Protocol of the Session on November 23, 2011

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal komme ich zu dem romantischen Bild mit den schönen blühenden Wiesen, das Sie, Kollege Hahn, ge zeichnet haben. Da muss man, meine ich, ein bisschen diffe renzierter diskutieren; das werden wir heute Nachmittag im Agrarausschuss sicherlich auch tun können.

Aufschlussreich wäre es auch, zu erfahren, wie oft im Jahr Sie mähen. So, wie ich Sie als Agrarökonom und erfolgreichen Landwirt einschätze, werden Sie nicht warten, bis die Blumen ausgesamt haben. Aber erst dann wäre man in einem Bereich,

bei dem man in ökologischer Hinsicht tatsächlich von Grün land im weitesten Sinn sprechen könnte.

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Meine Damen und Herren, am 1. Juli 2011 habe ich eine Pres semitteilung zu den Vorgängen veröffentlichen lassen. Mich hat es überrascht und, Herr Minister, auch maßlos geärgert, dass man per E-Mail so ganz nebenbei die Parlamentarier, sprich die Mitglieder des Agrarausschusses, über das infor miert, was man vorhat – nämlich, ein Umbruchverbot, das rückwirkend gilt, zunächst am Parlament vorbei zu installie ren. Ich habe eine andere Vorstellung von Zusammenarbeit und Information sowie von parlamentarischen Gepflogenhei ten. Gerade Sie als langjährigen Bundestagsabgeordneten hät te ich sehen wollen, wenn Ihnen das so über den Weg gekom men wäre. Meine Damen und Herren, so geht man nicht mit einander um.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Wir sollten uns bei der ganzen Diskussion auch einmal die Zahlen anschauen. Die Stellungnahme der Landesregierung zum Antrag Drucksache 15/323 (geänderte Fassung) zeigt, wo dieses Problem besonders groß ist, was den Umbruch angeht. Wir sehen da die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Nord rhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit einem Rückgang des Dauergrünlandanteils an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche seit 2003 um 6 %, um 5 % und 4,5 %. In Baden-Würt temberg sind es 1,8 %. Man muss auch hier differenzieren: Umbruch, Verlust von Grünland ist nicht nur Umbruch in Ackerland, sondern das ist auch Verwendung der Fläche für andere Dinge.

Meine Damen und Herren, wir haben es jetzt grundsätzlich mit einem Wechsel zu tun. Sie hören heraus: Ich bin gegen diese Art und Weise der Lösung. Das ist völlig klar.

Was das EEG angeht – da machen wir uns gar nichts vor –, müssen wir in vielen Punkten Änderungen zugunsten von Ökonomie und Ökologie sowie hinsichtlich der Nachhaltig keit vornehmen. Das ist auch im Interesse der Veredelungs wirtschaft in Baden-Württemberg wichtig, und zwar gerade deshalb, weil niemand auf seiner Fläche in Konkurrenz zum Energieeinspeisegesetz Rohstoffe produzieren kann – schon gar nicht die Veredelungsbetriebe. Da muss ganz klipp und klar eine Änderung vorgenommen werden. Da sind der Bund und die Länder gefordert.

Meine Damen und Herren, zurück zu diesem Paradigmen wechsel, den wir hier haben. Bisher hat man für Einschrän kungen beim Eigentum über das hinaus, was die gute Praxis eigentlich vorschreibt, eine Entschädigung bekommen. Das heißt, Sie greifen mit diesem Gesetz ganz klar in die unter nehmerische Entscheidungsmöglichkeit, ins Eigentum ein – und zwar ohne Entschädigung. Bisher sind wir aber doch ganz gut gefahren.

Baden-Württemberg ist nach Hessen das Land mit dem höchs ten Grünlandanteil. Der badische Landesteil hat über 50 % Grünlandanteil. Deshalb kann die Situation nicht so schlimm sein, dass man meint, mit dieser Art und Weise, wie man hier vorgeht, den Landwirten, den praktizierenden Bauern vor

schreiben zu müssen, was sie zu tun haben. Ich will unterneh merische Freiheit. Der Landwirt, der langfristig denkt, weil er von seiner Arbeit langfristig leben will, wird so, wie es hier teilweise dargestellt worden ist, nicht vorgehen – Einzelfälle ausgenommen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bin deshalb auch der Auffas sung, dass wir bisher mit dem MEKA, mit der SchALVO und mit anderem Vorreiter waren. Das, was man jetzt auf Schwä bisch „Greening“ nennt, ist etwas, bei dem auch die EU end lich kapiert hat, dass man damit in Baden-Württemberg rich tig liegt. Diese Linie müssen wir weiter fahren und dürfen nicht Verbote aussprechen und nicht in die einzelnen Betriebs leiterentscheidungen hineinregieren. Mit einem Umbruchver bot können wir, glaube ich, unsere Landwirtschaft, unsere bäuerliche Landwirtschaft nicht erhalten.

Ich finde, es ist wichtig, dass wir heute Nachmittag im Agrar ausschuss auch noch einmal die Details und die Ausnahmen ansprechen.

Jetzt vielleicht noch ein Wort zum Thema Christbäume. Ich bin der Auffassung, dass es keinen Sinn machen kann, dass über 70 % der Christbäume von außerhalb Baden-Württem bergs, vor allem aus Dänemark, kommen. Sie müssen sich einmal ansehen, wie dort produziert wird, meine Damen und Herren.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wie dort die Ökobilanz aussieht!)

Dort wird auf Teufel komm raus gedüngt, da werden auf Teu fel komm raus Spritzmittel eingesetzt.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die Bäume wer den dann mit Lkws transportiert!)

Hier in Baden-Württemberg dagegen werden zeitlich begrenzt Christbaumkulturen produziert, bei denen das in Ordnung ist.

(Unruhe)

Deshalb sage ich, meine Damen und Herren: Wenn das die Zukunft der Land- und Forstwirtschaft ist, dass wir auf 10 % der Flächen der staatlichen und der öffentlichen Wälder in Ba den-Württemberg Totholz haben, wenn wir Christbäume nicht mehr nachhaltig produzieren können, wenn wir das zulassen, dann wird Ökologie völlig falsch verstanden.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Dem vorliegenden Gesetzentwurf werden wir so, wie er jetzt eingebracht worden ist, keinesfalls zustimmen. Der Gesetz entwurf bedeutet nämlich nichts anderes als eine einseitige Kürzung zulasten der Landwirtschaft. Die Fraktion der FDP/ DVP wird dem Gesetzentwurf nicht zustimmen; denn das Vor haben ist untauglich, kontraproduktiv, ideologisch gefärbt, nicht begründet und vor allem für unsere gut wirtschaftenden Landwirtschaftsbetriebe diskriminierend.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abg. Locherer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir noch Redezeit haben. Ich möchte sie gern nutzen, um doch noch auf ein paar Äußerungen hier im Parlament einzugehen.

Sehr geehrter Herr Minister Bonde, Bodenschutz ja, Klima schutz ja, Artenschutz ja, Wasserschutz ja. Aber, bitte schön, mit den Bauern und nicht gegen die Bauern!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Dieser Gesetzentwurf, den Sie hier vorlegen, ist etwas ganz anderes als das, was auch der Ministerpräsident in seiner Re gierungserklärung propagiert hat, nämlich dass man die Din ge mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt. Hier machen Sie es gerade andersherum – wie es Herr Kollege Rombach auch schon thematisiert hat.

Es war ein absoluter Schnellschuss, den Sie im Juni/Juli die ses Jahres gemacht haben. Der Gesetzentwurf zeigt eine pra xisferne Landwirtschaftspolitik. Nicht von ungefähr wurde Ihnen deshalb auch in der „Schwäbischen Zeitung“ vom 28. Oktober 2011 bestätigt: Die Bauern sind sauer. Das sage ich ganz deutlich, und das gebe ich auch gern hier im Parla ment zu Gehör. Die Bauern sind sauer auf Minister Bonde und auf dieses Gesetz. Dieses Gesetz ist nicht in Ordnung.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Mit Recht! – Zuruf von der CDU: Die Bauern sind sauer!)

Die sind mit vollem Recht sauer.

Der Gesetzentwurf ist eine Bevormundung. Ja, er ist sogar ei ne Entmündigung des Bauernstands. Die Bauern wissen näm lich selbst, wie gute fachliche Praxis funktioniert und wie sie mit entsprechenden Produktionstechniken und mit ihrem Kön nen auf ihren Höfen und in ihren Betrieben vorwärtskommen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie verlassen damit auch den von Gerhard Weiser in diesem Land vorbildlich eingeführten Grundsatz des Forderns – fordern für Klimaschutz – und des entsprechenden Förderns. Sie müssen mit den Bauern im Kon sens und im Gespräch schauen – so, wie wir das auch schon gemacht haben –, dass Sie dann entsprechende Ausgleiche und Anreize geben. Nur so funktioniert es.

Übrigens – ich spreche jetzt auch einmal Herrn Minister Her mann, der jetzt nicht mehr hier ist, und die CO2-Bilanz des In dividualverkehrs an –: Ich traue Minister Hermann einiges zu, aber nicht einmal er ist auf die Idee gekommen, wegen der CO2-Bilanz des Autoverkehrs diesen rückwirkend ab 1. Juli 2011 zu verbieten. Aber Sie machen so etwas. Das will etwas heißen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf)

Doch, das machen Sie. Da müssen Sie anders vorgehen.

Lassen Sie mich jetzt ganz konkret Beispiele aus der Praxis nennen. Ich habe das in den letzten Tagen auch mit Herrn Kol

legen Hahn diskutiert. Er kann mir da auch nicht widerspre chen.

(Zuruf des Abg. Martin Hahn GRÜNE)

Zunächst einmal ist der regelmäßige Umbruch von Grünland notwendig, um letztlich auch leistungsfähiges Grünland – ja, Kollege Winkler – für die pflanzliche Eiweißerzeugung zu ha ben: Eiweißerzeugung auf der heimischen Scholle, nicht Ei weißpflanzen aus Übersee. Denn da möchte ich einmal die CO2-Bilanz sehen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Bravo!)

Zweitens: Fruchtwechselwirtschaft. Meine Damen und Her ren, ich weiß nicht, ob Sie schon einmal etwas von Frucht wechselwirtschaft gehört haben.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das lernt man schon in der Grundschule!)

Gerade im Oberland und im Allgäu, in Oberschwaben, im Bo denseeraum ist sie von größter Bedeutung.

(Abg. Alfred Winkler SPD meldet sich. – Glocke der Präsidentin)

Kollege Winkler, nachher, am Schluss.

Kollege Ulrich Müller hat dies deutlich und richtig ausgeführt und auch auf den Strukturwandel im Bodenseeraum hinge wiesen, wo die Kuhhaltung und die Milchwirtschaft aufgege ben werden – das geschieht nicht aus Lust und Tollerei, son dern weil es notwendig ist und die Bewirtschaftung auf den Obstbau umgestellt werden soll – und dies dann nicht mehr umgesetzt werden kann. Das müssen wir uns in der Praxis auch einmal genau anschauen.