(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Georg Wacker: Das ist eine ur alte pädagogische Weisheit! Die ist uralt!)
Sie ist nicht überall angekommen. – Vor dem Hintergrund der in den Zwischenrufen wieder deutlich gewordenen Defi zite
zeigt sich, wie wichtig die Einrichtung einer Stabsstelle im Ministerium war. Sie leistet eine allseits anerkannte, hervor ragende Arbeit. Sie begleitet die Reformbestrebungen direkt vor Ort –
Meine Damen und Herren, Bildungspolitik ist natürlich im mer auch Gesellschaftspolitik. Durch sie wird mitentschieden, wie wir unsere Gesellschaft künftig aufstellen und wie wir in dieser Gesellschaft künftig leben wollen.
Deswegen sagen wir: Bildungschancen von Anfang an und ein Leben lang dürfen niemals vom Wohnort, von der Her kunft und vom Geldbeutel abhängen.
Mit einem Zitat des Präsidenten des Baden-Württembergi schen Handwerkstags Joachim Möhrle zur Schulstandortdis kussion – es ist aber durchaus verallgemeinerbar auf den ge samten Stil der Bildungsdebatte – möchte ich schließen:
Die Idee, die Schulstandorte nicht von oben nach unten umzukrempeln, halten wir für richtig. Das heißt aber auch: Jetzt haben es die Eltern und die Schulträger in der Hand, das Bildungssystem zu reformieren. Der Wandel kommt von unten.
Liebe Kollegin Boser, sehr geehrter Herr Kollege Bayer, ich fand Ihre Reden heute passend – passend für die Landespar lamente in Bremen oder Berlin. Aber sie haben doch mit der Wirklichkeit an baden-württembergischen Schulen nichts zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Blödsinn! Wir sind in Baden-Württemberg, nicht in Berlin!)
Der Haushalt hätte für die Landesregierung eine große Chan ce geboten. Die durch die zurückgehenden Schülerzahlen rechnerisch frei werdenden Lehrerstellen hätten Sie nutzen können, um dort, wo in der baden-württembergischen Bildung der Schuh am meisten drückt, eine bessere Ressourcenaus stattung zu erreichen. Es wäre z. B. möglich gewesen, die Schüler-Lehrer-Relation vor allem in den Schulen bzw. Schul arten mit sehr großen Klassen, wie in Realschulen und Gym nasien, zu verbessern,
die beruflichen Gymnasien, wo noch immer die Kapazitäten für die Aufnahme aller qualifizierten Bewerber fehlen, beherzt auszubauen, die Vertretungsreserve gegen den Unterrichtsaus fall zu verbessern oder mehr Geld für die frühkindliche Bil dung – Stichworte Sprachförderung und Orientierungsplan – bereitzustellen.
Mit einem klaren Kompass wären diese Verbesserungen im Grunde sehr einfach gewesen. Das Land stellt die Ressourcen in auskömmlichem Maß zur Verfügung, und die Verantwort lichen vor Ort treffen die Entscheidung darüber, an welchen Stellen die Ressourcen dem jeweiligen Bedarf entsprechend eingesetzt werden.
Sie von Grün-Rot können sich der Versuchung einfach nicht entziehen, doch von oben kräftig zu steuern
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, völlig richtig!)
Mit dieser Voraussetzung aber ist es für Sie nicht mehr mög lich, faire Ausgangsbedingungen für alle Schularten zu schaf
fen. Denn das freie Spiel der Kräfte könnte ja Ergebnisse zei tigen, die nicht in Ihr Weltbild passen.
Also lautet Ihre Devise, Ihre Lieblingskinder systematisch zu bevorzugen und die Stiefkinder entsprechend ins Hintertref fen geraten zu lassen oder gar zu demontieren, wie Sie das u. a. am Beispiel der Werkrealschule zeigen.
Ihr Hauptziel war es und bleibt es auch für die Zukunft, das differenzierte, vielfältige und – ich betone es – erfolgreiche baden-württembergische Schulwesen umzugraben.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und Chancenge rechtigkeit kaputt zu machen!)
Das aber ist das Gegenteil einer Bildungspolitik, die der Frei heit und der Eigenverantwortung vor Ort Vorfahrt gibt.
Am deutlichsten wird dieses Vorgehen bei der Einführung der Gemeinschaftsschule. Gelder gibt es von Ihnen nur dann, wenn die Verantwortlichen vor Ort Ihren engen pädagogischen Vorgaben folgen. Wen wundert es da, wenn Kommunen ver suchen, mithilfe der Gemeinschaftsschule ihren Schulstand ort zu retten, obwohl sie damit ein pädagogisches Konzept einkaufen müssen, welches sie überhaupt nicht wollen?
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Lachen des Abg. Jörg Fritz GRÜNE – Abg. Sandra Boser GRÜNE: So ein Quatsch! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Sozusagen Verantwortung von unten nach oben!)
Ein Blick auf die Landkarte mit der Verteilung der Gemein schaftsschulen bestätigt diese Feststellung. Die allermeisten Standorte sind kleinere Gemeinden, die das grundsätzlich le gitime Ziel haben, ihren Standort zu sichern. Eine Politik des goldenen Zügels ist das Gegenteil einer freiheitlichen Bil dungspolitik.
Mit unseren Anträgen schlagen wir wichtige und sinnvolle Al ternativen vor, die diesen klaren Kompass ermöglichen sol len. Ich verweise beispielsweise auf unseren Entschließungs antrag zur Senkung des Klassenteilers auf 28 Schülerinnen und Schüler.
Zwischen 2009 und 2011 haben wir den Klassenteiler in Jah resstufen von 33 auf 30 an den allgemeinbildenden Schulen und auf 28 an den Grundschulen gesenkt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)
Über 3 500 Lehrerstellen wurden dafür neu geschaffen. Am 2. Februar 2011 – wir haben es gerade gehört – hat der Land tag einstimmig beschlossen, die Senkung des Klassenteilers auf 28 in Jahresschritten fortzusetzen. Zugegeben: Der Antrag kam seinerzeit von CDU und FDP/DVP. Aber er wurde ein stimmig – und damit auch von Ihnen, meine lieben Kollegin nen und Kollegen von Grün-Rot – beschlossen.