Protocol of the Session on October 13, 2011

Wir als Berufspolitiker haben nun die Aufgabe, die Leute da zu zu motivieren und ihnen die notwendigen Informationen – je nachdem, in welchem Lager wir stehen – zu vermitteln.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Wir haben aber auch die Verantwortung, dass, wenn dieses In strument zum ersten Mal angewandt wird, sein Einsatz dann auch erfolgreich abgeschlossen wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Da stehen wir alle in der Verantwortung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Gönner?

Gleich. – Ich habe mich wirklich ehrlich gefreut, dass die Opposition in der Schlussphase darauf eingeschwenkt ist und eben nicht vor den Staatsgerichtshof gegangen ist. Wenn Sie allerdings so schwe re Bedenken gehabt hätten, dass es wirklich nicht geht, dann hätten Sie das machen müssen und hätten es nicht aus Oppor tunitätsgründen unterlassen dürfen. Denn nur Sie können vor den Staatsgerichtshof gehen, sonst niemand.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Das haben Sie jetzt klugerweise nicht gemacht. Aber dann ist es doch Zeit, dass Sie jetzt damit aufhören, das Verfahren zu kritisieren, und stattdessen in die Sachauseinandersetzung ge hen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Winfried Mack und Abg. Nicole Razavi CDU: Wir reden doch über den Stimmzettel!)

Jetzt bitte, Frau Gönner.

Herr Ministerpräsident, Sie haben völlig recht: Wir sollten in die Sachauseinandersetzung ge hen. Ich glaube aber, dass es dann auch für die Bürgerinnen und Bürger wichtig ist, von vornherein zu wissen: Erstens: Was machen Sie, wenn Sie tatsächlich erfolgreich sind? Wer den Sie kündigen, und auf welche Kündigungsgründe wollen Sie sich beziehen? Und zweitens: Was machen Sie, wenn Sie nicht erfolgreich sind, entlang der baden-württembergischen Verfassung?

Ich glaube, das sollte vorher von einer Regierung beantwor tet sein, insbesondere von einem Ministerpräsidenten, der zu Recht darauf hinweist, dass die Menschen wissen müssen, was dann geschieht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Frau Kollegin Gönner, das ist klar. Die Regierung hat sich dazu mehrfach erklärt. Wir alle machen Politik auf der Grundlage der Verfas sung. Sie gilt in der Form, in der sie geschrieben ist. Auch wenn wir uns hinsichtlich des Quorums etwas anderes ge wünscht hätten – dem sind Sie nicht gefolgt –, gilt die Verfas sung so, wie sie ist. Daran haben sich alle zu halten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Die Kündigungsgründe sind in der Begründung angeführt,

(Lachen des Abg. Winfried Mack CDU)

und wenn Sie sie nicht teilen, dann können Sie das als Ihr Ar gument in den Prozess des Abstimmungskampfes einbringen. Das ist alles möglich.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Es geht nicht darum, dass wir sie nicht teilen!)

Ich möchte noch einmal appellieren, jetzt wirklich mit Enga gement in die Sachauseinandersetzung zu gehen, aber auch zu schauen – das ist bei Abstimmungsfragen in der Sache nämlich so –, dass man sich auch an der Sache orientiert.

Zum Schluss möchte ich noch etwas ansprechen, was mich doch sehr verwundert hat. Die Befürworterseite hat sich, als sie noch an der Regierung war,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wir sind noch an der Regierung!)

bitter beschwert über skandierte Rufe wie „Lügenpack!“. Ich habe sehr früh, nämlich schon im Sommer des letzten Jahres, in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt, dass ich davon nichts halte.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das haben die aber nicht gelesen!)

Ich habe schon damals gesagt, dass ich von dieser Art der Aus einandersetzung nichts halte. Deswegen habe ich mich schon sehr gewundert, dass, kaum waren Sie in der Opposition, nun von Ihnen auf einmal Begriffe wie „Täuschen, Tricksen, Tar nen“,

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Das ist aber ein Unterschied!)

„Täuschungsmanöver“, „Unverschämtheit“, „Illusion“, „Schla massel“, „mit Fanatikern paktieren“, „leninistische Avantgar de“ – das haben wir heute gehört –, „Gezerfe“ usw. kamen.

(Zurufe von der CDU: Das ist doch so!)

Wenn wir nicht wollen, dass wir solche Auseinandersetzun gen auf einem solchen Niveau führen – dafür bin ich –, dann sind aber beide Seiten gehalten, nicht auf dieses Niveau hin unterzugehen. Dass Sie jedoch auf einmal auf dieses Niveau hinuntergegangen sind, obwohl Sie sich vorher darüber be schwert haben, hat mich sehr gewundert.

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Denn wir müssen immer klarmachen: Es geht in der Demo kratie um Alternativen, und das ist jetzt ein klassischer Fall dafür. Um die Alternativen müssen wir streiten. Um Lüge und Wahrheit geht es in der Politik in Diktaturen. In der Demo kratie ist das entschieden, weil wir auf der Grundlage einer Verfassungsordnung Politik machen, die die Grundwerte schon klar formuliert hat.

Wir können uns im tagespolitischen Kampf hart streiten. Das sollen wir auch machen; wir sind schließlich politische Geg ner. Aber alles andere führt leicht dazu, dass es abrutscht und dass aus Gegnerschaft Feindschaft wird. Feindschaft hat in der Demokratie nichts zu suchen. Deswegen noch einmal mein Appell: Jetzt hart in der Sache streiten. Das Verfahren ist so, wie es die Verfassung vorsieht. Wir können nur über ein Gesetz abstimmen. Das ist manchmal kompliziert. Dage gen ist zunächst einmal kein Kraut gewachsen, Frau Kollegin Razavi. Sie haben auch keinen anderen Formulierungsvor schlag gemacht.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Wir sind auch gar nicht gefragt worden!)

Der Vorschlag ist der richtige; denn er entspricht der Sachla ge und den rechtlichen Rahmenbedingungen, zu denen uns die Verfassung verpflichtet. So haben wir das gemacht. Wenn jeder dafür wirbt, kann jeder Bürger und jede Bürgerin das verstehen. So schwierig ist das nämlich nun auch wieder nicht.

Darum noch einmal mein Appell, dass Sie jetzt wirklich in die Sachauseinandersetzung gehen, möglichst auch sachlich und stilbildend, damit wir zeigen: Wir können auch hart in der Sa che sein, ohne gleich in wüste Polemik zu verfallen. Das ist einfach mein Appell an Sie.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke der Präsidentin)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie drei weitere Zwischenfragen: die erste vom Kol legen Glück, die zweite vom Kollegen Throm und die dritte vom Kollegen Müller? – Ja.

Herr Ministerpräsident Kretschmann, Sie haben jetzt gerade über den Weg und über das Instrument gesprochen. Das war offensichtlich auch ganz gut. Man hat das an dem Applaus zweier Fraktionen gehört.

Allerdings habe ich eine Sache nicht ganz verstanden. Sie ha ben es angesprochen. Ich möchte mich bei der Frage ein biss chen an Frau Gönner anlehnen, möchte es aber in ganz einfa chen Worten formulieren und würde mich auch über eine ein fache Antwort freuen: Falls sich bei der Volksabstimmung ei ne Mehrheit für den Ausstieg ausspricht, aber das Quorum nicht erreicht wird, unterstützen Sie dann Stuttgart 21?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja oder nein?)

Wenn das so ist, dann ist das Kündigungsgesetz gescheitert.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Dann machen Sie wei ter? – Abg. Volker Schebesta CDU: Setzen Sie sich dann für Stuttgart 21 ein? – Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP: Was machen Sie im Bahnhof? – Un ruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte um Ruhe bitten.

Ich weiß nicht, was Sie da planen. Das ist doch ganz eindeutig.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Setzen Sie sich dann für Stuttgart 21 ein?)

Das Wort für eine Zwi schenfrage hat Herr Kollege Throm.

Herr Ministerpräsident, ich habe drei Fragen.

Sie haben gerade eine Frage beantwortet. Wenn der Fall einer relativen Mehrheit für das Kündigungsgesetz eintritt, aber das Quorum nicht erreicht wird, werden Sie dann ein entsprechen des Gesetz wieder in den Landtag einbringen? Und was ma chen Sie, wenn Ihre Fraktion, die Fraktion GRÜNE, ein sol ches Gesetz einbringen würde? Derartige Spekulationen ste hen ja im Raum.

Zweite Frage: Sie haben gesagt, man habe Ihnen Täuschen, Tricksen, Tarnen vorgeworfen. Das mag sein, vermutlich auch zu Recht. Die Frage ist: Können Sie ausschließen, dass Sie als seinerzeitiger Fraktionsvorsitzender der Grünen einen entspre chenden Vorwurf an die Vorgängerregierung gerichtet haben?