Als Letztes will ich noch etwas zum Thema Holzwirtschaft sagen. Ja, ein Nationalpark bedeutet am Ende des 30-jährigen Entwicklungsprozesses, dass weniger Holz im Areal geschla gen werden kann. Die Forstliche Versuchs- und Forschungs anstalt geht von 50 000 Festmetern pro Jahr weniger aus.
Ich will das einmal in eine Relation setzen. Wir haben in Ba den-Württemberg einen jährlichen Holzeinschlag von 7 Mil lionen bis 10 Millionen Festmetern. Die Vorgängerregierung hat im Jahr 2010 – ich durfte die positive Bilanz von ForstBW neulich vorstellen – bewusst entschieden, beim Holzeinschlag im Staatswald nicht ganz bis an die Nachhaltigkeitsgrenze zu gehen. Das war, wie gesagt, keine grüne Entscheidung, aber eine Entscheidung, die sich im Nachhinein aus unserer Sicht als richtig erwiesen hat. Allein diese Entscheidung, nicht ganz bis an die Nachhaltigkeitsgrenze heranzugehen, hat bedeutet, dass im Jahr 2010 rund 250 000 Festmeter Holz weniger ge erntet worden sind. Man sieht, diese kleine, per Entscheid we niger geschlagene Menge hat eine fünfmal so große Auswir kung auf den baden-württembergischen Holzmarkt gehabt, wie sie ein Nationalpark nach 30 Jahren hätte.
Insofern sind wir, finde ich, alle gut beraten, uns jetzt an der Faktenanalyse zu beteiligen und dann, wenn das Gutachten vorliegt, gemeinsam mit der Region die Vor- und Nachteile zu klären.
Wir, die Landesregierung, sind der Überzeugung, die natur schutzrechtlichen, strukturpolitischen und wirtschaftspoliti schen Vorteile überwiegen deutlich. Aber auch wir stellen uns der Diskussion. Auch hier gilt die Politik des Gehörtwerdens. Wir bitten aber darum, dass beide Seiten hören.
Herr Minister Bonde, ge statten Sie noch eine letzte Zwischenfrage, eine Frage des Herrn Abg. Dr. Bullinger?
Herr Minister, nachdem Sie gesagt haben, dass dieses Gutachten längere Zeit in Anspruch nimmt, finde ich es gut, dass wir heute am An fang, bevor es vergeben wird, hier so intensiv diskutieren.
Ich habe einfach die Bitte – Sie haben ja die einzelnen Ar beitskreise besucht; aus zwei Arbeitskreisen weiß ich, dass ich für meinen Vorschlag große Unterstützung bekommen habe –, dass man in dem Gutachten den Nationalpark und ein spe zifiziertes Biosphärengebiet synoptisch darstellt, um zu sehen, wo die Unterschiede sind, um von einer Extremposition viel leicht zu einer vernünftigen Kompromisslinie zu kommen, um das zu erreichen, was wir in Baden-Württemberg vernünftig umsetzen können.
Herr Bullinger, wir sind auch in dieser Diskussion zu jeder Information bereit. Wir informieren je den, der vor Ort Fragen hat. Das gilt natürlich auch für das Parlament. Wir sind gern bereit, Ihnen auch synoptisch die Unterschiede noch einmal darzustellen. Ich habe nur darauf hingewiesen: In der Region gibt es, was die Frage des Bio sphärengebiets angeht, bisher keine Bewegung, sich an so et was zu orientieren. Im Gegenteil, die Gremien, die sich dort befasst haben, sind alle zu der Einschätzung gekommen: Es passt nicht. Ich bin da offen, wenn es eine neue Diskussion in der Region gibt. Ich erkenne sie aber im Moment nicht, im Gegenteil.
Herr Kollege Bullinger, eines noch zum Thema „Biosphärengebiet versus National park“: Das sind völlig unterschiedliche Ansätze.
Die Art der biologischen Vielfalt, die man damit erhalten kann, weist große Unterschiede auf. Es geht in diesem Fall, wie Sie selbst gesagt haben, um ein Sowohl-als-auch. Man benötigt also Konzepte wie Nationalparks, um großflächig Prozesse schützen zu können und um die ihnen innewohnen de biologische Vielfalt schützen zu können. Deshalb benötigt man ein entsprechendes Konzept großflächiger Schutzgebie te.
Noch ein Wort zum Tourismus: Ein bisschen mehr Seriosität hätte ich schon erwartet. Wenn wir die Übernachtungszahlen in den Landkreisen Regen und Freyung-Grafenau mit den neun Nationalparkgemeinden in diesen beiden Kreisen mitei nander vergleichen, ist Folgendes festzustellen: Im Süden des Nationalparks, also im Gebiet des alten Nationalparks, dort, wo sich Borkenkäfer – in der Kernzone des Nationalparks – auf Tausenden von Hektar ungestört ausbreiten, weil keine Borkenkäferbekämpfung stattfand, entsteht nun der größte Waldkindergarten Europas mit einer vielfältigen Naturverjün gung. Genau dort ist der Rückgang der Übernachtungszahlen in den letzten zehn Jahren vergleichsweise gering geblieben. Dort werden teilweise sogar Steigerungen festgestellt, und zwar im Gegensatz zu anderen Gemeinden im selben Kreis.
Was schließen wir daraus? Die vom Borkenkäfer schon seit Anfang der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts massiv beeinflussten Wälder des alten Nationalparks sind überhaupt kein Touristenschreck.
Fazit: Die FDP/DVP hinterfragt manche Punkte in einer Wei se, die mehr als fragwürdig ist. Sie sollten sich etwas anders positionieren.
Ich frage mich auch: Warum steht die FDP hier in BadenWürttemberg im Vergleich zur FDP in anderen Bundesländern so allein und verlassen da? Sie zeigen mit dem Thema der Ak tuellen Debatte wie auch mit Ihrem Beitrag hier im Plenum: Die FDP hat die Frage der Verantwortung gegenüber Mensch und Natur völlig vergessen, und sie hat die Zeichen der Zeit verkannt.
Mit dem Begriff „grünes Prestigeobjekt“ wird die Realitäts ferne der FDP/DVP-Landtagsfraktion auf dramatische Weise deutlich. Denn die FDP in anderen Bundesländern zeigt – wie auch SPD und CDU –, dass sie verstanden hat, dass dies auch ökonomische Vorteile mit sich bringt.
In einem Grußwort im Nationalpark Bayerischer Wald hat Ro man Herzog deutlich gemacht, dass er sich für Nationalparks einsetzt. Er sagte:
Ich hoffe zuversichtlich, dass ich hier noch einmal einen echten Urwald erleben werde und dass, bei allen Akzep tanzproblemen,
Fazit: Der Nationalpark ist eine große Chance für den Nord schwarzwald und für ganz Baden-Württemberg. Kolleginnen und Kollegen, insbesondere bei der CDU: Setzen Sie Ihre ei genen Ideen aus den Jahren 2010 und 2011 gemeinsam mit uns um. Sprechen Sie mit dem Bundespräsidenten, der ja Ih rer eigenen Partei angehört und der sich bei diesem Thema positioniert hat.
Wir, die Grünen, sind offen für Gespräche sowohl in der Re gion – solche Gespräche habe ich intensiv geführt – als auch hier im Landtag, und wir werden versuchen, diese einmalige Chance zu unterstützen.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, meine Damen und Herren! Herr Bullinger, ich denke, das, was Sie in Ihren Ausführungen deutlich gemacht haben, hat das, was Sie mit dem Titel der Aktuellen Debatte formu liert haben, weit übertroffen, und zwar im positiven Sinn. Als Thema wurde formuliert: „Nationalpark Nordschwarzwald – grünes Prestigeobjekt?“ Es ist das Wort „Objekt“, das mich gestört hat. Denn die Natur auf das Niveau eines Objekts zu reduzieren, widerspricht all dem, was wir in puncto Umwelt schutz und Bewahrung der Schöpfung in den letzten Jahrzehn ten gelernt haben.
Deshalb vielen Dank für Ihre Ausführungen und für die Be weglichkeit, die Sie in Ihrem Beitrag gezeigt haben.
Der Nationalpark Nordschwarzwald ist eben kein Objekt und kein fertiges Gebilde; er ist keine Sache, die festzementiert wäre. Es ist ein Projekt mit einem ganz bestimmten Ziel in nerhalb eines bestimmten Prozesses. Wir stehen am Anfang dieses Prozesses. Für mich leistet unser Landwirtschaftsmi nister hier hervorragende Arbeit. Er lässt die Menschen mit ihren Fragen, mit ihren Bedenken zu Wort kommen. Diese di alogorientierte Vorgehensweise ist diesem Projekt angemes sen. Sie ist vorbildlich. Vielen Dank.
Mit dem Nationalpark pflanzen wir nicht einfach eine Sache in den Nordschwarzwald ein, die sich hochgescheite Leute aus den Ministerien ausgedacht hätten. Vieles ist offen und ist noch zu entwickeln. Wir stehen am Anfang.
Der Nationalpark Nordschwarzwald ist ein Naturschutzpro jekt, das im Begriff ist, Gestalt zu gewinnen, und das hoffent lich immer mehr Leute überzeugen kann. Es ist offen für die Zustimmung aller politischen Farben. Lernen wir von der Na tur! „Bunt sind schon die Wälder“ – und ist hoffentlich zu ge gebener Zeit auch die Zustimmung zum Nationalpark Nord schwarzwald.
Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 2 beendet.
Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsver trag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften – Drucksache 15/197