Protocol of the Session on October 13, 2011

In einem Industrieland wie Deutschland muss man deshalb nach Alternativen fragen, wenn man aus 20 000 MW Leistung aussteigt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nicht Wind!)

In Zeiten des Klimawandels stellen die erneuerbaren Energi en eine wichtige Alternative dar. Herr Kollege Zimmermann, zu den erneuerbaren Energien zählt nicht nur, aber auch die Windenergie. Ich sage Ihnen, was noch dazu zählt. Deshalb finde ich es abenteuerlich, wenn man mir vorwirft, ich küm merte mich nur um den Wind.

Wir haben vom Zentrum für Sonnenenergie- und WasserstoffForschung Baden-Württemberg, ZSW, eine Studie anfertigen lassen. Diese kommt zu folgendem Ergebnis: Ende dieses Jah res wird die Stromerzeugung durch Fotovoltaik einen Anteil von etwa 3 % der Bruttostromerzeugung ausmachen; das sind plus/minus 2,7 TWh, die wir Ende dieses Jahres haben wer den.

Dies war übrigens das im Energiekonzept 2020 formulierte Ziel Ihrer Regierung für das Jahr 2020. Daran können Sie er kennen, wie sehr man das Potenzial der erneuerbaren Energi en unterschätzen kann.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Im vergangenen Jahr haben wir in Baden-Württemberg 1 000 MW Fotovoltaikleistung zugebaut. Bundesweit wurden 7 500 MW zugebaut. 15 % des bundesweiten Zubaus entfie len damit auf Baden-Württemberg.

An sonnigen Tagen – das können Sie sich von den Kollegen der EnBW bestätigen lassen – haben wir zwischen 9:00 Uhr und 17:00 Uhr im Verteilernetz der EnBW immer eine Leis tung von über 1 000 MW.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bis 3 000 MW!)

Um die Mittagszeit herum haben wir sogar über 2 000 MW.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Und ab 17:00 Uhr? Null! Und was machen Sie dann? – Gegenruf von den Grünen: Das Licht aus!)

Herr Kollege Zimmermann, wenn man wie ich gerade aus den USA zurückkommt, dann hat man den Eindruck, Sie füh ren sich bei dieser Frage immer auf wie die Taschenausgabe der Tea Party. Das ist schon heftig. Das will ich Ihnen schon einmal sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Und Sie erzählen Märchen!)

Zwischen 9:00 Uhr und 17:00 Uhr haben wir über die Foto voltaik die Leistung von mindestens einem Kernkraftwerk im Netz.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Okay!)

Rechnen wir einmal weiter. Unterstellen wir dabei einmal, dass wir in den kommenden Jahren bei der Fotovoltaik nur halb so viel zubauen wie im vergangenen Jahr, also statt 1 000 MW nur 500 MW. Denn das vergangene Jahr war zu gegebenermaßen ein Boomjahr. Wenn Sie das auf das Jahr 2020 hochrechnen, dann kommen Sie auf rund 66 TWh pro Jahr und damit auf einen Anteil von rund 11 %.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Ohne Taschenrechner!)

Dazu brauche ich noch nicht einmal den Taschenrechner des Kollegen Schmiedel. Berücksichtigen wir darüber hinaus un ser Ziel, einen Anteil der Windenergie von 10 % – das ambi tioniert ist; in Rheinland-Pfalz sind im vergangenen Jahr je doch 64 Anlagen zugebaut worden, und Rheinland-Pfalz ist nur halb so groß wie Baden-Württemberg – zu erreichen, dann kommen wir insgesamt auf einen Anteil erneuerbarer Ener gien von 21 %.

Dann nehmen wir noch die Biomasse hinzu, die wir weiter ausbauen wollen, Herr Kollege Glück.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wir wollen dabei einen Schwerpunkt auf die Reststoffe legen. Wir haben in Baden-Württemberg 400 000 t Bioabfälle, und wir haben 800 000 t an kommunalem Grünschnitt, insgesamt also 1,2 Millionen t. Ein Gutteil davon ging in der Vergangen heit in die Kompostieranlagen für Bioabfälle.

Was wir fördern und vorantreiben werden – wir bringen z. B. in den kommenden Wochen einen Leitfaden auch für die kom munale Ebene heraus –, ist, dass wir der Kompostierung in diesen Anlagen in den kommenden Jahren Stück für Stück die energetische Verwertung voranstellen wollen, beispielsweise die Gewinnung von Biogas durch Vergärung. Dann geht das Biogas in KWK-Anlagen, man gewinnt Strom und Wärme. Erste Anlagen sind im Land bereits im Bau bzw. in Betrieb.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Letzte Woche sind 1,5 Millionen l Gülle in Schopfloch, Lenninger Tal, unkontrolliert über den Albtrauf ausgeflossen!)

Weitere Anlagen werden folgen. Eine werde ich demnächst auch einweihen dürfen, eine Anlage hier ganz in der Nähe.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie dann noch die Wasserkraft nehmen – jetzt kommen wir nämlich zum Vierten, zur Wasserkraft –, dann haben wir in Baden-Württemberg dort traditionell ein relativ hohes Ni veau gegenüber anderen Bundesländern. Ein Projekt hat der Ministerpräsident vor wenigen Wochen eingeweiht, nämlich das neue Wasserkraftwerk am Oberrhein in Rheinfelden. Nur nebenbei erwähnt: Auch das hätte es ohne das EEG nicht ge geben. Wir waren uns damals über alle Fraktionen hinweg Gott sei Dank einig, dass man die Große Wasserkraft in den Förderkatalog des EEG einbezieht. Das war zu Zeiten von Jür gen Trittin als Bundesumweltminister.

Über dieses Niveau, das wir heute haben, hinaus werden wir die Potenziale an den Flüssen in Baden-Württemberg durch Potenzialstudien Stück für Stück aufarbeiten und sehen, was wir noch zusätzlich ausbauen können. Für den Neckar liegt eine solche Potenzialstudie vor. Wir werden die Potenzialstu

dien auch an den anderen Flüssen Stück für Stück erstellen, um zum Schluss bei einer Positivkartierung zu landen, aus der sich ergibt, wo es für Investoren noch sinnvolle Standorte gibt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Fischtrep pen nicht vergessen!)

Auch bei dem Ihnen, Herr Kollege Zimmermann, und mir so wichtigen Thema Geothermie dürften Sie vernommen haben, dass ich dort in den letzten Wochen durchaus aktiv war. So viel einmal zu dem Vorwurf, Herr Kollege Nemeth, ich wür de mich nur um die Windenergie kümmern.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich spreche Ihnen ein Lob aus, Herr Minister! Da lobe ich Sie!)

Was ich gemacht habe, war: Als die Probleme in Leonberg aufgetreten sind – die man ernst nehmen muss, sonst geht nämlich diese Technologie den Bach hinunter –, habe ich erst einmal einen Bohrstopp verfügt. Dann habe ich mit der Bran che verhandelt. Das Ergebnis der Verhandlungen ist: In Ba den-Württemberg darf weitergebohrt werden, allerdings nur auf qualitativ höherem Niveau. Wir werden dafür sorgen, dass es hier eine bessere Überwachung gibt.

Zudem wird es künftig Versicherungen geben, die für solche Schäden aufkommen. Entsprechende Schadensfälle sind zwar zahlenmäßig nicht so relevant, schlagen aber natürlich medi al ein und führen zu Verunsicherungen, was ich durchaus nachvollziehen kann. Für solche Fälle muss sichergestellt sein, dass nicht wochenlang über die Frage gestritten wird, wer da für aufkommt. Somit kommen zum Schluss selbst dann, wenn Firmen schuld sind, Forderungen an uns, die Landesregierung, wir sollten da einspringen – so, als gäbe es kein Verursacher prinzip. Da ist zukünftig für Klarheit gesorgt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: In Ordnung!)

Ich habe den Eindruck, dass die Branche durchaus auch mir dankbar ist, und zwar dafür, dass wir diese Technologie hier in Baden-Württemberg zukünftig auf einem qualitativ wesent lich höheren Niveau voranbringen können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Jetzt kommen wir einmal zu der Frage – man muss nicht im mer nur polemisieren –, warum die Chancen der Windenergie in den kommenden Jahren besser sind, als sie in diesem Land in der Vergangenheit vielleicht waren. Da gibt es dankenswer terweise eine Veröffentlichung, die noch von der Vorgänger regierung in Auftrag gegeben wurde, nämlich den Windatlas. Er enthält Karten, und diese stellen Folgendes dar: Man hat zum einen die Windhöffigkeit in 70 m und 80 m Höhe gemes sen, und dann hat man gemessen, wie die Windhöffigkeit in 100 m, 130 m, 140 m bis zu 160 m ist.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist das Entscheidende!)

Dazu hat man verschiedene Karten erstellt. Bei den Anlagen, Herr Kollege Zimmermann, von denen Sie vorhin gesprochen haben, die Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjah re im Land gebaut wurden,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 60, 80 m!)

reden wir – ich sage es einmal mit meinen Worten – mehr oder weniger um Außenstellen des Technikmuseums Mannheim, die Sie besichtigen können.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Nein, nein! 100 m Na benhöhe und 172 m Gesamthöhe! 1,5 MW!)

Das sind 300-, 400-kW-Anlagen.

Die Anlagen hingegen, die wir in den kommenden Jahren bau en werden, sind hoch effiziente Anlagen, natürlich wesentlich höher, nämlich 140 bis 150 m hoch. Es sind Anlagen mindes tens der 3-MW-Klasse – mindestens, betone ich. In Rhein land-Pfalz werden mittlerweile die ersten 5-, 6-, 7-MW-An lagen gebaut – nur damit wir einmal Klarheit haben, worüber wir reden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Für Offshore!)

Das ist kein Spielzeug, Herr Kollege Zimmermann, sondern das sind große Kraftwerke, über die wir hier reden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Alle roten Flächen im Windenergieatlas sind wirtschaftlich interessante Flächen. Wirtschaftlich interessante Flächen sind Flächen mit einer Windhöffigkeit von mehr als 6 m/s. Sie ha ben in der Vergangenheit bei 80 m geschaut, und dann haben Sie gesehen: Da ist nichts rot. Also kam Herr Zimmermann auf die Idee: Wind ist bei uns nicht; das macht keinen Sinn. Wenn man aber einmal bei 160 m nachschaut – schauen Sie auf diese Karte –,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hohenlo he! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Nur das Ulmer Münster ist so hoch!)

stellt man fest: Es gibt in Baden-Württemberg eine Reihe von Regionen, die für die Nutzung der Windenergie hochinteres sant sind. Das ist nicht flächendeckend so, aber es gibt Regi onen – wie gesagt, das kann man sehr deutlich sehen: die Ho henloher Ebene, die Ostalb, die Hochlagen der Schwäbischen Alb und des Schwarzwalds –, die interessant sind. Diese Flä chen wollen wir zukünftig – jetzt kommt’s – unter Beachtung des Naturschutzes, unter Beachtung des Artenschutzes, unter Beachtung immissionsschutzrechtlicher Anforderungen, sprich Abstand zur Wohnbebauung, erschließen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ohne Nati onalpark! – Gegenruf des Abg. Alexander Schoch GRÜNE: Auch da kann es möglich sein!)