Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne verbindliche Regelun gen kommen wir hier nicht voran. Genau dies wird diese Lan desregierung angehen.
In Baden-Württemberg werden wir wesentliche Regelungen im Chancengleichheitsgesetz für den öffentlichen Dienst än dern und neue Regelungen aufnehmen, und wir werden vor allem nachhaltig überprüfen, ob diese Regelungen auch ein gehalten werden.
Im Pakt mit den Kommunen für Familien mit Kindern versu chen wir, die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf eine Klein kindbetreuung ab Herbst 2013 sicherzustellen. Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, haben hier nicht gerade große Eile an den Tag gelegt.
Aber für die Privatwirtschaft brauchen wir auch auf Bundes ebene klare Regeln. Wir begrüßen daher außerordentlich, dass
Frau Ministerin Altpeter hierzu eine Bundesratsinitiative ein bringen wird. Das Kabinett hat gestern einen entsprechenden Beschluss gefasst. Diese Initiative soll den Druck auf die Bun desregierung erhöhen, hier endlich gesetzgeberisch tätig zu werden. Wir brauchen klare und wirksame Regelungen, die privatwirtschaftliche Unternehmen in die Pflicht nehmen und dafür sorgen, dass jegliche Diskriminierungen von Frauen in der Arbeitswelt ein Ende haben.
Liebe Damen und Herren von der CDU, liebe Herren von der FDP/DVP, laden Sie doch einmal Ihre ehemalige Kultusmi nisterin, Frau Professorin Schick, auf Ihre Parteitage ein und bitten Sie sie, die Vorschläge der Sachverständigenkommis sion zur Erstellung des Gutachtens für den ersten Gleichstel lungsbericht der Bundesregierung zu erläutern. Ich glaube, als ehemalige Leiterin dieser Kommission ist sie bestens dazu ge eignet, Ihnen hier ein bisschen Nachhilfe zu geben.
Für uns, die SPD, ist klar, dass beispielsweise folgende Vor schläge aus der Sachverständigenkommission dazu beitragen werden, die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt zu beseitigen: der Abbau von Fehlanreizen durch Minijobs so wie durch das Ehegattensplitting, der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde, gleicher Lohn für gleiche Arbeit – hier werden wir uns für ein Entgeltgleichheitsgesetz starkmachen –, Stärkung der Tarifbindung und der Flächentarifverträge und der Ausbau von Tariftreueregelungen. Gleichzeitig wird eine Geschlechterquote für Aufsichtsräte von Unternehmen, auch im Topmanagement, vorgeschlagen, der Ausbau der Kinder betreuung und der Ganztagsschulen sowie eine bessere Be rücksichtigung der Fürsorgepflichten, z. B. gegenüber den Kindern, durch die Arbeitgeber.
Des Weiteren geht es um die Weiterentwicklung der Eltern geldregelung und vergleichbarer Regelungen wie Elternzeit und Elterngeld sowie Leistungen für die Betreuung von pfle gebedürftigen Familienangehörigen.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unterstützen diese Vorschläge nachhaltig. Aber wir wissen auch, dass die se Vorschläge, obwohl sie in einem Dokument der Bundesre gierung stehen, von der amtierenden schwarz-gelben Koaliti on in Berlin niemals umgesetzt werden. Es geht nicht nur um Fragen der Gleichstellung und der Gerechtigkeit, sondern auch um Fragen der wirtschaftlichen Vernunft. Aber dazu brauchen wir auch im Bundestag eindeutig andere Mehrheits verhältnisse.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das kommt demnächst! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Gemeinsam sind wir stark!)
Lassen Sie uns zu diesen Vorschlägen gerade hier im Auto land Baden-Württemberg noch einen hinzufügen: Wir unter stützen ausdrücklich die Absicht, mehr Frauen für die MINTBerufe zu gewinnen. Wir brauchen Frauen auch in diesen Be reichen ganz stark; das wird irgendwann auch die Industrie entdecken. Aber nicht nur gleiche Arbeit muss gleich bezahlt
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vor fast genau einem Jahr gab es hier an gleicher Stelle eine Debatte zur Frauen quote. Der einzige Lichtblick war damals, dass Ihre damali ge Sozialministerin, Frau Dr. Stolz, klar und deutlich für eine Quote war. Wir ahnen, wie schwer ihr Stand bei Ihnen war.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD zur CDU: Warum habt ihr nicht mit gemacht?)
Die „Stuttgarter Zeitung“ berichtete damals über diese Debat te unter der Überschrift „Wenig Chancen für Frauen“. Der „Mannheimer Morgen“ betitelte seine Berichterstattung mit „Hohn und Spott in der Landtagsdebatte“ und schrieb später – Zitat –:
In der Politik gelingt es der CDU nicht wirklich, den Ein druck zu vermeiden, dass sie der Bremsklotz ist. Dort sit zen noch die echten Kerle.
Sehr geehrte Damen und Herren, hier sitzen nicht nur echte Kerle, sondern auch echte Frauen, und diese Frauen werden sich für mehr Gerechtigkeit einsetzen.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! „Sag mir, wo die Frauen sind. Wo sind sie geblie ben?“ Diese Frage in Anlehnung an einen bekannten Liedtext stellt sich mir ab und zu, wenn ich Statistiken lese.
Wo sind die Frauen an den Hochschulen? Wir haben vor Kur zem im Wissenschaftsausschuss dezidiert über diese Frage diskutiert. Über 50 % der Abiturienten sind weiblich, und im merhin noch 40 % der Promovierenden sind weiblich. Und dann sind in Baden-Württemberg „schlanke“ 17 % Hoch schullehrerinnen zu verzeichnen!
Wo sind die Frauen in der Wirtschaft? Darauf wird meine Kol legin Frau Dr. Stolz, die eben zitiert wurde, noch vertieft ein gehen. Die Vorstände der Großunternehmen – wir hatten vor einem Jahr, Frau Wölfle, darüber debattiert – bestehen ledig lich zu 3 % aus Frauen; in den Aufsichtsräten beträgt der An teil der Frauen ebenfalls nur 10 %.
Wo sind die Frauen in den Verbänden? Das ist etwas ganz Wichtiges in einer Demokratie. Man muss sie meist mit der Lupe suchen.
Schließlich die Frage: Wo sind die Frauen beim Staat, in den Verwaltungen? Das Chancengleichheitsgesetz aus dem Jahr 2002 hat wahrnehmbare Verbesserungen gebracht. Doch von den Stellen mit B-Besoldung sind noch immer nur ein Sechs tel mit Frauen besetzt.
Leider muss ich feststellen, dass von der grün-roten Landes regierung von 154 neuen Stellen in den einzelnen Geschäfts bereichen der Ministerien nur 49 mit Frauen besetzt worden sind.
(Zurufe von der CDU und der FDP/DVP, u. a.: Hört, hört! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Un glaublich! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist aber ein mächtiger Sprung nach vorn!)
Ganz schlecht – jetzt wird es interessant; darauf richtet sich der gemeinsame Wunsch von uns Frauen – schneiden die Frauen bei den Spitzenpositionen ab. In Positionen mit B-Be soldung wurden lediglich vier Frauen, aber 25 Männer einge setzt.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helen Heberer SPD: Ihr hattet nie so vie le Frauen in diesen Positionen!)
Wenn Sie sagen, wir seien nicht viel besser gewesen, ist das nur eine bescheidene Erklärung. Klage führen ist eine Sache. Antworten geben ist das Gebot der Stunde.
Es wurde angedeutet: In Baden-Württemberg haben wir die höchste Frauenerwerbsquote. 76 % der Frauen in BadenWürttemberg sind erwerbstätig. Wenn man aber genauer hin schaut, stellt man fest, dass die meisten davon in Teilzeit be schäftigt sind. Allein seit 1990 sind 750 000 Teilzeitstellen hinzugekommen. Ich gebe Ihnen recht, Frau Wölfle: Das ist bedenklich, denn die meisten dieser Arbeitsverhältnisse sind als prekäre Arbeitsverhältnisse zu bezeichnen.
Dies hat auch die Stellungnahme zu dem von uns gestellten Antrag zum Thema „Frauen als Ernährerinnen“ gezeigt, aus der hervorgeht, dass in Haushalten, in denen die Frau das Haupteinkommen bezieht, die Familie zumeist mit einem Net toeinkommen von weit unter 2 000 € im Monat über die Run den kommen muss.
Sorgen bereitet mir vor allem die Rentensituation älterer Frau en. Denn Armut ist im Alter weiblich. Hier gilt es, die betrof fene Zielgruppe immer wieder zu ermuntern, ihre Arbeitsver hältnisse in solide Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln, die dann auch sozialversicherungspflichtig sind.
Selten gab es für die Frauen günstigere Zeiten am Arbeits markt. Sie werden gebraucht wie nie zuvor. Die Wirtschaft und die Wissenschaft sehen in den Frauen die größte und am schnellsten zu aktivierende Gruppe im Hinblick auf das Fach kräftepotenzial. Deswegen ist es das Gebot der Stunde, diese Frauen zu qualifizieren.
In diesem Zusammenhang finde ich es sehr lobenswert, dass Sie, Frau Ministerin Altpeter, da neue Wege gehen wollen, z. B. mit der Teilzeitausbildung, die Sie zum 15. März einfüh ren wollen.
Ich finde aber, insgesamt haben wir da noch zu wenig Fanta sie entwickelt. Wenn eine Frau nach der Familienphase in ei nen Beruf einsteigen will, muss sie in der Regel noch immer eine mindestens dreijährige Ausbildung absolvieren. Hier könnte man seitens der Verantwortlichen erkennen, dass in der Familienphase vor allem soziale, aber auch andere Kompe tenzen erworben werden, die angerechnet werden könnten. Lassen Sie uns da gemeinsam vorangehen.
Sehr löblich finde ich, dass das von uns auf den Weg gebrach te Projekt „Wing“, mit dem Frauen, die Naturwissenschaften studiert haben, aus der Familienphase heraus in den Beruf ge bracht werden sollen, jetzt umgesetzt wird.
Man braucht eine Personal- und Organisationsentwicklung in den Betrieben, die das alles widerspiegeln muss. Ziel muss sein, die berufliche Entwicklung von Müttern zu verstetigen. Dazu müssen die Betriebe und auch die Behörden einen en gagierten Beitrag leisten. So ist meiner Meinung nach ständig Kontakt mit den früheren Mitarbeiterinnen zu halten. Das lässt sich über Fortbildungen und Betriebsveranstaltungen sehr gut realisieren.
Auch Telearbeit ist ein geeignetes Instrument, um den Kon takt zu halten. In einigen Ministerien ist die Telearbeit durch aus schon mit einer lobenswerten Quote im zweistelligen Be reich realisiert.
Es braucht aber auch Verlässlichkeit beim Thema Schule, ver lässliche Unterrichtszeiten. Unterrichtsausfall muss vermie den werden. Ganztagsbetreuung ist natürlich eine Schlüssel voraussetzung. Da darf die Wirtschaft nicht ausgenommen werden. Das Projekt familyNET, das in unserer Verantwor tung von der CDU-FDP/DVP-Regierung initiiert wurde, hat familienbewusste Maßnahmen in der Arbeitswelt angestoßen. Dieses Projekt, das im Dezember 2011 ausgelaufen ist, muss unbedingt fortgesetzt werden.
Auch das Thema Pflege ist nach meinem Dafürhalten mehr und mehr in den Blick zu nehmen, wenn wir über geschlech tergerechte Politik reden. In Zukunft darf der Blick nicht nur auf die Frauen gerichtet werden, sondern es muss eine WorkLife-Balance für beide möglich sein. Da sind vor allem auch die Betriebe gefordert, Flexibilität zuzulassen, Phasen zuzu lassen, in denen man vorarbeiten und in denen man Auszei ten nehmen kann. Das Pflegegesetz der Bundesregierung ist ein Anfang, aber es muss natürlich auch in der Wirtschaft an kommen.
Uns, der CDU, ist wichtig, dass man die Menschen in dem Bemühen begleitet, die Keimzelle der Gesellschaft, nämlich die Familie, zu stärken, und es den Familien ermöglicht, ihre Mitglieder mit Liebe, Zuwendung und Pflege von der Wiege bis zur Bahre zu begleiten – so es ihr Wunsch ist.