Protocol of the Session on December 14, 2011

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Meine Damen und Herren, ich will aber trotzdem grundsätz lich sagen: Ich halte unsere repräsentative Demokratie für gut. Sie hat sich bewährt, und ich glaube, es gibt auch keinen großen Streit darüber, dass sie in vielen Bereichen die Voraus setzung dafür war, dass sich die Bundesrepublik Deutschland so entwickelt hat, wie sie sich entwickelt hat. Deshalb werden wir auch an dieser repräsentativen, parlamentarischen De mokratie festhalten. Ich glaube, auch dies ist hier im Haus völ lig unstrittig.

Aber – das sollten wir schon zur Kenntnis nehmen – diese repräsentative, parlamentarische Demokratie stößt hin und wieder – ich meine, das ist zunehmend wahrzunehmen – auf Akzeptanzprobleme in Teilen der Bevölkerung. Das dürfen wir bei diesen Diskussionen nicht außer Acht lassen.

(Abg. Heribert Rech CDU: Das liegt aber nicht an der Demokratie!)

Die Menschen möchten sich in eine lebendige Demokratie einbringen, sie möchten mitwirken, sie möchten mitmischen, und sie möchten auch unterhalb der Ebene der Wahlen mit entscheiden können. Ich sage deshalb: Es ist gut, dass die Bürger dies wollen und wünschen, dass sie sich nicht zurück lehnen und das politische Geschehen nur aus der Ferne, vom Fernsehsessel aus betrachten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aber dann nicht kandidieren für den Gemeinderat! Wie passt denn das zusammen?)

Häufig wird bemängelt, dass die Bürger meist nur kritisieren, aber nicht unbedingt dazu beitragen, dass sich etwas ändert. Wenn, wie bei diesem Entscheid, deutlich wird, dass 50 % der Bürgerschaft eben nicht zu dieser Gruppe gehören, sondern dass diese Menschen sich einbringen, mitmischen, mitent scheiden wollen, dann sollten wir das begrüßen und nicht et wa kritisieren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Meine Damen und Herren, ich glaube, die bestehenden Ak zeptanzprobleme könnten wir minimieren, indem wir neue Formen der direkten Teilhabe schaffen, so, wie wir es vorge schlagen haben. Im Übrigen hat dies im Grundsatz niemand ernsthaft bezweifelt. Es gibt in Nuancen unterschiedliche Auf

fassungen, wie ich es auch in der heutigen Diskussion wahr genommen habe.

Ich glaube, wenn wir diesen Weg weiter beschreiten, könnte dies auch dazu beitragen, dass Entscheidungen der repräsen tativen, parlamentarischen Demokratie künftig auch wieder mehr Beachtung finden, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Ein Grund hierfür ist meines Erachtens auch, dass die Men schen bei der direkten Demokratie, bei der direkten Teilhabe selbst die Erfahrung machen können, dass auch bei dieser Be teiligungsform am Ende Mehrheitsentscheidungen stehen, die dann zu akzeptieren sind. Sie werden lernen, dass man sich in einen solchen Prozess mit seiner Meinung einbringen kann, dass aber am Ende dieses Prozesses kaum stehen wird, dass sich die subjektive Meinung eines Einzelnen zu 100 % in der Entscheidung wiederfindet. Man lernt, dass die eigene Mei nung eine von vielen ist, die mit anderen im Wettbewerb um Akzeptanz steht. Ich denke, auch dies ist ein Lernprozess in einer lebendigen Demokratie, den wir mutig angehen sollten, meine Damen und Herren.

Deshalb, Herr Dr. Scheffold, halte ich die Auffassung, die Sie uns gerade dargelegt haben, so, wie ich sie verstanden habe, für problematisch: „Es interessiert uns nicht, was da vorwärts geht; auch in Zukunft soll es möglich sein, große Infrastruk turmaßnahmen dergestalt durchzubringen wie in der Vergan genheit.“

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Mit dem Kopf durch die Wand – von dieser Haltung sollten Sie, meine ich, Abstand nehmen. Das kann nicht gut gehen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Meine Damen und Herren, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD in Baden-Württemberg haben deshalb im Koalitionsver trag für diese Legislaturperiode mit Recht vereinbart, die repräsentative Demokratie in stärkerem Umfang durch Ele mente der direkten Demokratie zu ergänzen oder ein System zu schaffen, in dem in Zukunft beides in einem guten Mitein ander funktionieren kann.

Unsere Instrumente hierfür sind Ihnen, glaube ich, weitgehend bekannt. Wir haben schon in der zurückliegenden Legislatur periode hin und wieder darüber diskutiert. Wir möchten z. B. die Möglichkeit einer Volksinitiative einführen. Hierzu bedarf es in der Tat noch intensiver Beratungen. Dabei spielen ver fassungsrechtliche Gründe, aber auch andere Gründe eine Rolle. Wir sollten uns die Zeit nehmen, dies sorgfältig zu prüfen und dann einer Entscheidung zuzuführen.

Im Weiteren, Herr Professor Goll, wurde heute angedeutet, dass wir uns tatsächlich ernsthaft über Hürden bei Volksbe gehren unterhalten sollten, insbesondere was das Unterschrif tenquorum anbelangt, was die Eintragungsfrist anbelangt, was die Sammlung von Unterschriften anbelangt und, und, und. Ich will darauf hinweisen, meine Damen und Herren: Es wird wichtig sein, dass wir uns über diese Quoren unterhalten. Denn auch bei den zurückliegenden Volksabstimmungen, wenn es um die Änderung von Gesetzen ging – auch wenn die Fragen positiv formuliert waren, das heißt, wenn man sich positiv äußern wollte –, stellte das geltende Quorum eine ho

he Hürde dar. Die Gefahr ist also relativ groß – selbst bei sol chen „positiven“ Bürgerbewegungen –, dass dieses Quorum tatsächlich nicht erreicht wird. Das heißt, meine Damen und Herren, das Quorum scheint bei der jetzigen Gesetzeslage prinzipiell so gut wie unerreichbar zu sein, egal, wie die Fra gestellung lautet. Deshalb sollten wir uns tatsächlich bewe gen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Die Koalitionsfraktionen – das wurde von Uli Sckerl und von Andreas Stoch angedeutet – werden daher jetzt Gespräche mit Ihnen, der Opposition, aufnehmen mit dem Ziel, bei all die sen Fragen eine einvernehmliche Lösung zu erzielen und ei nen gemeinsamen Weg hin zu mehr Demokratie zu finden.

Ich biete den vier Fraktionsvorsitzenden auch an, dass das In nenministerium, das in diesem Fall das federführende Ressort ist, zu Beginn des kommenden Jahres abseits der vorgeschla genen Kommission gemeinsam mit Ihnen und Staatsrätin Er ler in unserem Haus ein Grundsatzgespräch führt, um damit der geplanten gemeinsamen Kommission eine Basis zu bieten. Ich bitte Sie, dieses Angebot anzunehmen. Denn ich glaube, dass es auch hier im Haus niemanden mehr gibt, der sich dem Wunsch der Menschen in Baden-Württemberg nach mehr Be teiligung ernsthaft widersetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, über die Landesthemen hinaus wird es auch darauf ankommen, dass wir insbesondere dort, wo Demokratie direkt erlebt wird, wo sich die Menschen, wenn man so sagen will, „hautnah“ mit bestimmten Themen auseinandersetzen, das heißt also, auf der kommunalen Ebe ne, die bestehenden Instrumentarien der direkten Demokratie modifizieren, sie moderner und zeitgemäßer ausgestalten. Da hinken wir inzwischen anderen Bundesländern hinterher. Früher war Baden-Württemberg bei der direkten Demokratie auf der kommunalen Ebene Vorreiter. Ich finde, wir sollten mindestens aufholen, wir sollten aber auch, sofern dies an der einen oder anderen Stelle möglich ist, in diesem Bereich wie der eine Vorreiterrolle übernehmen.

Natürlich wird sich dies auch auf die Ebene der Landkreise auswirken müssen. Denn gerade dort werden Entscheidungen gefällt, die für die Menschen wichtig sind, an denen sie teil haben wollen. Krankenhausstrukturen, ÖPNV, Abfallverwer tung und Ähnliches: Ich weiß, das sind alles schwierige The menbereiche, die vielleicht auch schwierig zu handhaben sind; aber es sind auch Themenbereiche, die die Menschen interes sieren und bei denen sie sich direkt einbringen wollen.

Meine Damen und Herren, auch den Themenkatalog für Bür gerbegehren, für Bürgerentscheide auf der Gemeindeebene sollten wir auf den Prüfstand stellen. Da gibt es die eine oder andere Baustelle, meine ich, insbesondere wenn wir über The men wie Bauleitplanung, das heißt Infrastrukturprojekte auf kommunaler Ebene, reden. Auch bei all diesen Entscheidun gen sind wir, glaube ich, gut beraten, die Menschen möglichst frühzeitig mitzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ein letztes Wort zum Informationsfreiheitsgesetz, meine Da men und Herren, denn auch dies hat mit Bürgerteilhabe, mit

Transparenz öffentlicher Entscheidungen zu tun. Auch dieses Gesetz hat uns im Landtag schon beschäftigt. Ich kündige an: Es ist uns wichtig und muss uns wichtig sein, den Zugang zu öffentlichen Entscheidungen für die Bürger zu verbessern und noch transparenter zu gestalten. Wir werden die Evaluation des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes, die im kom menden Jahr stattfinden soll, abwarten und die Ergebnisse dann auf Landesebene in ein Informationsfreiheitsgesetz mün den lassen. Auch dies steht auf der Agenda der Themen, die wir im kommenden Jahr, spätestens aber, was dieses Thema anbelangt, 2013 angehen möchten.

Weil es angesprochen wurde – ich glaube, von Ihnen, Herr Dr. Scheffold –, weise ich noch darauf hin, dass derzeit eine Pro jektgruppe unter der Federführung von Frau Staatsrätin Erler an der Entwicklung eines Leitfadens für eine neue Planungs- und Beteiligungskultur arbeitet. Auch diesbezüglich werden wir im Frühjahr nächsten Jahres erste Eckpunkte und Ergeb nisse vorlegen können.

Herr Dr. Scheffold, eine Antwort noch auf Ihre Frage: Wie sieht es denn mit der Bürgerbeteiligung beim Planfeststellungs recht aus? Wie kann dort eine stärkere Berücksichtigung von Bürgerinteressen stattfinden? Sie haben richtigerweise gesagt – das hat auch niemand bestritten –, dass die vorherige Lan desregierung hier auf Bundesratsebene initiativ geworden ist. Fakt ist: Der Bundesrat arbeitet im Moment an einer entspre chenden Gesetzesvorlage. Daran beteiligen wir uns intensiv. Wir werden, denke ich, diesen Entwurf seitens des Bundes, des Bundesrats im Frühjahr vorliegen haben und dann auch bei uns im Parlament darüber diskutieren.

Sie sehen also, meine Damen und Herren: Es handelt sich um ein komplettes, ein großes Maßnahmenbündel, das wir ange hen wollen. Ich bitte Sie einfach: Gehen Sie diesen Weg mit. Lassen Sie uns inhaltlich diskutieren, auch an der einen oder anderen Stelle streiten, aber diesen Prozess auf jeden Fall kon struktiv begleiten, sodass wir im Jahr 2012 eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg bringen können und möglichst gemeinsam verabschieden können – hin zu mehr Demokra tie, zu einer lebendigen Demokratie auch in Baden-Württem berg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte unter Punkt 3 der Tagesordnung beendet.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf. Die Fraktionen sind übereingekommen, Punkt 4 der Tagesordnung zu ergänzen und wie folgt zu fassen:

a) Antrag der Fraktion der CDU – Einsetzung und Auftrag

des Untersuchungsausschusses „Aufarbeitung der Um stände um den Kaufvertrag vom 6. Dezember 2010, in welchem die Neckarpri GmbH 45,01 Prozent der Ak tien der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) er worben hat, und Aufarbeitung der Vorgehensweise der Landesregierung im Rahmen der Neuausrichtung der EnBW (EnBW-Untersuchungsausschuss)“ – Drucksa che 15/1015

b) Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der

SPD – Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema „Ankauf der EnBW-Anteile der Électricité de France (EdF) durch das Land Baden-Württemberg und seine Folgen (EnBW-Deal)“ – Drucksache 15/1018

c) Wahl der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglie

der, der/des Vorsitzenden und der/des stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses

Sie stimmen dieser Ergänzung von Punkt 4 der Tagesordnung zu. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben folgende Re dezeiten vereinbart: für die Begründung je fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Zunächst spricht zur Begründung des Antrags der Fraktion der CDU, Drucksache 15/1015, Herr Abg. Peter Hauk.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beraten und hierzu einen Be schluss fassen, haben wir seitens der CDU-Fraktion ein Ziel erreicht, nämlich keine weitere Verzögerungstaktik und keine politischen Spielchen seitens der Regierungsfraktionen mit zumachen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Die Reaktionen zeigen: Es hat getroffen!)

Meine Damen und Herren, seit Monaten läuft die Diskussion über die EnBW und den Aktienrückkauf. Die frühere Landes regierung hat vor ziemlich genau einem Jahr die Möglichkeit genutzt, die von der EdF gehaltenen Anteile an der EnBW zurückzukaufen. Seit dieser Entscheidung sind zwölf Monate vergangen. In diesen zwölf Monaten haben sich Rahmen bedingungen der Energieversorgung und Strukturen verän dert. Auch die Regierungsmehrheit hat sich verändert. Was sich nicht verändert hat, ist die Tatsache, dass die Energie Baden-Württemberg d e r Versorger unseres Landes ist und bleiben soll. Diesen dürfen wir im Interesse des Landes auch jetzt nicht im Stich lassen.

In den vergangenen Monaten hat die neue Regierung mit aller Kraft versucht, die EnBW in den Schlagzeilen zu halten, leider aber nicht in positivem Sinn, leider nicht – so, wie es ihre Pflicht wäre – mit Vorschlägen, wie man die EnBW beim Um stieg im Bereich der erneuerbaren Energien als Vorzeigeun ternehmen gestalten könnte.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)