Zu den Beispielen für ein besonderes Engagement des Lan des zählt die Unterstützung der Stiftung Auschwitz-Birkenau, zu der sich die Landesregierung selbstverständlich gemein sam mit Bund und Ländern bekennt. Wir stehen in der Ver antwortung, die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, die welt weit als d a s Symbol für den Holocaust steht, als Mahn mal der europäischen Geschichte zu erhalten. Bund und Län der haben dazu im Jahr 2010 mit der Stiftung Auschwitz-Bir kenau eine Vereinbarung über eine Zustiftung von insgesamt 60 Millionen € beschlossen. Bund und Länder bringen, ver teilt auf fünf Jahre, je die Hälfte davon auf. Baden-Württem berg beteiligt sich mit jährlich 770 000 € aus dem Haushalt des Staatsministeriums.
Ich habe mich entschieden, mich persönlich eines besonders komplexen Themas anzunehmen, das in der öffentlichen Wahr nehmung unseres Landes noch mehr Beachtung verdient, nämlich der Deportation badischer Juden ins südfranzösische Gurs am 22. Oktober 1940. Die Deportation von über 6 000 Menschen wurde von den NS-Gauleitern Badens und der Saarpfalz angeordnet, die sich damit gegenüber dem Regime in Berlin als besonders eifrig erweisen wollten. Es lag näm lich noch kein entsprechender Reichsbefehl vor. Dass es kaum bürgerschaftlichen Widerstand gegen die Deportation der ba dischen Juden gab, wurde in Berlin als furchtbare Ermutigung zu reichsweiten Deportationen aufgefasst. Im Lager Gurs selbst und in vielen Außenstellen starben über 1 000 Men schen an Hunger und Krankheit. Neben dem zentralen Grä berfeld finden sich in der ganzen Region Gräber einzeln und in kleinen Gruppen.
Ein Großteil der Überlebenden wurde ab 1943 in Vernich tungslager deportiert. Nur wenige, wie z. B. Hannah Arendt, konnten rechtzeitig entkommen.
Wer ist nun für das Gedenken und die Pflege der Gräber zu ständig? Die heutige Republik Frankreich versteht sich selbst verständlich nicht als Rechtsnachfolgerin des Vichy-Regimes, das das Lager betrieb.
Die Kriegsgräberabkommen der Bundesrepublik Deutschland beziehen sich allein auf deutsche Soldaten, was zu der be klemmenden Situation führt, dass derzeit die Gräber deutscher Soldaten rechtlich geschützt werden und mit viel Engagement und Geldmitteln zu Recht gepflegt werden, dass die zum Teil daneben liegenden Gräber vieler deutscher deportierter Juden jedoch nicht gepflegt werden können.
Seit 1963 engagieren sich Kommunen unter dem Vorsitz der Stadt Karlsruhe gemeinsam mit der Israelitischen Religions gemeinschaft Baden für das Gedenken und für Schutz und
Pflege des Gräberfelds in Gurs. Viel wurde erreicht, und doch fehlt es an personellen und finanziellen Mitteln. Viele ver streute Gräber jüdischer Opfer wurden inzwischen aufgelöst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier sehe ich eine Verantwortung des Landes, und zwar des ganzen Landes. Die Deportierten waren unsere Bürgerinnen und Bürger, und der Befehl zur Deportation kam aus südwestdeutschen Hauptstäd ten. Aus meiner Sicht ist es selbstverständlich, dass wir das Engagement der Kommunen und der Israelitischen Religions gemeinschaft Baden anerkennen. Hier sollten wir noch im Jahr 2012 eine angemessene, würdige und von allen Fraktio nen des Landtags gemeinsam getragene Lösung finden.
Wenn Gedenkarbeit das Übernehmen von Verantwortung be deutet, dann sind wir hier gefordert, und wir werden uns dar über in Kürze unterhalten.
Der heutige Tag, der 9. November – auch das wurde schon er wähnt –, steht für die Höhen und für die Tiefen der deutschen Geschichte. An einem 9. November wurde die Weimarer Re publik ausgerufen, an einem 9. November brannten in der Reichspogromnacht die Synagogen in ganz Deutschland, und an einem 9. November fiel die Berliner Mauer.
Dass wir heute in einer Demokratie leben dürfen und gemein sam mit den jüdischen Gemeinden an die Opfer des NS-Re gimes erinnern können, hat wesentlich auch mit dem Engage ment für die Geschichte zu tun. Die Pflege von Gedenkstät ten und einer lebendigen Erinnerung an die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft war und ist die Vor aussetzung dafür, dass wir als Gesellschaft zu uns selbst wie der etwas Vertrauen fassen konnten und dass auch unsere Nachbarn und unsere Freunde uns wieder vertrauen.
Deshalb möchte ich noch einmal mit einem ausdrücklichen Dank an all diejenigen im Land schließen, die sich für das Ge denken engagiert haben und weiter engagieren. Sie haben sich nicht nur um den oft schmerzhaften Blick auf unsere Vergan genheit verdient gemacht, sondern damit auch unsere Zukunft in einem friedlichen, freiheitlichen und vielfältigen Land er möglicht. Sie haben gezeigt, dass Erinnerung nicht nur die äl tere Generation betrifft, sondern gerade auch Jüngeren viel vermittelt und sie vor allzu einfachen Antworten schützen kann.
Für dieses im besten Sinne bürgerschaftliche Engagement möchte ich seitens der Landesregierung – und ich denke, ich spreche auch im Namen aller Fraktionen – zum Schluss der Debatte allen noch einmal ganz persönlich und ganz herzlich danken.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/354. Der Antrag ist ein reiner Be richtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stim men zu.
Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Verkehr und Infrastruktur – Chancen ei nes Ausbaus von Neckarschleusen – Drucksache 15/570
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Re dezeiten gelten.
Nach diesem wichtigen Thema ist es jetzt ein bisschen schwierig, zur Alltagspolitik und zur Ver kehrspolitik zurückzufinden. Aber ich versuche es trotzdem.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Baden-Württemberg braucht eine funktionieren de Infrastruktur. Allein der Güterverkehr im Land wird bis zum Jahr 2025 um 35 % zunehmen, und die Transportleistung wird um ca. 69 % steigen. Wer also will, dass unser Wirt schaftsstandort stark bleibt, muss dafür sorgen, dass unsere Verkehrsträger leistungsfähig sind.
Die Binnenschifffahrt ist für den Transport von Gütern in Ba den-Württemberg und besonders für die Wirtschaftsräume Stuttgart und Heilbronn von großer Bedeutung und unver zichtbar. Sie ist nicht nur ein kostengünstiger, leistungsfähi ger und umweltfreundlicher Verkehrsträger. Anders als Stra ße und Schiene verfügt sie zudem über ein enormes ungenutz tes Potenzial. Das gilt ganz besonders für die Neckarschiff fahrt. Ob auf dem Main oder dem Rhein, die Lastschiffe wer den künftig eine Länge von 135 m haben und 40 % mehr La dung transportieren können, und zwar ohne dass der Energie bedarf und der Ausstoß an Schadstoffen erheblich steigen wür den.
Was bedeutet das für die Schifffahrt auf dem Neckar? Der Ne ckar gehört zur Rheinschifffahrt und ist nicht teilbar. Klar ist deshalb, dass der Schifffahrt auf dem Neckar mittel- bis lang fristig das Aus drohen würde – mit allen Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort. Sie ist nicht konkurrenzfähig, solan ge nicht alle 27 Schleusen von 105 m auf 135 m verlängert worden sind. Das gilt auch, wenn die Neckarschleusen nur teilweise ausgebaut würden und Transporte neckarabwärts, beispielsweise bis zum Rheinhafen, möglich wären. Auf der Rückfahrt könnten die Schiffe ihre Fracht aber nicht bis zu den Häfen Stuttgart und Plochingen transportieren.
Es ist aber nicht nur die Schifffahrt allein. Um Mittel- und Langstreckenverkehre von der Straße weg verlagern zu kön nen, müssen wir die kombinierten Verkehre aus Schiene und Schifffahrt stärken.
Wir haben uns vor Ort umgeschaut und mit den Unternehmen gesprochen. Die Reedereien, die Unternehmen sagen uns ganz klar, sie seien auf die Leistungsfähigkeit aller Verkehrsträger und damit auch auf die Schifffahrt angewiesen. MercedesBenz rechnet mit einem erheblichen Wachstum im internati onalen Geschäft. Das bedeutet ein erhebliches Wachstum auch beim Volumen der Binnenschiffstransporte.
Das heißt: Aus wirtschaftlicher und aus ökologischer Sicht gibt es für uns deshalb keine Alternative. Die Neckarschleu sen bis Plochingen müssen saniert und verlängert werden.
(Beifall der Abg. Karl Zimmermann und Thaddäus Kunzmann CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! Applaus! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen)
Vielen Dank. – Grundlagenuntersuchungen für ein Binnen schifffahrts- und Hafenkonzept Baden-Württemberg unter streichen dieses enorme Potenzial, das sich dann bei den Hä fen in der Region Stuttgart und im mittleren Neckarraum er gibt. Der Ausbau der Schleusen auf dem Neckar von Mann heim bis Plochingen ist auf alle Fälle sinnvoll und auf alle Fäl le wirtschaftlich, weil allein für den Hafen in Plochingen die Prognosen von einem Zuwachs von sage und schreibe 500 % ausgehen.
Im Vergleich lässt sich sagen: Das entspräche der Ladung von 504 000 Lkws; diese würden hintereinander eine Strecke von 10 000 km ergeben. Das entspricht immerhin der Strecke von Stuttgart bis New York und wieder zurück.
Aber der Ausbau der Schleusen wäre vor allem auch deswe gen wirtschaftlich, weil allein die Sanierung der teils völlig maroden Anlagen ohnehin drei Viertel der Kosten verursacht. Die Sanierung ist auf alle Fälle ökologisch, weil die Güter vom Lkw auf das Schiff und damit weg von der Straße verla gert werden.
Die CDU hat beim Bund immer den gesamten Ausbau gefor dert. Bisher sah das Reformkonzept des Bundes eine Priori sierung der Bundeswasserstraßen allein nach dem Verkehrs aufkommen vor. Das ist ungerecht, weil z. B. Schleusen am Main und an der Mosel mit einer Länge von 200 m schon heu te gegenüber denen am Neckar bevorzugt sind.
Wir haben deshalb immer darauf gedrängt, dass der gesamt wirtschaftliche und der ökologische Nutzen Eingang in die Neubewertung finden. Das zeigt jetzt beim Bund Wirkung.
Noch als verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag waren Sie, Herr Minister, gegen den Ausbau der Binnenschifffahrt und haben ihn für einen – ich zitiere – „zu großen Aufwand“ gehalten.
Ohnehin sei die Schifffahrt unter ökologischen Gesichtspunk ten besonders dreckig, wie Sie sagten. Das Geld könne man besser an anderer Stelle einsetzen.
Auch von dem hohen Entwicklungspotenzial wollten Sie nichts wissen. Auch als Landesverkehrsminister hat Ihnen noch im Juli dieses Jahres der Ausbau an der Strecke Mannheim–Heil bronn genügt. Die Verlängerung der Schleusen in der Region Stuttgart war für Sie damals zweitrangig.
Dass auch Sie, Herr Minister Hermann, mittlerweile für den Schleusenausbau sind und auf unsere Linie eingeschwenkt sind, ist sehr erfreulich. Darüber freuen wir uns. Sie haben wohl überall den scharfen Gegenwind zu spüren bekommen – von der Industrie, den Unternehmen, den Vertretern von Re gion und Kommunen. Aber ob Sie wirklich Ihre Meinung ge ändert haben, bezweifle ich stark.
In Ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag relativieren Sie selbst Ihre Aussage, sich klar zu einem Ausbau aller Ne ckarschleusen zu bekennen und sich beim Bund für die dafür notwendigen Mittel einzusetzen: Sie wollen – ich zitiere – „sich beim Bund für einen stufenweisen, wirtschaftlich sinn vollen und ökologisch vertretbaren Ausbau der Neckarschleu sen bis Plochingen“ einsetzen.
Das, Herr Minister, ist wachsweich und halbherzig. Das ist zu wenig. Damit lassen Sie sich wieder ein Hintertürchen offen. Daraus ergibt sich keine Planungssicherheit.