Protocol of the Session on November 10, 2011

Natürlich wurde zur Broschüre im Vorfeld eine Abstimmung zwischen den Ressorts vorgenommen. Da ist es ganz normal, dass man sich, was Stellungnahmen, Einwendungen oder Be denken betrifft, austauscht. Das ist bei jedem Gesetz so, das ist bei jedem Projekt so. Das hätten Sie einmal beim EnBWDeal machen müssen.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr gut!)

Da wäre Ihnen vielleicht das eine oder andere erspart geblie ben.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Sehr juristisch!)

Ich komme noch darauf.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ist das ein Ver sprechen oder eine Drohung, Herr Stickelberger?)

Sie haben vorhin in den Raum gestellt, wir würden gegen die Verfassung verstoßen. Sie haben gegen die Verfassung versto ßen, und alle, die Sie hier sitzen, haben dieses Thema in Ih ren Fraktionen durchgewinkt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine wei tere Zwischenfrage der Frau Kollegin Razavi?

Ich habe ja die erste Frage noch gar nicht beantwortet.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zim mermann CDU: Wenn man mit angezogener Hand bremse fährt, dauert es länger!)

Ihre erneute Bekundung einer Zwischenfrage verleitet mich nun natürlich zu der Vermutung, dass es Ihnen gar nicht auf Antworten ankommt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Sie kündigen Antworten an, aber Sie geben keine! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ein bisschen Inhalt darf auch noch sein! – Un ruhe)

In der Broschüre werden – darüber ist hier auch schon breit diskutiert worden – die gegensätzlichen Positionen eindeutig beschrieben und mit Argumenten unterlegt. Diese Einschät zungen kann man teilen; man muss sie nicht teilen. Sie sind gegensätzlich. Das legt die Broschüre offen.

(Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Genau!)

Die Broschüre ist so angelegt. Die dort genannten Kostenbe träge entsprechen der Einschätzung der jeweiligen Seite. Die se Einschätzungen beruhen auf den unterschiedlichen Auffas

sungen in der Koalition zu Stuttgart 21 und finden dement sprechend fairerweise und offen ihren Niederschlag in der Broschüre, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Genau! – Abg. Vol ker Schebesta CDU: Sind sie rechtlich unproblema tisch?)

Deshalb halte ich auch die Kritik, die jetzt geäußert wird, für nicht sachgerecht. Jede Seite legt ihre Argumente dar und kommt naturgemäß im Rahmen der Gesamtbeurteilung des Projekts auch zu unterschiedlichen rechtlichen Einschätzun gen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Hatten Sie gegen die Angabe von 350 Millionen € rechtliche Bedenken? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Was heißt „naturge mäß“? Können Sie mir das erklären? – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Kollegen Hauk?

Ja, bitte schön.

Herr Minister, trifft es zu, dass Ihr Haus oder gar Sie selbst, wenn Sie schon keine faktischen Pro bleme mit den Zahlen hatten, dann aber rechtliche Bedenken hatten? Wenn ja: Warum hatten Sie diese rechtlichen Beden ken, und weshalb sind sie unter Umständen ausgeräumt?

Jetzt sprechen Sie na türlich die Schriftstücke an, über die in der Presse diskutiert wurde und die aus Briefwechseln zwischen Innenministeri um, Justizministerium, Staatsministerium und Verkehrsminis terium stammen. Das ist der übliche Weg, wie man sich im Vorfeld der Entscheidung über einen Gesetzentwurf, ein Pro jekt oder eben eine Broschüre austauscht. Da wurden dann Bedenken ausgeräumt.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ausgeräumt? – Abg. Volker Schebesta CDU: Wie?)

Das Ergebnis – salopp formuliert: was dann am Ende heraus gekommen ist – ist zwischen den Häusern abgestimmt, und das trage ich mit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich möchte aber doch zu dem Kernthema, das auch Herr Mül ler angesprochen hat, noch etwas ausführen, nämlich zum Thema „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ und zu § 60 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes zu öffentlich-rechtli chen Verträgen.

Ich fange einmal bei Ihnen an, Herr Dr. Goll. Sie haben zu Recht § 60 erwähnt, aber § 60 gibt – lesen Sie ihn einmal ge nau – dem Staat, hier dem Land, eben andere Rechte zur Kün digung, andere Rechte, sich von einem Vertrag lösen zu kön nen, als das Vertragsrecht nach dem BGB. Das verkennen auch Sie, Herr Müller, glaube ich, noch. Ein Kollege aus Ih rer Fraktion hat in einer Kleinen Anfrage, die wir dann sehr umfangreich beantwortet haben, sogar nach der reichsgericht lichen Rechtsprechung zum Thema „Wegfall der Geschäfts

grundlage“ gefragt. Daher rührt natürlich dieses Thema. Aber wir sind inzwischen schon etwas weiter.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf von der CDU: Ganz sachlich!)

Das Landesverwaltungsverfahrensgesetz ist nicht abdingbar. Das heißt, es gilt für öffentliche Verträge, und das öffentlichrechtlich normierte Kündigungsrecht kann nicht via privat rechtlichem oder sonstigem Vertrag ausgeschlossen, abbedun gen werden. Das geht nicht. Es besteht vielmehr eo ipso.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Herrn Abg. Köberle?

Bitte schön, ja.

Herr Minister, entscheidend für die Wählerinnen und Wähler am 27. November ist ja nicht nur, ob sie die Frage, die ihnen vorgelegt wird, verstehen, son dern genauso wichtig und interessant ist für sie auch die Fra ge: Was geschieht, wenn ich mit Ja stimme, und was ge schieht, wenn ich mit Nein stimme? Was ist also die Folge meiner Abstimmung?

Jetzt stützen sich vor allem die Gegner auf das Vorliegen von Kündigungsrechten aufgrund von vermuteten Kostensteige rungen. Aber das sind bisher nur Vermutungen. Die Zukunft wird zeigen, was das Projekt ganz konkret kostet.

Meine Frage: Ist nicht die Voraussetzung dafür, dass Kosten steigerungen überhaupt festgestellt werden können, also der Bauherr eine Rechnung über höhere Kosten an das Land schickt, dass auf jeden Fall weitergebaut wird? Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass nur aufgrund von Vermutungen bezüglich der Kostensteigerung ein Kündigungsrecht entsteht. Man kann allenfalls darüber diskutieren, ob dann eines ent stehen könnte, wenn tatsächlich höhere Kosten als vereinbart in konkreter Rechnung auf die Landesregierung zukommen.

Muss also nicht auf jeden Fall – egal, ob mehrheitlich mit Ja oder mit Nein gestimmt wird und ob das Quorum erreicht oder verfehlt wird – weitergebaut werden, damit dieser denkbare Fall als Voraussetzung für eine Kündigung überhaupt eintre ten kann?

Über die Frage, ob, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt Kündigungs gründe vorliegen, ist schon in der Debatte zum Kündigungs gesetz selbst ausführlich diskutiert worden.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber nicht beantwortet!)

Kollege Schwarz hat sich vorhin noch einmal die Mühe ge macht, diese Frage im Einzelnen zu beantworten. Er hat die einzelnen möglichen Kündigungsgründe aufgeführt, die in der Tat – so, wie das Gesetz formuliert ist – erst entstehen kön nen.

Ein Kündigungsgrund – da greife ich das auf, was auch Kol lege Dr. Goll angesprochen hat – ist natürlich das Ergebnis ei ner Volksabstimmung. Sie haben das etwas in Zweifel gezo

gen; Sie haben es sozusagen rechtstechnisch etwas kleingere det. Wir haben namhafte Gutachter befragt. Diese haben uns den Weg aufgezeigt, dass durch eine geänderte Willensbildung im Volk, durch die – manifestiert durch einen Volksentscheid – ein Beschluss des Landtags ersetzt wird, sehr wohl ein Kün digungsgrund entstehen kann. Das haben wir mehrfach dar gestellt; das geht auch aus dem Gesetz hervor.

(Beifall bei den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Da gibt es eigentlich auch nichts Neues.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Kollegen Mack?

Ja. Danach machen wir allmählich weiter.

Herr Minister, Sie haben gerade Gutachten genannt und daraus zitiert. Beziehen sich diese Gutachten nur auf den Fall, dass bei dieser Volksabstimmung das Quorum erreicht wird, oder beziehen sich diese Gutach ten auch auf den Fall, dass das Quorum nicht erreicht wird, aber eine einfache Mehrheit an Jastimmen zustande kommt?

(Unruhe)

Ich gehe einmal da von aus, Herr Kollege Mack – Sie sind ein von mir sehr ge schätzter Kollege –, dass Sie dieses Gutachten kennen. Es wurde von Ihnen immer in Zweifel gezogen. Also gehe ich davon aus, dass Sie es zumindest gelesen haben. Dieses Gut achten bewegt sich haarscharf entlang Artikel 60 unserer Ver fassung mit den dort vorgesehenen Regelungen.