Protocol of the Session on October 12, 2011

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Und war um kein Kompromiss?)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Reusch-Frey von der Fraktion der SPD.

„Nationalpark Nordschwarz wald – grünes Prestigeobjekt?“

(Zuruf von der CDU: Guten Morgen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen, sehr geehrte Damen und Herren! Bunt sind schon die Wälder. Was wäre der Wald ohne die Rotfärbung der Blätter jetzt im Herbst?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber diese Blätter fallen ab! – Heiterkeit – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Und dann werden sie schwarz! – Gegen ruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie werden schwarz! – Abg. Konrad Epple CDU: Rotfäule bei der Buche!)

Es ist nicht alles grün im Nationalpark,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Gott sei Dank!)

und auch um den Nationalpark herum ist die Nacht schwarz. Die Blätter werden gelb und rot – ein lebendiges Leben.

Zurück zur Farbe Rot. Zu der von Herrn Bullinger aufgewor fenen Fragestellung sage ich: Die SPD will den Nationalpark Nordschwarzwald konstruktiv und dialogorientiert voranbrin gen. Wir sagen Ja zu diesem Prozess.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Damit ergänze ich Ihre Fragestellung, meine sehr geehrten Herren von der FDP/DVP, die nun korrekt lautet: „National park Nordschwarzwald – grün-rotes/rot-grünes Prestigeob jekt?“

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Einverstan den!)

Mit einem Prestigeobjekt zeigen Menschen, was sie sind und was sie haben. In dem Land, in dem Porsche, Mercedes und AMG Autos produzieren, wissen wir, was ein Prestigeobjekt ist. Warum soll man sich in diesem Prestige produzierenden Land nicht auch mit einem Nationalpark schmücken?

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wir von der SPD haben prinzipiell nichts gegen das, was dem Land Ansehen und Anerkennung, ja Prestige bringt. Gleich gar nichts haben wir von vornherein gegen einen National

park, der uns ökologisches und touristisches Prestige ver schafft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Prestige hin oder her: Zum Nationalpark Nordschwarzwald sagt die SPD prin zipiell Ja. Wir wollen den Naturschutz aufwerten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wir auch!)

Wir wollen zeigen, was wir alles an biologischer Vielfalt ha ben können. Wir wollen einzigartige Erlebnisräume schaffen, die wir ohne den Nationalpark nicht hätten. Und wir wollen die ökologischen Potenziale weiterentwickeln und voll aus nutzen.

Es ist richtig: Wir haben bereits beachtliche Schongebiete und Bannwälder.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig! – Abg. Thomas Blenke CDU: Gerade im Nordschwarz wald!)

Aber wir haben in Baden-Württemberg noch keinen National park, und das wollen wir ändern. „Natürliche Natur“ – so könnte man das, was mit „Kernzone“ gemeint ist, bezeichnen. Es sind Flächen – große Flächen –, die der Natur überlassen werden, wo sich die Natur aus sich selbst heraus entwickeln kann, Flächen, aus denen sich der Mensch zurücknimmt. Dort kann sich die Schöpfung selbst entwickeln, ohne dass wirt schaftliche Interessen maßgebend sind. Hierbei geht es um ei ne begrenzte Fläche. Es sind 10 000 ha, und zwar 7 500 ha Kernfläche und 2 500 ha Managementfläche.

Wir können und wollen in diesem Nationalpark von der Na tur etwas lernen: Wie geht es denn mit dem Klimawandel wei ter? Was macht die Natur aus den Veränderungen? Was ent wickelt sich, wenn der Mensch nicht eingreift? Welche Arten überleben, und was bildet sich an Neuem? Das können Wis senschaftler untersuchen. Das wollen und können wir auch unseren Kindern zeigen. Ich denke, wir können dann auch den Tourismus weiterentwickeln, Arbeitsplätze kompensieren und vielleicht auch neue schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, all das Positive darf nicht blind und verschlossen machen gegenüber Bedenken trägern und Skeptikern. Es ist verständlich und auch gar nicht anders zu erwarten, dass die Sägewerke und die Holzindust rie nicht begeistert sind. Es werden wirtschaftliche Interessen und Sorgen um Arbeitsplätze geäußert. Das soll nicht klein geredet werden, aber diese Sorgen dürfen nicht das K.-o.-Kri terium für ein Projekt sein, das vielschichtig ist und wirklich viele Dimensionen hat.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Zu Recht werden auch Sorgen bezüglich des Borkenkäfers ge äußert.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Solange es kein Juchten käfer ist!)

In diesen Tieren liegt ein ungeheures Potenzial, sich zu ver mehren. Gravierende Fehler haben im Bayerischen Wald da zu geführt, dass man daraus etwas lernt. Dass wir daraus Kon sequenzen ziehen, das ist selbstverständlich.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Empfäng nisverhütung!)

Um die Kernzonen des Nationalparks sollen abgestufte Be reiche geschaffen werden.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Schilder aufstellen!)

Dort kann der Mensch kontrollierend eingreifen; das ist auch notwendig. Geschultes Personal ist vorgesehen und muss vor Ort sein, um die Entwicklung im Nationalpark zu beobachten und Schäden bei den Nachbarn rechtzeitig zu verhindern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch drei Klarstel lungen. Erstens: Wenn es um den Nationalpark Nordschwarz wald geht, reden wir über eine rund 10 000 ha große Fläche. Diese Fläche ist im Besitz des Landes, und für den National park wird keinem privaten Waldbesitzer sein Waldstück weg genommen. Seine Existenz wird weder bedroht, noch wird sie ihm entzogen.

Das Zweite richtet sich vor allem an Ihre Adresse, Herr Bullin ger: Der Nationalpark ist kein Fertigprojekt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

Vielmehr bringen wir eine Entwicklung in Gang. Mit diesem Entwicklungsnationalpark stoßen wir einen Prozess an, der 30 Jahre lang dauert. In diesem Zeitraum wird der National park sukzessive entwickelt. Nichts erfolgt überhastet, alles hat seine Zeit.

Der dritte Aspekt: Der Nationalpark ist keine Tabufläche für alle und für jeden. Wanderwege, Skiloipen, Radwege können bestehen bleiben. Wir können festlegen, auf welchen Teilflä chen man Beeren und Pilze sammeln darf.

Selbstverständlich wird und muss es Führungen und Bildungs einrichtungen geben. Der Nationalpark wird zu einem Ort für die Natur und für den Menschen entwickelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Nordschwarz wald haben wir die Voraussetzungen für einen Nationalpark in Baden-Württemberg. Nutzen wir diese Chance, und brin gen wir dieses Projekt gemeinsam voran.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich nun dem Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Bonde.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich bei der FDP/DVP ganz herzlich für die Gelegenheit bedanken, zu diesem für uns, aber auch für die Menschen in der Region Nordschwarzwald sehr wichtigen Projekt, über das sehr intensiv diskutiert wird, auch im Landtag Ausführungen zu machen und debattieren zu kön nen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ihr Beitrag, Herr Bullinger, hat deutlich gezeigt: Es wird über eine Reihe von Fragen diskutiert. Es gibt eine Reihe von be reits beantworteten und wieder gestellten Fragen. Aber es gibt

auch eine ganze Reihe von Fragen, über die in der Region sehr intensiv diskutiert worden ist und über die weiter diskutiert wird.

Ich will deshalb die Gelegenheit nutzen, noch einmal deutlich zu machen: Wir von SPD und Grünen haben im Koalitions vertrag geschrieben: Es ist gut, wenn Baden-Württemberg ei nen Nationalpark bekommt. Wir wollen ihn im Dialog mit der betroffenen Region entwickeln.

Ich habe bei mir im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Voruntersuchungen der schwarz-gelben Vorgängerkoalition in den Bereichen Naturschutz und Forst vorgefunden. Diese Voruntersuchungen haben ergeben, dass es – das wussten wir übrigens nicht – seitens der alten Lan desregierung einen intensiven Suchlauf gab. Dieser hat erge ben, dass aufgrund der betreffenden Kriterien nur der Nord schwarzwald für einen Nationalpark in Baden-Württemberg infrage kommt. Wir haben außerdem eine Diskussion in der Region über die angesprochene Frage vorgefunden, die mit dem Koalitionsvertrag wieder losging.

Ich habe für die Landesregierung der Region ein Angebot ge macht. Ich habe mich mit den potenziell betroffenen Landrä ten im 17 000 ha umfassenden Suchraum aus der schwarzgelben Ära getroffen. Ich habe mich also mit den Landräten von Freudenstadt, von Calw, des Ortenaukreises und des Krei ses Rastatt sowie dem Oberbürgermeister der Stadt BadenBaden und den beiden zuständigen Regierungspräsidenten ge troffen und einen Verfahrensvorschlag gemacht. Sie haben an gemahnt, die Bevölkerung einzubinden, und gesagt, das dür fe nicht hoppla hopp passieren. Ich teile diese Einschätzung. Wir wollen nicht, wie Bayern, über Nacht per Anordnung des Ministerpräsidenten und Landtagsgesetz der Region einen Na tionalpark überstülpen. Vielmehr: Wenn man ein solches Pro jekt macht, muss es aus der Region unterstützt werden, damit seine Vorzüge zum Tragen kommen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)