Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir zu den Punk ten 3 und 4 der Tagesordnung heute keine langen Reden mehr halten, dann liegt das nicht an der Bedeutung des Gegen stands; denn die Bedeutung des Gegenstands ist groß. Heute ist in der Tat ein wichtiger Tag – nicht nur für den Landtag, auch für das Land. Es wird ein großer Schritt nach vorn ge macht, gerade auch in Sachen Bürgerbeteiligung. Nein, wenn wir uns kurzfassen, liegt das daran, dass wir uns in – so möch te ich fast sagen – unzähligen Runden über diese Inhalte un terhalten haben.
Ich möchte auch aus meiner Sicht noch einmal deutlich beto nen: Es ist schön, dass es auch so geht, dass nämlich alle an einem Tisch sitzen und sich am Ende vernünftig verständigen.
Es ist gut, dass man da nicht ständig nur Pro und Kontra hat, sondern manchmal auch etwas Gemeinsames hat. Das hat, glaube ich, alle gefreut.
Wir Liberalen können es in manchen Teilen geradezu begeis tert unterschreiben, was die Verbesserung der Bürgerbeteili gung und die Absenkung der Quoren angeht. Denn – daran darf ich an dieser Stelle auch noch einmal kurz erinnern – der jetzt gefundene Kompromiss ist eigentlich genau das, was wir Liberalen seit Jahren gern hätten
Der Kompromiss ist aus der einfachen Situation entstanden, dass die CDU auf der einen Seite und die Grünen und die SPD auf der anderen Seite bereit waren, sich zu bewegen. Als sie sich aufeinander zubewegt haben, mussten sie – für uns er freulich – da landen, wo wir schon waren. Insofern ist das für uns das absolute Wunschergebnis.
Es geht – daran sieht man übrigens die Dimensionen des Gan zen – um die Absenkung der Quoren, des Unterstützungsquo rums und des Zustimmungsquorums. Die werden in ihrem Vo lumen um jeweils 40 % verringert. Das ist schon eine Menge. Aber es ist nicht die Reduzierung auf null, wie teilweise von der SPD gefordert, und es bedeutet auch nicht: „Wir bleiben beim Bisherigen“, wie früher auch von den Kolleginnen und Kollegen der CDU gefordert. Im Grunde genommen ist es al so ein Kompromiss, aber ein großer Schritt, wenn die Quoren
Die Umbenennung des Staatsgerichtshofs hätten wir streng genommen nicht gebraucht, weil wir auch die Landesverfas sungsbeschwerde für entbehrlich gehalten hätten. Aber die ist beschlossen. Wir machen jetzt keine Nachfolgeauseinander setzungen, sondern es ist sinnvoll, die Konsequenz bei der Be zeichnung zu ziehen.
Letzter Punkt: Mit Staatszielbestimmungen – Kollege Binder hat es angesprochen – kann man nicht vorsichtig genug sein. Übertrieben ausgedrückt: Man darf nicht alles Mögliche in die Verfassung aufnehmen, was nicht von dauerhaftem Wert ist, sondern einem momentanen Thema folgt.
Im Übrigen darf man das auch deswegen nicht tun: Je mehr Staatsziele man in eine Verfassung schreibt, desto weniger ist das einzelne Ziel hervorgehoben, ganz logisch. Wenn man al les hineinschreibt, ist gar nichts mehr hervorgehoben. Damit relativiert man die Ziele, die drinstehen. Insofern ist der Maß stab hoch. Aber ich glaube, es ist alles richtig gemacht.
Ich möchte noch kurz an das Ehrenamt anknüpfen. Ohne Zweifel trägt das Ehrenamt zur Blüte dieses Landes in erheb lichem Maß dauerhaft bei. Das Ehrenamt ist, wenn man zwei mal darüber nachdenkt, eine Struktur, die an irgendeiner Stel le in der Verfassung stehen muss. Da machen wir sicher etwas Richtiges.
Uns waren auch die gleichwertigen Lebensverhältnisse im ländlichen Raum wichtig, besonders beim Thema Infrastruk tur. Denn wir leben heute in Zeiten, in denen sich die Kom munikation technisch gewaltig verändert hat. Da ist es auch eine Verfassungsfrage, ob z. B. in Teilen unseres Landes über haupt kein vernünftiger Internetverkehr möglich ist, während er in Ballungsräumen ausgezeichnet funktioniert. Zu den gleich wertigen Lebensverhältnissen gehört also im Zeitalter der mo dernen Kommunikation auch eine halbwegs gleichmäßige technische Infrastruktur.
Wir werden ohne Zweifel zustimmen. Ich darf mich bei allen bedanken, die zu diesem Kompromiss beigetragen haben.
Werte Frau Präsidentin, wer te Kolleginnen, werte Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich darf jedenfalls für meine Person feststellen, dass ei ne Änderung der Landesverfassung im Parlamentsbetrieb wahr lich kein Alltagsgeschäft ist. Ich war in meinem gesamten po litischen Leben hier im Landtag bislang an einer Verfassungs änderung beteiligt. Jetzt bringen wir drei Veränderungen auf den Weg. Damit will ich ausdrücken: Die Änderung der Lan desverfassung ist schon etwas ganz Besonderes.
Dass das so ist, dafür sorgt schon die Verfassung selbst, die in Artikel 64 Absatz 2 regelt, dass die Verfassung vom Landtag geändert werden kann, wenn bei Anwesenheit von mindes
tens zwei Dritteln seiner Mitglieder eine Zweidrittelmehrheit, die jedoch mehr als die Hälfte seiner Mitglieder betragen muss, es beschließt.
Mit dem Erfordernis dieser besonderen qualifizierten Mehr heit soll sichergestellt werden, dass Verfassungsänderungen auf einem wesentlich breiteren Konsens aufgebaut sein sol len als die Änderung einfacher Gesetze. Wir stellen heute un ter Beweis, dass es einen breit aufgestellten Konsens für die diskutierten Änderungen gibt.
Die drei nun vorliegenden Gesetzentwürfe – die Tagesord nungspunkte 3 a, 3 b und 3 c – bedeuten die Änderungen Nummern 21, 22 und 23 unserer Landesverfassung. Die letz te Änderung erfolgte im Jahr 2011, als es um die Unterrich tung und Beteiligung des Landtags in EU-Angelegenheiten ging. In den Siebzigerjahren gab es zehn Verfassungsänderun gen. In den letzten Jahren waren wir da insgesamt sehr zu rückhaltend.
Ich sage das deshalb, um den vorgesehenen Änderungen der Artikel 59 und 60 unserer Landesverfassung, mit denen die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger auf Landesebene neu geregelt wird, eine größere Bedeutung beizumessen. Zutref fend wird deshalb der Gesetzentwurf in Punkt 3 a der Tages ordnung mit dem Stichwort „Mehr Demokratie“ präzise auf den Punkt gebracht.
Die Einzelheiten will ich nicht mehr wiederholen; die Vorred ner haben darauf hingewiesen. In den vorhergehenden Dis kussionen hier im Parlament und in den Ausschussberatungen haben wir sie in der ganzen Bandbreite beleuchtet, gewichtet und bewertet.
Dennoch möchte ich – das sei mir gestattet – die Einführung des Volksantrags besonders hervorheben. Das ist ein neues In strument, mit dem das Volk den Landtag auffordern kann, sich mit einem Gegenstand der politischen Willensbildung zu be fassen. Neben dem Volksbegehren und der Volksabstimmung ist dies ein Instrument mit einer relativ niedrigen Schwelle. Man braucht gerade einmal 38 000 Unterschriften im Land, um dieses zu bewerkstelligen. Ich bin gespannt, wann wir uns in diesem Haus zum ersten Mal mit einem Thema befassen werden, das auf diese Art und Weise an uns herangetragen wird.
Parallel zu diesen Änderungen der Landesverfassung erfolgt auch eine Änderung des Volksabstimmungsgesetzes, die wir im Ständigen Ausschuss diskutiert und einstimmig beschlos sen haben. Hier erfolgt – deshalb ist dieses Gesetz erforder lich – die nähere Ausgestaltung des neuen Volksantrags sowie auch die Umgestaltung der bestehenden plebiszitären Elemen te.
Ich will nicht unerwähnt lassen, dass es auch andere Erforder nisse für diese Veränderungen gab. Mit dem vorliegenden Ge setzentwurf wird das Volksabstimmungsgesetz, das aus dem Jahr 1984 stammt, auch aus Gründen der Rechtssicherheit an gepasst. Dass das Innenministerium im Anschluss daran die Landesstimmordnung diesen Veränderungen anpassen muss, versteht sich geradezu von selbst.
Meine Damen und Herren, im Jahr 2013 wurde die Landes verfassungsbeschwerde eingeführt. Seitdem besteht für die
Bürgerinnen und Bürger in unserem Land die Möglichkeit, vor dem Staatsgerichtshof auch Individualschutzrecht zu er langen. Damit hat sich – auch deshalb ist die Änderung erfor derlich – die Ausrichtung des Staatsgerichtshofs geändert. Während er früher nur über staatsorganisationsrechtliche Strei tigkeiten, über Normenkontrollen zu entscheiden hatte – wenn sich beispielsweise eine Fraktion und der Landtag uneinig wa ren; das soll ja vorgekommen sein –, widmet er sich heute auch Verfassungsbeschwerden von Bürgerinnen und Bürgern. Diese neue Ausrichtung soll sich auch in der Umbenennung zum Verfassungsgerichtshof widerspiegeln, und es soll deut lich werden, dass er auch für den Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zuständig ist.
Meine Damen und Herren, neben der Umbenennung in der Landesverfassung und in anderen Gesetzen soll gleichzeitig im bisherigen Staatsgerichtshofgesetz das gerichtliche Ver fahren in geringem Umfang geändert und den praktischen Be dürfnissen angepasst werden, um diesen Rechnung zu tragen.
Diese weitere heute vorgesehene Änderung beinhaltet weite re wichtige Aspekte; das wurde angesprochen. Die Staatsziel bestimmungen in diesen drei Punkten finden ausdrücklich auch meine Unterstützung. Ich habe mich insbesondere sehr darüber gefreut, dass im Rahmen der Anhörung gerade das Thema Kinderschutzrechte einen enormen Stellenwert einge nommen hat und auf Zustimmung gestoßen ist. Das heißt im Klartext, dem Slogan „Kinderland Baden-Württemberg“ ge ben wir nun auch verfassungsschutzrechtlichen Rang. Das hal te ich für außerordentlich wichtig.
Es ist auch mehr als eine Ehrerbietung gegenüber dem Ehren amt, wenn wir das Ehrenamt in unsere Verfassung aufnehmen.
Meine Damen und Herren, es wurde angesprochen – das ist ein schönes, gutes und wichtiges Zeichen –, dass alle vier Fraktionen diesen Diskussionsprozess nicht nur mitbegleitet, sondern im Wesentlichen mitgestaltet haben. Es war in der Tat nicht immer ganz unproblematisch. Es waren auch Steine und Hürden aus dem Weg zu räumen. Aber immer hatten alle das Ziel vor Augen, Einigkeit zu erzielen. Das ist, wie gesagt, ein deutlich sichtbares, ein gutes Zeichen. Deshalb war es folge richtig, dass die Fraktionen dieses Gesetz eingebracht haben. Ich gehe von einer sehr breiten Zustimmung, von Einstimmig keit aus.
Gleichzeitig bitte ich um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzent wurf der Landesregierung bezüglich der Umbenennung des Staatsgerichtshofs.
Meine Damen und Her ren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass die All gemeine Aussprache damit beendet ist.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich eine Dele gationsgruppe begrüßen. Inzwischen hat eine Delegation aus der Region Nordfinnland unter der Leitung von Frau Gene
Sehr geehrte Frau Generaldirektorin Savolainen, sehr geehr te Gäste aus Nordfinnland, ich heiße Sie in der Plenarsitzung des Landtags von Baden-Württemberg herzlich willkommen und wünsche Ihnen weiterhin einen informativen und erfolg reichen Aufenthalt in unserem Land.
Nun kommen wir zur Abstimmung über die drei Gesetzent würfe. Bevor wir aber in die Abstimmung eintreten, darf ich auf Artikel 64 Absatz 2 der Landesverfassung hinweisen: