Sie haben in Ihren Wahlprogrammen sowie im Koalitionsver trag versprochen, die durch den Rückgang der Schülerzahlen frei werdenden Ressourcen im Bildungsbereich zu belassen.
und das Ziel eines Klassenteilers von 28 kippen, haben Sie ein weiteres massives Glaubwürdigkeitsproblem. Oder, um es mit den Worten des Ministerpräsidenten zu sagen: Da haben Sie wohl einfach den Mund zu voll genommen.
Es ist ohnehin ein Rätsel: Der Finanz- und Wirtschaftsminis ter verkündet stolz, 3 300 Lehrerstellen seien in diesem Haus haltsjahr rechnerisch frei geworden. Da muss man sich doch fragen: Wohin sind die 3 300 Lehrerstellen eigentlich gegan gen? Der traditionell nicht für seine Transparenz bekannte Einzelplan des Kultusministeriums gibt über diese doch nicht ganz unbedeutende „Kontobewegung“ wirklich keine Aus kunft.
So beschleicht einen der Verdacht, dass einerseits schon ein mal die Weichen für Stelleneinsparungen gestellt werden sol len, andererseits aber auch die Intransparenz genutzt werden soll, um jetzt und zukünftig anfallende Kosten von Lieblings experimenten wie der Gemeinschaftsschule zu verschleiern. Nur aus der Presse ist zu erfahren, dass der Mehrbedarf für die Starterschulen auf 60 Lehrerstellen geschätzt wird.
Dieser Verdacht bestätigt sich auch von einer anderen Seite. Es werden zum nächsten Schuljahr im Bereich der Gymnasi en kaum Lehrer eingestellt, wie auch das Kultusministerium mehr oder weniger direkt einräumt. Das ist nicht nur für die Referendare eine verheerende Nachricht, sondern stellt auch einen schweren Schlag für eine nachhaltige Personalplanung an den Schulen dar.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da haben Sie wohl recht!)
Auch hier stellt sich die Frage: Warum nutzen Sie die Situa tion an den Gymnasien nicht, an denen Absolventen des acht jährigen und des letzten neunjährigen Bildungsgangs in die sem Jahr gemeinsam Abitur machen und anschließend Perso nalressourcen frei werden? Wo bleibt denn eine Fortbildungs
wo eine allgemein verbesserte Ressourcenzuweisung? Wo bleibt die Senkung des Klassenteilers, durch die Sie einen Ein bruch bei der Lehrereinstellung vermeiden könnten?
Vielleicht ist es Ihnen, meine Damen und Herren von den Re gierungsfraktionen, auch gar nicht so unrecht, wenn die Gym nasien ins Hintertreffen geraten.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Genau so ist es! – Zu ruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)
Vielleicht sind Sie aber auch der Ansicht, dass Sie mit der ho möopathischen Wiedereinführung von G-9-Zügen dem Gym nasium genügend Gutes getan haben. Immerhin haben Sie im Wahlkampf versprochen, die Wahl zwischen einem acht- und einem neunjährigen gymnasialen Bildungsweg zu ermögli chen. Nun ist Ihnen bei der Aufstellung des Haushalts aber wohl aufgefallen, dass die Einlösung dieses Wahlversprechens sehr, sehr teuer wird.
Sicher sind Ihnen auch Zweifel gekommen, ob die knappen Ressourcen hier an der richtigen Stelle eingesetzt werden. Da Sie nun aber nicht mehr zurückkonnten, bekommen nun 44 Standorte einen G-9-Zug. Das ist gerade einmal ein „Feigen blatt-G-9“ pro Landkreis, ein Feigenblatt, das einige Ressour cen verschwendet, nur um die Blöße zu kaschieren, dass Ihr Wahlversprechen nicht einzuhalten ist. Oder, um es mit den Worten des Ministerpräsidenten zu sagen: Auch da haben Sie vor der Wahl den Mund zu voll genommen.
Meine Damen und Herren, diese Feigenblattpolitik nützt vor Ort niemandem. Da werden keine echten Wahlmöglichkeiten an den Gymnasien geschaffen; allenfalls entsteht eine Menge Frust vor Ort.
(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Walter Heiler SPD: Ausgerechnet! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)
Hören Sie gut zu! – Investieren Sie in die beruflichen Gym nasien, die das entscheidende Bindeglied des Aufstiegs zwi schen mittlerer Reife und Hochschulzugang sind. Sie bilden bereits heute eine neunjährige Alternative zur Erlangung des Abiturs und sind so stark nachgefragt, dass keineswegs alle qualifizierten Bewerber einen Platz am beruflichen Gymnasi um erhalten.
Ich darf Sie daran erinnern: Es war Konsens aller Landtags fraktionen, die beruflichen Gymnasien auszubauen. Erinnern Sie sich an die Handlungsempfehlungen der Enquetekommis
sion „Berufliche Schulen“ aus der vergangenen Legislaturpe riode. Wir Liberalen erlauben uns deshalb, unseren Antrag zu wiederholen. Die 133 Stellen, die nach Aussagen der Kultus ministerin für die 44 „Feigenblatt-G-9“-Züge aufgewendet werden, sollten den beruflichen Gymnasien zugeschlagen wer den.
Sie können damit ihre Kapazitäten ausbauen und mehr Schü ler aufnehmen und diesen somit eine echte Bildungs- und Auf stiegschance eröffnen.
Darüber hinaus möchte die FDP/DVP-Fraktion der Landes regierung eine zweite Chance bei der Privatschulfinanzierung geben. Wir haben deshalb noch einmal unseren Entschlie ßungsantrag eingebracht, der wortgleich den Beschluss vom Februar 2011 wiedergibt, nur mit dem Unterschied, dass Sie eine Fristverlängerung bis Ende 2012 bekommen.
Im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes haben Sie den An satz für die Privatschulförderung um 7,5 Millionen € erhöht, eine Summe, die kaum ausreichen wird, um die Kostende ckungsgrade bei allen Schularten auf mindestens 71,5 % zu bringen. Leider haben Sie von den Regierungsfraktionen sich dazu entschlossen, dem FDP/DVP-Antrag einen Antrag ent gegenzusetzen, der unverbindlicher kaum sein könnte. Weder ist hier von einem Stufenplan noch von einer Frist die Rede. Deutlicher lässt sich nicht mehr dokumentieren, dass sich der Stand der freien Schulen mit dem Regierungswechsel inner halb eines Jahres erheblich verschlechtert hat.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist ja Bildungs paranoia!)
Statt des Aushandelns eines Stufenplans auf Augenhöhe mit den Verbänden wird es Zuschusserhöhungen bestenfalls in Ge stalt von Gnadenakten geben. Aber als Theologe gebe ich die Hoffnung nicht vorschnell auf,
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was, Sie sind Theolo ge? – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Er kann Ihnen sogar die Beichte abnehmen!)
die Regierungsfraktionen könnten den Beschluss wiederho len, dem sie vor einem Jahr noch zugestimmt haben. Andern falls haben Sie von den Grünen und der SPD ein weiteres schweres Glaubwürdigkeitsproblem. Oder, um es mit den Worten des Ministerpräsidenten zu sagen: Da haben Sie vor einem Jahr den Mund wohl etwas zu voll genommen.
Was tut die grün-rote Landesregierung im Bereich der früh kindlichen Bildung? Sie rühmt sich, den Grunderwerbsteuer satz um 1,5 Prozentpunkte erhöht zu haben, um in dem er wähnten Bereich investieren zu können. Das kann man auch kritisch sehen. Denn es gibt wahrlich andere Wege als Steu erhöhungen, um Finanzmittel für wichtige Zwecke aufzubrin gen,
zumal wenn diese Steuererhöhungen gerade junge Familien, die ein Eigenheim erwerben wollen, stark belasten.
Spätestens dann aber, wenn Sie nun auch noch den Erlös aus den Steuererhöhungen teilweise zweckentfremden und 25 Millionen € in die Mietwohnungsbauförderung investie ren, wird doch das Gebäude Ihrer Begründung mehr als wa ckelig. Wenn diese Zweckentfremdung wenigstens einem re alen Bedarf entsprechen würde, könnte man Ihr Handeln viel leicht noch nachvollziehen. Aber selbst aus Fachkreisen wird darauf aufmerksam gemacht, dass diese 25 Millionen € für die Mietwohnungsbauförderung kaum gebraucht bzw. abge rufen werden.
Die FDP/DVP schlägt deshalb vor, diese 25 Millionen € in die Sprachförderung und damit in eine qualitative Verbesserung der frühkindlichen Bildung zu investieren. Denn die Qualität der frühkindlichen Bildung, meine Damen und Herren, die vor allem mit den Stichworten Orientierungsplan und Sprach förderung verbunden ist, kommt in Ihrem Haushalt definitiv zu kurz. Mit den 25 Millionen € könnte beispielsweise die Sprachförderung früher einsetzen – womöglich zeitnah nach der Sprachstandserhebung. Auch könnte die Sprachförderung z. B. durch Elemente der musikalischen Frühförderung sinn voll erweitert werden.
Lassen Sie mich noch etwas zum Bereich Jugend sagen. Hier hat Grün-Rot in Zeiten der Opposition sehr hohe Erwartun gen geweckt und sie spätestens mit diesem Haushalt ent täuscht.
Von einem „Zukunftsplan Jugend“ ist im Koalitionsvertrag die Rede. Die Bezeichnung „Bündnis für die Jugend“ musste wohl wegen ihres Ursprungs in der schwarz-gelben Ära aus getauscht werden. Besser wäre es gewesen, wenn die Gesprä che schlicht fortgesetzt und konkrete Ergebnisse erzielt wor den wären. Stattdessen sind die Zuständigkeiten für den Ju gendbereich zwischen dem Kultus- und dem Sozialministeri um hin- und hergeschoben worden, sodass die Abgrenzung bis heute unklar bleibt.
Da im Haushalt nun aber sogar die Kooperation zwischen Ju gendarbeit und Schule beim Sozialministerium angesiedelt ist, stellt sich allmählich schon die Frage, inwieweit sich das Kultusministerium eigentlich noch Jugendministerium nen nen darf.
Uns Liberalen erscheint vor allem der Bereich der Koopera tion von Schule mit der außerschulischen Jugendarbeit ein wichtiges Handlungsfeld im Zusammenhang mit dem Ausbau zu Ganztagsschulen und weit darüber hinaus als eine Betreu ungsform für Jugendliche, die sich den Gesetzmäßigkeiten des Schulalltags entzieht.
Da es sich bei Schule und außerschulischer Jugendarbeit ge radezu um zwei verschiedene Welten handelt, kommt einer gelingenden Kooperation eine umso größere Bedeutung zu. Wir haben deshalb Mittel für eine Stelle beantragt, die es
schon einmal gegeben hat. Aufgabe des Stelleninhabers ist die landesweite Koordination und Beratung der Kooperationspro jekte Jugendarbeit und Schule.
Leider sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Re gierungsfraktionen, unserem Vorschlag nicht gefolgt. Das ist eine schlechte Nachricht für die Jugendarbeit und ihre Ver bände, die gut organisiert sind und trotzdem nicht die Lobby haben, um von der selbst ernannten Regierung des Dialogs nicht nur angehört, sondern auch ernst genommen zu werden. Wir Liberalen werden weiterverfolgen, wie ernst es die Lan desregierung mit der Wertschätzung der außerschulischen Ju gendarbeit tatsächlich meint.