Protocol of the Session on October 29, 2015

Genau das ist die Überschrift dessen, was wir heute beraten. Alle Fraktionen dieses Hauses waren sich 2012 einig darin – das kann man in den Protokollen nachlesen –, dass wir alles

tun sollten, um ausbeuterische Kinderarbeit zu verhindern, und zwar unabhängig davon, wo sie stattfindet, ob in China, in Indien oder sonst wo.

Nun stellt sich heraus, dass dieses Gesetz nicht sorgfältig ge nug erarbeitet worden ist. Ich darf nochmals auf die Protokol le verweisen. Eine Stellungnahme, die ich bereits im Jahr 2012 eingefordert habe, haben wir bis heute nicht bekommen.

Nun will man dieser Problematik insoweit entgegentreten, als man ein gestuftes Verfahren schafft, wonach alles, was aus EU-Ländern kommt, als nicht mit ausbeuterischer Kinderar beit hergestellt gilt, weil Kinderarbeit in der EU gesetzlich verboten ist. Außerdem werden Zertifikate eingeführt, die von Non-Profit-Organisationen vergeben und als sicher angesehen werden. Bei Ländern wie China oder Vietnam muss der Händ ler nachweisen, dass er alles dafür getan hat, Kinderarbeit aus schließen zu können.

Nun steht eine Gesetzesnovelle an. Ich gehe davon aus, wenn die offenen Fragen zwischen dem Justizministerium und dem Sozialministerium geklärt sind, dann werden sich alle vier Fraktionen des Hohen Hauses bereit erklären, diesem Gesetz entwurf zuzustimmen. Deshalb möchte ich jetzt meiner Bitte noch einmal Ausdruck verleihen. Ich hoffe, dass wir im Rah men der Behandlung im Sozialausschuss eine entsprechende schriftliche Auskunft des Sozialministeriums erhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Lucha das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Änderung des Be stattungsgesetzes im Jahr 2012 haben alle vier Fraktionen die ses Hauses gemeinsam eine Rechtsgrundlage geschaffen, die es Friedhofsträgern in Baden-Württemberg ermöglicht, in ih ren Friedhofssatzungen festzulegen, dass auf ihren Friedhö fen nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Viele Kommunen hatten seinerzeit explizit darum ge beten.

Es war vorgesehen, dass die entsprechenden Anforderungen an diesen Nachweis durch den Satzungs- bzw. Verordnungs geber festgelegt werden. Mit Urteil vom 8. Mai 2014 hat der VGH entschieden, dass die Friedhofssatzung der Stadt Kehl rechtswidrig sei, weil die Nachweismöglichkeiten, dass ein Stein nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammt, derzeit nicht ausreichend seien und keine allgemein anerkannten Zer tifikate existierten. Im Übrigen hat der VGH dieses Urteil im Fall der Stadt Stuttgart bestätigt. Die Rechtsgrundlage im Be stattungsgesetz an sich wurde dabei vom VGH nicht kritisiert.

Nun haben wir daraus Konsequenzen gezogen. Infolge dieser Urteile war es aus unserer Sicht geboten, zu reagieren. Der Kollege Schwarz und ich für die Fraktion GRÜNE sowie Kol leginnen und Kollegen der anderen Fraktionen haben die In itiative dazu ergriffen.

Viele Kommunen waren verunsichert und stellten die Ände rung ihrer Friedhofssatzung, die sie gerade vornehmen woll ten, zurück. Aus unserer Sicht muss verhindert werden, dass diese wichtige Initiative des Landes zum Ausschluss von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mangels Nach weismöglichkeiten vor Ort nicht ausreichend umgesetzt wer den kann.

Wir haben daraufhin im Juli 2014 mit dem Sozialministerium verschiedene Lösungswege debattiert und sind auf Herrn Pro fessor Krajewski, einen anerkannten Professor für öffentliches Recht der Universität Erlangen, gestoßen, der sich dankens werterweise auch zum öffentlichen Vergaberecht sehr profund geäußert hat.

Wir haben dazu eine Fachanhörung in kleinem Kreis durch geführt, an der auch Vertreterinnen und Vertreter der Fraktio nen und Ministerien beteiligt waren.

Im Einzelnen – basierend auf der Einschätzung von Herrn Pro fessor Krajewski – gilt der Nachweis als erbracht, wenn die Grabsteine aus bestimmten Ländern des EWR oder der Schweiz stammen oder wenn ein bewährtes Zertifikat vorliegt, das aus drücklich bestimmte Kriterien aufweist. Auf der letzten Stu fe ist eine Erklärung zu verlangen, dass sich der Händler ver gewissert hat. Kann auch diese Zusicherung nicht gegeben werden, hat der Händler zu erklären, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um die Verwendung von Grabsteinen aus Kin derarbeit zu vermeiden.

Dieses Kaskadenmodell bietet aus unserer Sicht zum einen die Chance, die Nachweise tatsächlich zu erbringen, auch mit den schon zitierten anerkannten, nicht den Produzenten nahe stehenden, unabhängigen Organisationen, die zertifizieren. Zum anderen trägt es im dritten Schritt den Einwänden der Steinmetze Rechnung, die darauf abzielen, dass es tatsächlich keine Wettbewerbsbeschränkung gibt.

Fakt ist: Unser politisches, moralisches Ziel – gerade in der jetzigen Zeit – ist, ein Signal zu setzen, die ILO-Konvention 182 umzusetzen, weil dies ein Beitrag auch für gerechtes Wirt schaften auf der Welt, für eigenständige Entwicklungspers pektiven vor allem auch von Kindern und Jugendlichen ist. Gerade vor dem Hintergrund der weltweiten Ereignisse wird dieses Erfordernis noch einmal deutlich.

Es handelt sich auch hier nicht um ein Placebo oder ein Sym bol. Vielmehr wollen wir beweisen, dass wir in unseren Wirt schaftsbeziehungen – gerade auch mit Ländern in Südostasi en – nach klaren werteorientierten Maßstäben handeln.

Wir haben jetzt noch ein Zwischengespräch mit Herrn Mauch vom Städtetag und mit Verbänden geführt. Es gibt noch punk tuelle Anmerkungen, auch redaktionelle Vorschläge, z. B. eventuell das Wort „gemeinnützig“ herauszulassen. Das alles sind Punkte, die wir besprechen können.

Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen von al len Fraktionen für die gute und konstruktive Zusammenarbeit.

Ich meine, wir haben auf das Urteil gut reagiert, indem wir jetzt so einen profunden Vorschlag machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Reusch-Frey.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Kann der Kollege Lucha das vielleicht noch mal für den Präsidenten er läutern? – Zuruf: Manne Lucha hat noch Zeit!)

Kollege Lucha könnte noch weitere Ausführungen zu den Details machen, hat aber leider keine Redezeit mehr.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Kann er das schriftlich nachreichen?)

Bitte, Herr Kollege Reusch-Frey. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine Damen und Herren! Wenn Kinder in Steinbrü chen für Grabsteine auf unseren Friedhöfen arbeiten, dann ist das der SPD nicht egal. Wenn Gemeinden in ihrer Friedhofs satzung festlegen wollen, dass Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit auf ihren Friedhöfen keinen Platz haben, dann unterstützen wir das voll und ganz. Wenn der gesamte Land tag von Baden-Württemberg in dieser Sache an einem Strang zieht, dann zeichnet ihn dieses gemeinsame Vorgehen aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der Grünen)

In der Tat besteht Handlungsbedarf. Fast jeder zweite Grab stein stammt aus Indien. Dort arbeiten rund 150 000 Kinder in Steinbrüchen mit Schlagbohrern, atmen ohne Schutz den tückischen Staub ein und ruinieren damit ihre Gesundheit.

Die wirklich vertrauenswürdige Internationale Arbeitsorgani sation, ILO, berichtet immer wieder von ausbeuterischer Kin derarbeit unter dramatischen Verhältnissen. Diese Kinderar beit, meine Damen und Herren, muss ein Ende haben. Kin derarbeit hat in Steinbrüchen nichts zu suchen – nirgendwo auf dieser Welt.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Um dies zu erreichen, können und wollen viele einen Beitrag leisten. Immer mehr Leute blicken nicht nur auf das Äußere eines Steines, sondern fragen danach, was hinter dem Produkt steht: Woher kommt der Stein? Von wem und unter welchen Bedingungen wurde er hergestellt? Gerade bei Grabsteinen und Gräbern zeigen viele eine besondere Sensibilität. Schließ lich geht es um einen Teil der Erinnerungskultur an einen ver storbenen Angehörigen.

Wenn nun Kommunen verbindlich vorschreiben wollen, dass auf ihren Friedhöfen keine Grabsteine aus Kinderarbeit auf gestellt werden dürfen, dann ist es gut, wenn wir alle gemein sam dieses Anliegen unterstützen. Es geht um gute Arbeit, gu te Arbeit weltweit.

Schon seit dem Jahr 2000 gibt es das Übereinkommen 182 der Internationalen Arbeitsorganisation. Es zielt darauf ab, unver züglich Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten For men von Kinderarbeit umzusetzen. Das Übereinkommen 182 wurde von Deutschland ratifiziert und ist im Jahr 2000 in Kraft getreten.

Alle Handlungsebenen – Bund, Länder und Kommunen – sind in der Pflicht, ihre Möglichkeiten zu nutzen. Auf Landesebe

ne haben wir bereits 2008 die Verwaltungsvorschrift der Mi nisterien zur Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus aus beuterischer Arbeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge er lassen.

(Zuruf des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Darin ist u. a. auch das Verbot von Natursteinen aus Kinder arbeit enthalten.

Auf der Ebene der Kommunen kann inzwischen eine entspre chende Regelung in die Friedhofssatzungen aufgenommen werden. Der Landtag hat vor drei Jahren die notwendige Grund lage geschaffen. Nun gab es aber die rechtliche Prüfung durch das Verwaltungsgericht, die ergeben hat, dass eine Präzisie rung bezüglich des Nachweises notwendig ist. Die vorliegen de Gesetzesänderung beinhaltet eine abgestufte Anforderung für den Nachweis, dass ein Grabstein nicht aus ausbeuteri scher Kinderarbeit stammt.

Ich denke, das Entscheidende für uns ist, dass dieses Verfah ren in der bereits genannten Verwaltungsvorschrift des Lan des niedergelegt ist und sich auch bewährt hat. Insofern sind wir guter Dinge, dass das rechtsfest ist, dass wir den richtigen Weg einschlagen und dass das vor Gericht wirklich Bestand haben wird.

(Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Wir setzen darauf, dass nun möglichst viele Kommunen die eröffnete Möglichkeit nutzen, wenn wir dieses Gesetz durch den Landtag verabschiedet haben, und so einen Mosaikstein auf dem langen Weg zu guter Arbeit weltweit legen können. Kinderarbeit soll auf unseren Friedhöfen keinen Platz haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich das Wort Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! 2012 wurde das Be stattungsgesetz unter Beteiligung aller vier Fraktionen geän dert. Ich erinnere mich noch an viele Themen. Wir hatten ja auch einmal über Seebestattung gesprochen.

(Heiterkeit des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Kollege Lucha erinnert sich noch.

(Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)