzierte Medi zin noch viel stärker verankert werden. Ich darf hinzufügen: Das gilt nicht nur für die Medizinischen Fakultäten. Das gilt genauso für die Ausbildungsberufe in der Pflege und in ande ren Berufszweigen, die nicht unmittelbar der Medizin zuge ordnet sind, aber doch medizinisch arbeiten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei einer Debatte zum Thema Frauengesundheit sollte ein aus frauenpolitischer Sicht erfreulicher Aspekt nicht unerwähnt bleiben. Frauen in Baden-Württemberg leben etwa fünf Jahre länger als Männer. Man kann sich sicherlich vielerlei Fragen stellen, was die Ur sachen für eine längere Lebenserwartung sind. Die Ursachen liegen wohl in einem komplexen Zusammenwirken vielfälti ger Komponenten. Einerseits gibt es biologische Faktoren, an dererseits aber auch verhaltens- und umweltbedingte Einflüs se. So weisen Studien darauf hin, dass biologische Faktoren nur einen Unterschied von einem Jahr bis zwei Jahren bei der mittleren Lebenserwartung erklären können.

(Unruhe)

Im Übrigen kann man wohl Rückschlüsse auf das unterschied liche Verhalten ziehen.

Unterschiede zwischen Frauen und Männern zeigen sich aber auch bei der Bedeutung von Zivilisationskrankheiten. Gera de bei Zivilisationskrankheiten haben verhaltens- und umwelt bedingte Einflüsse eine große Bedeutung. Beispielsweise ent wickeln sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen typi scherweise zehn bis 20 Jahre später als bei Männern. Der Ver lauf dieser Erkrankungen – das weiß man auch – ist bei Frau en allerdings oft schwerwiegender.

Zudem sind Frauen häufiger von Bluthochdruck und Schlag anfall betroffen. Die Gender-Medizin selbst hat im Zusam menhang mit einer Untersuchung von Herzerkrankungen bei Frauen wichtige Erkenntnisse gewonnen. So sind die Symp tome eines Herzinfarkts bei Frauen weniger typisch als bei Männern. Herzinfarkte werden deshalb bei weiblichen Pati enten oft zu spät oder auch falsch diagnostiziert.

Ich denke, nicht nur für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, son dern auch für eine große Anzahl weiterer Erkrankungen gilt als gesichert, dass die bestehenden Unterschiede zwischen Männern und Frauen in den Symptomen, im Verlauf und in der Prognose eindeutig sind.

Im Hinblick auf psychische Störungen ist bekannt, dass Frau en häufiger an Depressionen und Angststörungen leiden. Bei Männern liegen häufiger durch Alkohol und Drogen verur sachte Störungen vor.

(Unruhe)

Auch im Hinblick auf das Gesundheitsverhalten und das Ri sikoverhalten existieren geschlechtsspezifische Unterschiede.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Großen An frage wird gefragt, wo wir bei diesem Thema im innerdeut schen und im europäischen Vergleich stehen. Hier gibt es Er freuliches festzustellen: Im Vergleich mit Frauen in anderen Bundesländern haben Frauen in Baden-Württemberg die höchste Lebenserwartung. Auch im Vergleich mit Frauen in anderen europäischen Regionen liegt die Lebenserwartung von Frauen in Baden-Württemberg im oberen Bereich.

Trotzdem ist mir eine weiterhin positive Entwicklung der Ge sundheitssituation von Frauen in Baden-Württemberg ein gro ßes Anliegen. Dazu ist es zunächst erforderlich, die GenderMedizin fortzuentwickeln und auf diesen Bereich sehr sensi bel zu achten. Ich denke, vieles beginnt mit einem Umden ken. Deshalb muss eine Übertragbarkeit der medizinischen Erkenntnisse auf verschiedene Altersgruppen, auf Frauen und auf Männer sehr kritisch hinterfragt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser zentrales An liegen ist die Förderung der Gesundheit. Das Ziel ist eine ge schlechtergerechte Gesundheitsversorgung von Männern und Frauen. Die Geschlechterperspektive muss daher im Interes se von Männern und Frauen als Querschnittsaufgabe in alle Politikfelder integriert werden. Bezogen auf die Prävention und die Gesundheitsförderung erfordert das Ziel der Chancen gleichheit von Männern und Frauen konsequentes geschlech tersensibles Vorgehen.

Uns muss klar sein, dass Gleichstellung eben nicht Gleichbe handlung bedeutet. Denn Verhältnis- und Verhaltenspräventi on, beispielsweise zur Vermeidung und Verringerung von Übergewicht, sollte im Setting ansetzen. Wichtig ist, neben dem Alter sowie dem sozialen und kulturellen Hintergrund auch das Geschlecht der Zielgruppe zu berücksichtigen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Von der Problemdefinition über die konkrete Programmpla nung bis hin zur Evaluation muss immer das Ziel der Gleich stellung im Auge behalten werden. Ich denke, Handlungsbe darf besteht nicht nur auf dem Gebiet der Gesundheitsförde rung und der Prävention; ebenso wichtig sind die Bereiche Gesundheitsversorgung und Pflege. Deshalb – ich kann es nicht oft genug sagen – müssen Angehörige aller Gesundheits berufe in Aus- und Fortbildungen für geschlechtsspezifische Unterschiede bei Krankheiten sensibilisiert werden. Das scheint mir ein ganz wichtiger Punkt zu sein.

Weiter – das scheint mir ebenso wichtig zu sein – wollen wir auch die unabhängige Beratung von Frauen in Gesundheits fragen gewährleisten. Strategien hierfür sollen in Zusammen arbeit mit der Wissenschaft und den Fraueninitiativen entwi ckelt werden.

Schließlich – das möchte ich auch sagen – sollen die unter schiedlichen Wirkungen von Arzneimitteln bei Männern und Frauen zukünftig in allen Phasen der klinischen Prüfung be wertet werden.

Ich kann sagen: Es wurde schon einiges erreicht. Vieles bleibt jedoch noch zu tun. Ich darf beispielsweise auf die Steigerung der Zahlen bei den Brustkrebsscreenings und auch auf deren Ausweitung verweisen, aber auch auf den ganzen Bereich der psychischen Störungen und der psychischen Krankheiten, in dem es noch einiges zu tun gibt, und nicht zuletzt auf die vor hin erwähnte doch sehr hohe Kaiserschnittrate, die aus mei ner Sicht abzusenken ist.

Deshalb: Es gibt noch vieles zu tun. Aber nach dem Motto des morgigen Weltfrauentags werden wir heute für morgen Zei chen setzen. Ich denke, die große Einigkeit auch zwischen den Fraktionen hier im Haus gibt uns den nötigen Rückenwind, hier die entsprechenden Zeichen setzen zu können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage „Frauengesundheit in Baden-Württem berg“ besprochen und Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Fi nanzen und Wirtschaft zu dem Antrag des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft vom 23. Februar 2012 – Im mobilientransaktion Rue Belliard 58 in Brüssel – Druck sachen 14/1317, 15/1342

Berichterstatter: Abg. Winfried Mack

Gemäß § 96 Absatz 5 der Geschäftsordnung stelle ich die Zu stimmung entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Aus schuss fest. – Es ist so beschlossen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Mitglie der der Regierung, bevor ich die Sitzung schließe, darf ich Sie noch auf Folgendes hinweisen: Heute um 16:30 Uhr findet an lässlich des Internationalen Frauentags die Veranstaltung „Mittendrin und außen vor – Politische Beteiligung von Frau en“ statt. Dazu möchte ich Sie herzlich einladen.

Beim anschließenden Empfang können Sie im Foyer die Aus stellung „Vorbilder“ besuchen. Es handelt sich um Fotografi en, die im Rahmen des Gründerinnenjahrs 2011 der Hand werkskammer Freiburg als Ausstellung zusammengefasst wurden. Abgebildet sind Frauen, die als Selbstständige im Handwerksbereich erfolgreich tätig sind. Ich würde mich sehr freuen, Sie bei der Veranstaltung und beim anschließenden Empfang begrüßen zu dürfen.

Die nächste Sitzung findet am Mittwoch, 14. März 2012, um 10:00 Uhr statt.

Ich danke Ihnen und schließe die Sitzung.