Ja, Herr Kollege Drexler, dafür gibt es genügend Beispiele. Da gibt es z. B. die Ankündigung, wir müssten in BadenWürttemberg weniger Autos bauen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der war aber länger Re gierungschef! – Gegenruf von der CDU: Er war auch nicht von den Grünen!)
Sie müssen die Diskussion dann gegebenenfalls mit den Kol legen von der CDU führen, wenn Sie den Eindruck haben, man würde Adenauer damit zu nahe treten. – Er war lange Re gierungschef, ja, und er kam ebenfalls erst in späteren Jahren ins Amt – das ist sicher richtig –,
Wir möchten gern wissen, ob der Ministerpräsident und die ihn tragenden Fraktionen zu dem stehen, was in Zeiten der Opposition angekündigt wurde, oder ob Adenauers Äußerung gilt: „Was interessiert mich mein dummes Geschwätz von ges tern? Jetzt regiere ich, jetzt will ich das nicht mehr wissen.“
Wir wollen wissen, ob Sie bereit sind, die Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung in der Verfassung zu verankern, damit sie dann auch wirklich wirken kann.
Herr Kollege Dr. Rülke, Sie haben Adenauer zitiert, ohne mich um Erlaubnis zu fragen. Das wä re nicht das Problem. Aber ich lege dann schon Wert darauf, dass Sie ihn richtig zitieren.
Er hat gesagt: „Wat jeht mich mein Jeschwätz von jestern an?“ Das Wort „dumm“ findet sich in dieser Äußerung nicht. Dar auf lege ich Wert.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was das betrifft, ha ben Sie eine höhere Kompetenz als ich! – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Habe ich doch recht gehabt, dass er es so nicht gesagt hat! – Zuruf von den Grünen: Wir kennen den Konni halt anders!)
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die These, dass eher ein Schäferhund einen Wurstvorrat anlegt als dass ein Politiker mit dem Spa ren beginnt, ist nur schwer zu widerlegen.
Das habe ich gesagt. Das ist nicht von Adenauer. – Wenn ich mit meiner Rede fertig bin, sind die Schulden in BadenWürttemberg um 11 000 € gestiegen. Die Schulden steigen so schnell, wie sich das Glas des Ministerpräsidenten im „Film chen“ zur Volksabstimmung mit Apfelschorle füllt. Gut, das mag vielleicht am philosophischen Dialog liegen.
Früher war das anders. Bis 1969 orientierte sich das Staats schuldenrecht an Artikel 87 der Weimarer Reichsverfassung. Es war nur in Ausnahmefällen erlaubt, Schulden aufzuneh men. Mit der großen Finanzreform 1969 wurde bei der Auf nahme von Schulden die Investitionsbindung eingeführt. Das Argument damals war, dass den Schulden dann auch Sach werte gegenüberstünden. Damit wurden Kredite ein reguläres Finanzinstrument. Das war die Geburtsstunde des Schulden staats.
Im Jahr 1973 betrug der Schuldenstand in Deutschland ge messen am Bruttosozialprodukt 18,3 %. Mittlerweile beträgt die Schuldenquote 82,3 %. Die Gründe für den Anstieg sind vielfältig. Aber offensichtlich war die Solidität der öffentli chen Finanzen nie ein Primat der Politik. Da der Finanzmi nister und der Ministerpräsident jetzt nicht anwesend sind, scheint ihr Interesse an diesem Thema nicht sehr hoch zu sein.
Die gewünschten Ausgaben waren immer größer als die Ein nahmen. Jeder politische Wunschzettel mutierte zu einem Be stellzettel. Die Finanzierung war nebensächlich.
Zwar hat sich unser Wohlstand seit den Siebzigerjahren etwa verzehnfacht, aber im gleichen Zeitraum sind die Schulden der öffentlichen Haushalte um das 26-Fache gestiegen und so mit explodiert. Wir konnten weder durch die Beschränkung nach Artikel 115 des Grundgesetzes noch durch die im Ver trag von Maastricht festgelegten Kriterien den Schuldenan stieg verhindern. Über 40 Jahre lang und über alle Konjunk turzyklen hinweg hatten wir in der Bundesrepublik Deutsch land keine Haushalte, die ohne Aufnahme von Schulden aus geglichen werden konnten. Eine Ausnahme bildete das Jahr 2000: Damals hat der Bund durch die Versteigerung von Te lekommunikationsfrequenzen 50 Milliarden € einnehmen kön nen.
Schulden, Schulden, Schulden – das gilt für die Nationalstaa ten in Europa und ebenso für die deutschen Bundesländer. Die Krise des Euro hat ihren Ursprung in der Verschuldung der Staaten der Eurozone, die sich nicht an den Stabilitätspakt hal ten. Der EU-Ministerrat steuerte nicht energisch dagegen. Es darf nicht sein, dass Schuldensünder weder haften müssen noch Eigenverantwortung tragen.
Auch der Bund liegt seit 2003 jedes Jahr über der festgeleg ten Höchstverschuldungsgrenze von 60 % des Bruttoinlands produkts und verletzt damit die Maastricht-Kriterien. Wenn Deutschland jetzt eine Stabilitätskultur in Europa durchsetzen will, müssen wir zunächst unsere eigenen Hausaufgaben er ledigen.
Neben dem Bund tragen die Länder erheblich zur Gesamtver schuldung bei. Bis Ende 2010 standen die Länder bei ihren Gläubigern mit fast 600 Milliarden € in der Kreide. Das ist ein Zuwachs um 66 % gegenüber 2001. Die Zinslast wird im mer erdrückender. Den Ländern fehlt die Kraft, dringende In vestitionsaufgaben zu bewältigen.
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Jetzt kommen wir da rauf zu sprechen! – Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)
In Baden-Württemberg konnte die CDU-geführte Regierung 2008 und 2009 die Nullneuverschuldung erreichen und Rück lagen aufbauen.
Die Schulden waren notwendig, weil die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise unsere exportorientierte Konjunktur ab zuwürgen drohte.
Die Steuereinnahmen des Landes sprudelten in diesem Jahr. Nach einer aktuellen Auswertung durch das Statistische Lan desamt haben wir im ersten Halbjahr 2011 rund 13,4 Milliar den € Steuern eingenommen. Das sind im Vergleich zum Vor jahreszeitraum 1,4 Milliarden € und damit fast 12 % mehr.
Aber das Schuldengespenst ist nicht zu vertreiben. Der Ver fassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 15. März 2011 den Nachtragshaushalt in Nord rhein-Westfalen für verfassungswidrig erklärt, weil der Ge setzgeber nicht begründete, warum die erhöhte Kreditaufnah me nötig sei, um die angenommene Störung des gesamtwirt schaftlichen Gleichgewichts abzuwehren.
Auch hier im Land hat der vorgelegte Nachtragshaushalt die Schuldenbegrenzungsregel nach § 18 der Landeshaushalts
Die Pro-Kopf-Verschuldung wird durch den demografischen Wandel und den Bevölkerungsrückgang weiter steigen.
Selbst wenn es heute gelänge, keine neuen Schulden aufzu nehmen, steigt aufgrund des Bevölkerungsrückgangs nomi nal die Pro-Kopf-Verschuldung. Immer weniger Erwerbstäti ge werden die Staatsverschuldung schultern müssen. 2060 wird die Bevölkerung in Deutschland auf 65 bis 70 Millionen Bundesbürger geschrumpft sein. Das ist ein Rückgang um 20 % gegenüber dem Status quo.
Mittlerweile verstoßen sämtliche EU-Staaten gegen die Vor gaben des Stabilitätspakts. Jährliche Defizite von 10 % sind schon fast normal. Der IWF schätzt, dass die durchschnittli che Schuldenquote der Industrieländer im Jahr 2014 bei 114 % des jährlich erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukts liegen wird. Die fiskalpolitischen Ampeln stehen auf Rot. Doch der Rotlichtverstoß ist ein Kavaliersdelikt, das keine Sanktionen zur Folge hat.
Jenseits der Grenze von 90 % Staatsschulden relativ zum Brut toinlandsprodukt liegt die Schuldensättigung. Dann folgen ei ne lang anhaltende Abwärtsbewegung des Wirtschaftswachs tums und eine Erhöhung der Risikoprämien für Staatsanlei hen. Das Korsett der politischen Gestaltungsräume schnürt sich immer enger. Werden dann weitere fiskalpolitische Fehl entscheidungen getroffen, ist der Staatsbankrott unvermeid bar.
Griechenland hat mit einer Schuldenquote von 143 % diesen Punkt erreicht. Zu den Folgen kann man heute keine Aussa gen treffen; denn sie sind nicht abzuschätzen.
Nachhaltige Finanzpolitik muss generationengerecht sein. Nachhaltige Finanzpolitik bedeutet, dass sich der Staat pro Jahr nicht mehr verschulden darf, als er an Wirtschaftswachs tum generiert