Protocol of the Session on February 9, 2012

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Herrn Kolle gen Hauk dankbar, dass er die Abfolge sehr detailliert nach gezeichnet hat. Denn ich glaube, das bringt ein bisschen mehr zum Ausdruck als nur den einen Vorgang. Es steckt ein Stück weit dahinter: Welche Einstellung haben die Verantwortlichen gegenüber dem Projekt Stuttgart 21?

Frau Kollegin Sitzmann, ich muss Ihnen schon sagen: Sie sind jetzt nicht mehr in der Opposition, Sie sind in der Regierung.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ehrlich? Was für eine Neuigkeit!)

Sie sollten deswegen das Projekt aktiv vorantreiben und nicht die alten Themen aufgreifen. Jetzt ist Regierungshandeln ge fragt und nicht Opposition.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Deswegen ist es gut, wenn man immer wieder dieses Thema aufgreift, um in Erinnerung zu bringen, dass die Volksabstim mung einen klaren Bürgerwillen zum Ausdruck gebracht hat. Die entsprechenden Verträge liegen hoffentlich bei allen Ver antwortlichen stets möglichst offen auf dem Schreibtisch, so dass es ihnen jeden Tag bewusst wird.

Ich möchte noch auf ein paar Punkte eingehen, weil daran ge nau zum Ausdruck kommt, wie man vielleicht zu der Sache eingestellt ist.

Beginnen möchte ich mit dem Kollegen Tschenk. Ich glaube, er ist gerade nicht da.

(Abg. Peter Hauk CDU: Der ist selten da!)

Ich habe Verständnis dafür, dass man sich als Stuttgarter Grü ner echauffiert. Auch zu ihm muss ich aber sagen – auch wenn er etwas weiter hinten sitzt –: Er ist inzwischen in einer Re gierungskoalition und sollte sich hier, auch wenn er für die Stuttgarter Grünen im Einsatz ist, positiv in das Projekt ein bringen.

Das Gleiche gilt auch bei dem Thema dieses Schriftwechsels, den man noch einmal beleuchten sollte. Einerseits spricht Herr Ministerialdirektor Zinell davon, dass man politisch grünes Licht gebe, wenn der VGH entschieden habe. Andererseits sagt Herr Staatssekretär Murawski in einem umfangreichen Schreiben – man hätte es vielleicht etwas kürzer fassen oder telefonieren können –,

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das geht Sie nichts an! So weit kommt es noch!)

die Polizei plane generell eigenverantwortlich. Was gilt denn jetzt? Gibt man das jetzt eigenverantwortlich der Polizei, oder gibt man politisch grünes Licht? Irgendetwas passt da nicht zusammen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wir schaffen Rechtssicherheit, im Gegensatz zu Ihnen! Das ist der entscheidende Unterschied! – Gegenruf des Abg. Pe ter Hauk CDU)

Das drückt, Herr Kollege Sckerl, genau aus, wie sich die Si tuation bei Ihnen darstellt.

Wenn Herr Staatssekretär Murawski der Bahn vorwirft, sie würde mit dem Gutachten für den Artenschutz nicht voran kommen, dann muss man sagen – was die Zusammenarbeit, die Projektförderungspflicht anbelangt, möchte ich das hier anbringen –: Wenn man weiß, wann Baubeginn ist, dann kann man anfangen, das artenschutzrechtliche Gutachten zu erstel len. Denn die Situation bei den Juchtenkäfern oder den Fle dermäusen ist unterschiedlich zu bewerten, je nachdem, ob es jetzt Frühjahr oder Herbst, ob es Dezember oder Februar ist. Sie können das Gutachten also erst dann machen, wenn Sie wissen, wann Baubeginn ist.

Da hätte ich mir schon gewünscht, dass man anders mitein ander umgeht

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Wer hat Ihnen das denn gesagt? – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das ist ja etwas ganz Neues!)

und nicht immer den Schwarzen Peter vom einen zum ande ren schiebt. So kommen wir bei dem Projekt mit Sicherheit nicht voran.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Ich möchte noch einmal auf die Rolle des Verkehrsministers Hermann bei diesem Projekt kommen, nachdem er anfänglich immer gesagt hatte, er würde die Verantwortung für dieses Projekt nicht übernehmen. Seit der Volksabstimmung wissen wir: Er ist bereit, diese Verantwortung zu übernehmen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Loben Sie ihn jetzt?)

Jetzt machen Sie sich einmal Gedanken, wie es auf die Men schen wirkt, die sich beruflich mit diesem Projekt beschäfti gen – auf die Ingenieure, auf die Fachplaner –, wenn in der Presse gesagt wird, das Projekt werde erst 2025 fertig. Oder es wird von 60 km Tunnellänge gesprochen – so im Novem ber noch in der „Bild“-Zeitung zu lesen –, und es wird gesagt, man wisse von Köln, dass die Gefahr bestehe, dass Gebäude absinken könnten.

Jetzt frage ich Sie: Wie wirkt das auf Menschen, die sich in genieurtechnisch mit diesem Projekt befassen? Der Minister ist für diese Menschen nicht mehr glaubwürdig.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Projektförderungspflicht heißt, dieses Projekt nach außen po sitiv und aktiv zu begleiten und nicht immer ein SchwarzerPeter-Spiel zu betreiben.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Meine Güte!)

Herr Kollege Sckerl, ich weiß, dass Sie da innerhalb der Grünen ein Problem haben. Das ist so. Aber dann sollten Sie jetzt entsprechend handeln.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Projektförderungspflicht heißt auch, nicht immer gleich eine Blockadehaltung einzunehmen,

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

sondern Verantwortung für die Menschen, für die Dienstleis ter, für die Bauunternehmen zu übernehmen, die für dieses Projekt tagtäglich im Einsatz sind. Das sollten Sie sich ein mal klarmachen. Da haben hier alle Fraktionen eine Vorbild funktion, denn das wird auch nach außen getragen.

Es ist fast nicht verwunderlich, dass es für die Bahn nicht im mer einfach ist, für ein solches Projekt sehr gutes Personal zu finden, wenn dieses Projekt permanent kritisiert wird. Das ist doch ganz klar. Wie sollen sich Menschen für ein solches Pro jekt bewerben – ein Projekt, das eigentlich eine Herausforde rung in der Ingenieurkarriere darstellt –, wenn die Grünen per manent an diesem Projekt herumlamentieren?

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Das entspricht mit Sicherheit nicht einer Projektförderungs pflicht, wie man sie sich eigentlich vorstellt. Deswegen möch te ich Sie herzlich bitten: Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, und setzen Sie sich für eine aktive Projektförderung ein, anstatt in der Öffentlichkeit permanent Nebelkerzen zu wer fen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Hermann.

(Abg. Winfried Mack CDU: Wo ist denn der Innen minister? – Gegenruf des Abg. Konrad Epple CDU: Auf dem Polizeirevier! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rül ke FDP/DVP: Im StaMi zur Befehlsausgabe!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Die Überschrift der von der CDU beantragten Aktuellen Debatte beinhaltet die Formulierung: „Volkswillen verhindern oder Volkswillen beachten?“ Aus der Sicht der Landesregie rung ist es außerordentlich begrüßenswert, dass Sie diese mah nende Frage stellen und damit auch noch einmal die Frage aufwerfen: Wie weit beziehen wir die Bevölkerung in solche Großprojekte mit ein?

Es waren diese Landesregierung und die Mehrheit in diesem Parlament, die eine Volksabstimmung ermöglicht haben, da mit die Bevölkerung über dieses Projekt entscheiden kann.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Dann akzeptieren Sie doch das Ergebnis!)

Das waren nicht Sie. Sie haben das erst lange verhindert und dann am Ende auch noch immer kritisiert.

(Abg. Peter Hauk CDU: Was?)

Insofern betrachte ich das als eine Bestätigung unserer Poli tik.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist doch unmöglich!)

Ich freue mich, dass Sie das hier noch einmal so ansprechen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Genau so war es! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Wer dieses Projekt allerdings so angegangen ist, muss uns nicht darüber belehren, dass wir auf die Volksentscheidung achten sollen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Doch, das muss man!)

Das ist für uns eine pure Selbstverständlichkeit. Wer die Be völkerung befragt – das haben wir aktiv getan –, nimmt auch die Entscheidung der Bevölkerung ernst, nimmt sie mit Res pekt an und zieht daraus die Konsequenzen.