Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen schon zum Thema Flüchtlinge und zum Thema Integration gesprochen.
Wir sind uns, glaube ich, in diesem Land alle einig, dass wir denjenigen, die hier Schutz und Hilfe brauchen, diese auch gewähren sollen und gewähren müssen, dass aber diejenigen, die keinen Schutzgrund haben, die keinen Asylgrund haben, das Land auch wieder verlassen müssen. Da setzt das Land, da setzen wir auf die freiwillige Rückkehr. Aber für diejeni gen, die nicht freiwillig zurückkehren wollen, müssen dann eben auch die Abschiebung und die Rückführung durchge setzt werden.
Dazu ist ein Instrument auch notwendig; das ist die Abschie behaft, die als letztes Mittel angeordnet werden kann, wenn man auf anderem Weg nicht zur Abschiebung kommen kann. Die Frage ist nun: Wie wird diese organisiert? Der Europäi sche Gerichtshof hat in einer Entscheidung festgestellt, dass es spezielle Hafteinrichtungen sein müssen und man die Ab schiebehäftlinge nicht in einer normalen Strafvollzugsanstalt unterbringen darf.
Insofern ist es jetzt konsequent, dass das Land in Pforzheim eine eigene Abschiebeeinrichtung schafft, und es ist auch not wendig, hierfür dann eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um eine entsprechende Rechtsgrundlage für Eingriffe in Grund rechte der Betroffenen zu haben. Wir haben ja Beamtinnen und Beamte im Land, die sich mit dem Thema Haft ausken nen. Das ist das eine Modell, das viele Bundesländer durch führen, indem die Justiz im Wege der Amtshilfe die Abschie behaft durchführt.
Das Land Baden-Württemberg hat sich für einen anderen Weg entschieden. Die Landesregierung hat vorgeschlagen und ei nen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, dass im Innen bereich, im Bereich des Innenministeriums, die Abschiebe haft angesiedelt werden soll. Es gibt eine neue eigene Lauf bahn, den Abschiebehaftvollzugsdienst, der dann möglicher weise auch wieder auf das Personal zurückgreift, das in den Justizvollzugsanstalten bereits vorhanden ist.
Das kann man so machen; das muss man nicht so machen. Jetzt ist es aber auf jeden Fall notwendig, dass die Abschie behaft in Baden-Württemberg wieder vollzogen werden kann. In der Vergangenheit war es ja so, dass wir seit der Entschei dung, die Justizvollzugsanstalt Mannheim nicht mehr zu nut zen, auf Rheinland-Pfalz angewiesen waren. Das war ein schwieriges Miteinander mit einem Bundesland, in dem die zuständige Ministerin auf ihrer Homepage gleich im ersten Satz schreibt, dass sie die Abschiebehaft gar nicht möchte.
Weil ich es im Internet gelesen habe, Herr Kollege. Da kann man es nachlesen. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Und was stand denn da noch?)
Insofern war es jetzt notwendig geworden, auf eine eigene Einrichtung zu setzen. Wir sind von der Notwendigkeit einer eigenen Abschiebehaft in Baden-Württemberg überzeugt und werden deswegen trotz einiger inhaltlicher Bedenken dem Ge setzentwurf auch zustimmen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Wir haben hier die neuen Regelungen zur Abschiebe haft in Baden-Württemberg vorliegen, und ich möchte an die ser Stelle gern eine Vorbemerkung machen: Aus unserer Sicht muss die Abschiebung die Ultima Ratio sein; sie darf nichts anderes sein. Es ist aus humanitären, aber auch aus rechtli chen Gesichtspunkten absolut notwendig, dass alles getan wird, um Abschiebehaft zu vermeiden und andere Wege der Aufenthaltsbeendigung zu suchen. Wichtig ist auch, zu prü fen, ob Gründe für die Aufenthaltsbeendigung vorliegen.
Die Abschiebehaft kann daher erst dann erfolgen, wenn alle anderen Mittel erschöpft sind. Hierzu zählt aus unserer Sicht beispielsweise die freiwillige Ausreise. Wir halten es deshalb für notwendig und richtig, dass auf die Möglichkeit der frei willigen Ausreise hingearbeitet wird. Wir haben hierzu – die Kooperation mit Rheinland-Pfalz ist ausdrücklich angespro chen worden – beispielsweise aus Rheinland-Pfalz Erkennt nisse vorliegen, wo genau dieser Weg gegangen wurde: Die Zahl der Haftplätze in Rheinland-Pfalz wurde massiv zurück gefahren, ebenso ist die Zahl der Fälle von Abschiebehaft massiv reduziert worden. Stattdessen ist auf das Prinzip der freiwilligen Ausreise gesetzt worden, mit entsprechender Be ratung und Begleitung.
Zu diesem Zweck hat auch die Landesregierung verschiede ne Maßnahmen ergriffen; dazu gehört beispielsweise in den Erstaufnahmeeinrichtungen schon jetzt eine Rückkehrbera tung. Denn das ist ein Weg, um Verfahren zu beschleunigen, und zwar diejenigen Verfahren, die ansonsten besonders lan ge dauern, weil sie mit großer Wahrscheinlichkeit dann vor den Verwaltungsgerichten enden. Die Erfahrung zeigt auch, dass einige der Personen Anträge stellen, bei denen man da von ausgehen muss, dass sie aussichtslos sind, weil die Vor aussetzungen für eine Asylanerkennung nicht gegeben sind.
Weil wir glauben, dass die Landesregierung hart daran gear beitet hat, all die notwendigen Bedingungen, all die Voraus setzungen abzuarbeiten und auch die entsprechenden Wei chenstellungen vorzunehmen, haben wir dem vorliegenden Konzept der Landesregierung zugestimmt und werden die neue Einrichtung der Abschiebehaft in Pforzheim daher un terstützen.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Abschiebehaft ist die Ultima Ratio, keine Frage. Aber wir brauchen sie selbstverständlich, weil es auch Fälle gibt, in denen sich jemand der Abschiebung ent zieht, weil jemand nach einer erfolglosen Abschiebung den Aufenthaltsort ändert und ihn nicht angibt. Damit signalisiert er, dass er sich einer Abschiebung entziehen will.
Vor diesem Hintergrund ist es ganz klar, dass wir die Abschie behafteinrichtungen brauchen, und zwar sowohl für die Vor bereitungshaft als auch für die Sicherungshaft, die dann aller
dings höchstens sechs Monate dauern darf. Falls jemand die Abschiebung aus der Haft heraus immer noch, sage ich ein mal, verhindert, kann die Haft um weitere zwölf Monate ver längert werden.
Ich habe mir die Einrichtung in Mannheim angeschaut. Das war eine Haftanstalt in der Haftanstalt. Genau dieser Zustand, dass man nicht mehr genau unterscheiden kann, wird jetzt ge ändert. Wir haben Rechtsklarheit. Zukünftig ist nämlich das Innenministerium und nicht mehr das Justizministerium zu ständig und sind die Dinge wirklich voneinander getrennt.
Wir haben einen Standort, nämlich Pforzheim, wo – das muss man wissen – bislang 100 jugendliche Strafgefangene waren. Die gehen alle nach Adelsheim. Nach der Verlagerung der 100 Jugendlichen, die nach Adelsheim wechseln werden, damit die Abschiebehaft in Pforzheim gemacht werden kann, sind immer noch weitere 100 Haftplätze in Adelsheim übrig.
Das bedeutet, der Standort Pforzheim war angezählt. Insofern ist die Investition in den Standort Pforzheim, damit dort die se Abschiebehaftanstalt entsteht, damit dort Arbeitsplätze und diese Institution erhalten bleiben, im Grunde ein Standortvor teil für Pforzheim, der sich auch – –
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das sehen alle Pforzheimer so! Da sind Dankprozessionen im Gang!)
Ja, aber ich möchte einmal sehen – in meinem Wahlkreis liegt auch eine Gemeinde, die Standort einer Vollzugsanstalt ist, nämlich Schwäbisch Hall –, was passiert wäre, wenn der Standort Pforzheim hätte geschlossen werden müssen.
Wenn die 100 Haftplätze und die Beschäftigten weggegangen wären, dann wäre das Geschrei groß gewesen. Aber die Lage ist optimal – zwischen den Flughäfen Stuttgart, Baden-Baden und Frankfurt. Die Einrichtung wird saniert, und die Arbeits plätze werden gesichert. Insofern ist auch die Standortent scheidung eine gute.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich darf aus unserer Sicht drei kurze Bemerkungen zu dem Gesetz machen, dem Gesetz, dem wir am Ende zustimmen werden.
Die erste Bemerkung ist: Das Gesetz selbst ist im Grunde in Ordnung. Es ist von der Sache her ohnehin gebraucht worden und war durch die Rechtsprechung des EuGH unabweisbar. An der Umsetzung gibt es aus unserer Sicht eigentlich nichts
Zweite Bemerkung: Man kann das Ganze sogar, wenn man so will, aus unserer Sicht mit einem Lob verbinden, nämlich da für, dass der uralte Streit zwischen Innen- und Justizressort beigelegt wurde – dieser war bis zuletzt eigentlich ungeklärt –, wer für die Abschiebehaft zuständig ist. Das hat man ent schieden. Das finde ich gut. Ich finde auch, dass man richtig entschieden hat – spätestens seit die Rechtsprechung des EuGH eigentlich deutlich in die Richtung Innenressort geht. Darum muss man die Abschiebehaftanstalt von der Vollzugs anstalt absetzen.
Die dritte Bemerkung gilt allerdings dem Standort. Ich sage eindeutig: Der Standort steht nicht im Gesetz. Das ermöglicht uns die Zustimmung. Denn der Standort findet nicht unsere Billigung.
Jetzt muss man, weil vorhin der Name unseres Fraktionsvor sitzenden genannt wurde, klarmachen: Unser Kollege Rülke ist dafür, dass in Pforzheim eine Vollzugsanstalt bleibt. Er will nicht irgendetwas weghaben, sondern er ist dafür, dass dort eine Vollzugsanstalt bleibt. Er sagt nur mit Recht – da hat er, wie immer, recht –,
dass der Standort äußerst zweifelhaft ist, und zwar aus folgen den Gründen – diese sieht man, wenn man einmal darüber nachdenkt –:
Erstens: Wenn der EuGH schon nicht will, dass die Einrich tung wie eine Strafanstalt aussieht, dann würde ich nicht ge rade eine klassische Strafanstalt nehmen, wie es die Pforzhei mer Anstalt ist. Die hat jetzt gut 100 Plätze und muss auf je den Fall umgebaut werden. Dass man sie so belässt, kann ich mir nicht vorstellen. Sie muss, auf Deutsch gesagt, ein biss chen wohnlicher werden. Dann wird sie auch keine 100 Plät ze mehr haben, und dann kann man schon fragen, ob in der jetzigen Zeit nicht von vornherein klar ist, dass dies auch gar nicht ausreichen kann. Daher die Zweifel.