Protocol of the Session on December 8, 2011

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Dazu gehört, dass Sie Ihr Ministerium entsprechend aufstel len. Frau Kollegin Razavi hat viel Richtiges gesagt. An einer Stelle möchte ich Ihnen aber widersprechen, Frau Kollegin Razavi. Sie haben vom Verkehrsminister verlangt, seine Taskforce dorthin zu schicken, wo sie herkommt.

(Zuruf von der CDU: Auf die Bäume!)

Das fände ich nicht so gut; denn wahrscheinlich müsste man sie von dort wieder wegtragen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Herr Minister, es stellt sich die Frage, inwieweit Sie in Ihrer Rolle als Verkehrsminister glaubwürdig sind, inwieweit Sie in Ihrer Rolle als derjenige glaubwürdig sind, der dieses Pro jekt umsetzt. Das Leitmotiv Ihres politischen Handelns – man kann fast sagen: das Leitmotiv Ihres politischen Lebens – war die Verhinderung von Stuttgart 21. Ausgerechnet Sie sollen jetzt derjenige sein, der dieses Projekt umsetzt. Meine Damen und Herren, wer Winfried Hermann auffordert, Stuttgart 21 zu bauen, der kann auch von Daniela Katzenberger verlangen, dass sie das Wort zum Sonntag spricht. Meine Damen und Herren, das passt nicht zusammen.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP und CDU – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Jetzt sind Sie unter dem Stamm tisch angekommen!)

Andere agierten durchaus glaubwürdiger, wenn sie sich poli tisch nicht durchsetzen konnten. Ich nenne beispielsweise den ehemaligen Bundesbankdirektor Stark, der sich bei der Euro päischen Zentralbank nicht mit seinen geldpolitischen Vor stellungen durchsetzen konnte. Er hat die logische Konse quenz gezogen und ist zurückgetreten.

Sie haben von Sachkunde gesprochen, die Sie einbringen. Of fensichtlich ist das Vertrauen der Sie tragenden Fraktionen da bei relativ gering. Sie haben gesagt, die Pläne zu den Fildern seien Murks. Die Antwort des Kollegen Schmiedel, der dazu befragt wurde, war aufschlussreich. Herr Kollege Schmiedel hat gesagt, er nehme an, Herr Hermann habe das vor der Volksabstimmung gesagt. Das heißt also, Ihre Sachkunde wird vom Kollegen Schmiedel so beurteilt, dass sie sich nach der Situation richtet. Das ist keine gute Voraussetzung, um sach kundig etwas zu bauen.

Dasselbe gilt für den letzten Auftritt des Kollegen Schmiedel vor der Volksabstimmung, als er uns gezeigt hat, was Sie, Herr Minister Hermann, gegenüber der „Bild“-Zeitung in der Wo che vor der Volksabstimmung bekannt gegeben haben. Sie ha ben die Befürchtung geäußert, wenn Stuttgart 21 gebaut wer de, dann gehe es so wie in Köln vonstatten. Dann könne pas sieren, dass Gebäude einbrächen und Menschen stürben.

Herr Minister Hermann, wenn Sie das so nicht gesagt haben und diese Befürchtung tatsächlich nicht hegen, dann stellt sich die Frage nach Ihrer Redlichkeit. Wenn Sie das aber tatsäch lich glauben, dann können Sie es doch nicht verantworten, dieses Projekt zu bauen. Dann können Sie doch nicht ein Pro jekt umsetzen, bei dem am Ende möglicherweise Menschen sterben. Können Sie das wirklich verantworten, oder haben

Sie das, was Sie gegenüber der „Bild“-Zeitung geäußert ha ben, erfunden, um in der Woche vor der Abstimmung Wahl kampf zu machen?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Bei 3 % kann man keinen Rücktritt mehr fordern!)

Ich möchte Sie bitten, zum Ende zu kommen.

An einer Stelle sind wir uns einig: Der Kostendeckel gilt. Es gibt keine zusätzliche Finanzierung durch das Land. Das hat der Landtag von Baden-Württemberg einstimmig so beschlos sen. Wir erwarten aber auch, dass Sie sich an der Einhaltung des Kostendeckels beteiligen. Denn es geht nicht an, dass man auf Zeit spielt und dass man dem Projekt Knüppel zwischen die Beine wirft in der Hoffnung, dass es teurer wird, um dann mit den erhöhten Kosten argumentieren zu können. Das wer den wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Kollege Schwarz.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich bin verwundert über manche Re den, die hier heute gehalten werden; denn meines Erachtens muss sich der Blick nach vorn richten. Heute ist der Tag, an dem der Blick nach vorn gehen muss.

Herr Kollege Schmiedel, Verkehrsminister Hermann und ich haben es ganz klar gesagt: Wir starten die Verkehrswende, die Verkehrsoffensive in Baden-Württemberg hin zu einem Mehr an Schienenverkehr.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Dazu gehört eine menschen- und umweltfreundliche Trassen führung bei der Rheintalbahn. Dazu gehört der zweigleisige Ausbau der Gäubahn. Hierbei stehen Sie im Wort. Ihre Kol leginnen und Kollegen haben Versprechen für das Jahr 2012 gemacht.

(Zuruf von der CDU: Jetzt nicht ablenken, Herr Kol lege!)

Aber auch die Elektrifizierung der Südbahn steht an. Ich ha be gesagt, dass wir vonseiten des Landes alles dafür tun wer den, damit diese Projekte zum Erfolg geführt werden. Sie ste hen aber auch im Wort, sich bei Ihren Kolleginnen und Kol legen in Berlin dafür starkzumachen, dass 2012 die Elektrifi zierung der Südbahn kommt.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Setzen, Sechs! Thema ver fehlt!)

Die Verkehrsoffensive, die wir einleiten, geht aber noch wei ter.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Stuttgart 21 gehört auch dazu, wird aber nicht erwähnt, Herr Kollege!)

Herr Kollege Zimmermann, Sie und die Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion haben damit geworben, dass weitere Projekte möglich werden, wenn Stuttgart 21 kommt. Ich nen

ne beispielsweise die Verlängerung der S-Bahn-Strecke in den Landkreis Göppingen. Lassen Sie uns daran arbeiten, dass wir die notwendigen Mittel für diese Projekte bekommen. Lassen Sie uns daran arbeiten!

(Zuruf von der CDU: Schön, dass Sie dabei sind!)

Da sind in erster Linie Sie in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Zweckbindung im GVFG erhalten bleibt und dass der Bund für den Ausbau des Schienennahverkehrs weiter die er forderlichen Mittel zur Verfügung stellt; denn nur dann kön nen die Projekte wie beispielsweise die S-Bahn nach Neuhau sen oder der Ringschluss ins Neckartal erfolgreich umgesetzt werden. Dafür setzen wir uns ein.

Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass die Bürgerbeteili gung ausgebaut wird. Herr Kollege Schmiedel hat gesagt, wir werden Ihnen ein Angebot unterbreiten. Ich hoffe sehr, dass Sie da mitmachen. Für Verweigerung gibt es, wenn wir nach vorn denken, keinerlei Anlass mehr.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Kein Wort zu Stuttgart 21!)

Mir liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet.

Ich rufe vor der Mittagspause noch Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Abschaffung und Kompensation der Studi engebühren und zur Änderung anderer Gesetze (Studien gebührenabschaffungsgesetz – StuGebAbschG) – Druck sache 15/902

Das Wort zur Begründung erteile ich Frau Ministerin There sia Bauer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie groß die Kreativität, die Innovationskraft, die Stärke unserer Gesellschaft ist, entscheidet sich an der Qua lität unserer Bildung und in besonderer Weise an der Qualität unserer Hochschulbildung. Aus unseren Hochschulen müssen Menschen hervorgehen, die neue Ideen, die Bereitschaft, Ver antwortung zu übernehmen, und den Willen, Probleme zu lö sen, mitbringen. Daher brauchen wir und brauchen die jungen Menschen umfassendes Wissen, Urteilskraft und Selbstbe wusstsein, um die Herausforderungen der Zukunft zu meis tern.

Dafür brauchen wir exzellente Hochschulbildung. Wir haben als Gesellschaft ein ureigenes Interesse daran, dass alle Talen te, auch die versteckten, dass alle Begabungen, auch wenn diese Menschen aus einer sogenannten bildungsfernen Fami lie kommen, und dass alle originellen Köpfe, auch wenn sie z. B. aus einer Familie mit Migrationshintergrund kommen, zur Entfaltung gelangen und dass all diejenigen ein Studium aufnehmen können, die dies wollen und die Voraussetzungen hierfür mitbringen.

Die Entscheidung für ein Hochschulstudium wollen wir er leichtern. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, es liegt im öffentlichen Interesse, dass Menschen, die dazu befähigt

sind, ein Studium ergreifen. Es ist eben nicht in erster Linie eine Frage der individuellen Risikoabschätzung oder eine Fra ge der individuellen Nutzenoptimierung, ob man sich ein Stu dium leisten kann oder will. Mehr Hochschulbildungsbeteili gung ist eine Frage des Gemeinwohls; dies liegt im öffentli chen Interesse.

Daher wollen wir seitens der Landesregierung alles dafür tun, bestehende Hürden abzubauen und zurückzunehmen. Deswe gen, meine Damen und Herren, schaffen wir in Baden-Würt temberg die allgemeinen Studiengebühren zum kommenden Sommersemester 2012 ab.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir setzen damit nach mehr als einem Jahrzehnt einen Schluss punkt unter ein Thema, das ein hochschulpolitisches Streitka pitel war. Es wurde in ganz Deutschland erbittert über die Fra ge der Studiengebühren gestritten, und wir gehen diesen Weg in Baden-Württemberg nun auch nicht allein. Die eingeführ ten Studiengebühren wurden auch in anderen Bundesländern wieder abgeschafft: in Hessen, im Saarland, in NordrheinWestfalen und auch in Hamburg.

Was wir aber – darauf lege ich besonderen Wert – anders ma chen als die anderen Bundesländer, ist: Wir stehen mit unse rem Anspruch, die allgemeinen Studiengebühren abzuschaf fen, mit aller Konsequenz dafür ein, dass die Abschaffung von Studiengebühren nicht auf Kosten der Qualität der Studien bedingungen gehen wird. Wir stehen dafür ein, dass wir die durch die Abschaffung entfallenen Einnahmen in vollem Um fang aus Landesmitteln kompensieren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die damit erzielte Qualitätssicherung für unsere staatlichen Hochschulen wird als Pro-Kopf-Beitrag berechnet. Damit zählt jeder Studierende an unseren staatlichen Hochschulen gleich. Die Mittel werden an die Hochschulen verteilt, und zwar nach dem Prinzip „Geld folgt Studierenden“. Das heißt, die Zahlungen steigen, wenn die Studierendenzahlen steigen, und sie sinken, sobald die Zahl der in Anspruch genommenen Studienplätze zurückgeht.

Diese dynamische Kompensation ist ein Signal an unsere Hochschulen, die in der Zeit, als die Studiengebühren einge führt wurden, merkwürdig zurückhaltend agierten. Ich habe unsere Hochschulvertretungen in den letzten Jahren in dieser Hinsicht oft sehr ambivalent erlebt, weil sie eigentlich die Ein führung von Studiengebühren nicht mitvertreten wollten, gleich zeitig aber darauf angewiesen waren, dass zusätzliche Mittel in die Grundfinanzierung der Lehre kamen, sodass sie in die ser Debatte sehr zurückhaltend agiert haben.

Jetzt bestand die Sorge darin, dass sie auf diese Mittel ver zichten müssten, auf die sie jedoch nicht verzichten können. Als die Studiengebühren vor Jahren eingeführt wurden, wa ren die Hochschulen buchstäblich ausgetrocknet. Sie hatten eine schwierige Phase hinter sich: Der erste Solidarpakt war ohne Mittelsteigerung für die Hochschullehre abgelaufen, der zweite Solidarpakt hatte bereits, ebenfalls ohne Mittelsteige rung für Studium und Lehre, begonnen. Daher richteten un sere Hochschulen mit großer Sorge den Blick darauf, welche Konsequenz es haben würde, wenn wir jetzt die Studienge bühren abschaffen.

Wir haben in letzter Zeit, auch im Anhörungsverfahren, für die Kombination aus dem Gerechtigkeitssignal, das wir an die jungen Menschen, an die Studierenden und an die Familien senden, und der Zusage an die Hochschulen, dass wir sie nicht alleinlassen und dafür sorgen, auch in Zukunft gute Bedin gungen für die Lehre sicherzustellen, fast ausschließlich po sitive Reaktionen erhalten.