Leidet nicht die elementare Grundbedingung unseres Ver fassungssystems – die Rechtstreue der Bürger –, wenn rechtliche Bindungen beiseitegeschoben werden – von Wirtschaftseliten, die Verträge missachten, von der Poli tik – –
Leidet nicht die elementare Grundbedingung unseres Ver fassungssystems..., wenn rechtliche Bindungen beiseite geschoben werden – von Wirtschaftseliten, die Verträge missachten, von der Politik, die bestehende Regeln aus setzt oder Fristen, die das Bundesverfassungsgericht setzt, nicht beachtet?...
Diese Tendenzen, so meine ich, sind bedenklich, weil sie der Verfassungserwartung nicht gerecht werden. Das Grundgesetz zwingt uns bei Entscheidungsprozessen, die das Leben der Bürger betreffen, zur Transparenz, zur Sorgfalt und zum Nachdenken. Demokratische Verfahren sind anstrengend, sie brauchen Raum für Diskussionen und Streit, für Überzeugungen und Konsens, sie benöti gen Zeit. Dies gilt besonders dann, wenn die Entschei dungen Weichen für unsere Zukunft stellen.
Dies, meine Damen und Herren, hat Bundespräsident Chris tian Wulff am 28. September dieses Jahres anlässlich des Fest akts zum 60-jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts gesagt. Er hat damit deutlich gemacht, wie man mit der Ver fassung umgehen muss und wann es Zeit ist, demokratisch zu entscheiden. Ich frage Sie: Wenn nicht der Kauf der EnBWAktien eine Entscheidung war, die Weichen für die Zukunft dieses Landes gestellt hat, welche Entscheidung ist es eigent lich dann?
Sie haben gesagt, Sie seien kein Jurist. Aber man kann das Ur teil des Staatsgerichtshofs auch verstehen, ohne Jurist zu sein. Die Pressemitteilung zum Urteil umfasst drei Seiten. Daraus ist schon zitiert worden.
macht am Ende einen Vorschlag. Dieser besagt fast wörtlich, die Entscheidung, ob und gegebenenfalls wie Vorsorge dafür zu treffen wäre, dass ein im Landesinteresse stehendes Han deln in solchen Fällen künftig möglich würde, stehe als Ge setzes- oder Verfassungsänderung ausschließlich dem Parla ment zu.
Es ist ein Vorschlag. Wir haben unsere Meinung dazu gesagt. Ich habe Herrn Bundespräsident Wulff zitiert und damit deut lich gemacht: Wenn es um Entscheidungen geht,
die Weichen für die Zukunft stellen, dann wollen wir demo kratische, öffentliche und transparente Verfahren. Das wäre insbesondere bei dem Kauf der EnBW-Aktien entscheidend gewesen. Denn dann hätte sich herausgestellt, dass das, was Sie, Herr Hauk, bis heute behaupten, eben nicht zutrifft. Die Art und Weise und der Preis, zu dem diese Aktien gekauft
wurden, waren eindeutig nicht zum Wohl des Landes. Sie sind vielmehr zu einer schweren Belastung für das Land gewor den. Auch dies muss man einmal festhalten.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Die einzige Belastung ist die Verzögerungstaktik beim Bahnhof!)
Der damalige Ministerpräsident Mappus hat argumentiert, ei ne schwäbische Hausfrau wäre sehr zufrieden.
Ich kann nur sagen: Eine schwäbische Hausfrau muss sich heute über die Unkenntnis, mit der der Kauf dieser Aktien vor genommen wurde, die Haare raufen. Der Preis von 41,50 € pro Aktie – das war schon zum damaligen Zeitpunkt klar – war deutlich überhöht. Zu diesem Zeitpunkt wurde von der Société Générale ein Wert von 34 € pro Aktie ermittelt. Schon damals war klar, dass die Preise für Aktien von Energiever sorgungsunternehmen – Kollege Schmiedel hat zitiert, in wel cher Zeit diese Entscheidung stattgefunden hat – äußerst la bil waren und eher die Tendenz nach unten als nach oben hat ten. All dies führt dazu, dass der Kauf zu einer schweren Be lastung für dieses Land geworden ist, meine Damen und Her ren.
Nichtsdestotrotz ist klar: Wir werden mit den Anteilen des Landes an diesem Energieversorger verantwortungsvoll um gehen.
Wir werden dafür Sorge tragen, dass sich dieser Energiever sorger in Zeiten der Energiewende neu aufstellt, diese Ener giewende mit vorantreibt und mit unterstützt. Wir hoffen da bei auch auf Ihre Unterstützung. Bevor wir aber gemeinsam daran arbeiten können, ist es notwendig, dass Sie, Herr Hauk, zu diesem Verfassungsbruch endlich klar Stellung beziehen, dass Sie sagen: „Es war ein Fehler, wie wir gehandelt haben. Diesen Fehler werden wir nicht wiederholen.“ Das ist das Mindeste, was wir in diesem Parlament von Ihnen erwarten können.
Von der Regierung hat sich der Minister für Finanzen und Wirtschaft, Herr Dr. Schmid, zu Wort gemeldet.
(Abg. Peter Hauk CDU: Es ist auch ungewöhnlich, dann zu reden, wenn keine Redezeiten in der Aktuel len Debatte mehr da sind! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ich habe noch andert halb Minuten! – Zuruf der Abg. Tanja Gönner CDU)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat über die Rechte des Landtags debattiert. Ich will für die Regierung zu den Konsequenzen Stellung neh men, die die Regierung aus dem Urteil des Staatsgerichtshofs zieht.
Aber vorab bringe ich auch für die Regierung den Respekt ge genüber dem Kollegen Stächele zum Ausdruck, dass er die Konsequenzen aus dem Urteil gezogen hat. Herr Ministerprä
sident Kretschmann hat dies gestern zum Ausdruck gebracht. Ich will dies auch im Forum des Landtags ausdrücklich tun.
Das Urteil ist ein Urteil über die Amtsführung des damaligen Finanzministers Stächele. Es ist aber auch ein Urteil über den Stil der Regierung Mappus. Es ist ein Urteil über die Aus übung des Notbewilligungsrechts durch den Finanzminister.
An diesem Punkt der Debatte will ich davor warnen, die ver fassungsrechtlichen Maßstäbe ins Rutschen zu bringen. Es geht um ein Recht des Finanzministers. Laut diesem Urteil war es der Finanzminister, der die Verfassung gebrochen hat, aber nicht, wie bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Haushalts, eine Parlamentsmehrheit, die einem von der Regierung eingebrachten Haushaltsgesetzentwurf zugestimmt hat, der sich nachträglich – aufgrund welcher Überlegungen auch immer – als verfassungswidrig herausgestellt hat.
Deshalb ist der Verfassungsverstoß, den der Staatsgerichtshof festgestellt hat, eindeutig und in höherem Maß als in anderen Fällen – weil es um das Notbewilligungsrecht des Finanzmi nisters geht – in der politischen Verantwortung der Person zu sehen, die dieses Amt zu diesem Zeitpunkt ausgeübt hat.
Der Staatsgerichtshof wirft aber auch ein Schlaglicht auf den Regierungsstil von CDU und FDP/DVP unter Ministerpräsi dent Mappus. Denn eines ist deutlich geworden – das war der Kern der Kritik der damaligen Oppositionsfraktionen –: Der Zweck heiligt nicht jedes Mittel. In einer parlamentarischen Demokratie, in einem Rechtsstaat muss die Regierung ihr Handeln einordnen in Recht und Verfassung.
Wer ein – politisch vielleicht begrüßenswertes – Ziel verfolgt, muss bei der Verfolgung dieses Zwecks Recht und Verfassung achten. Das gilt für jede Regierung, und das gilt insbesonde re auch für die damalige Regierung Mappus. Der Staatsge richtshof hat festgestellt, dass diese Regierung diesen Grund satz nicht beachtet hat.
Wer hat sich denn vorstellen können, nachdem diese Nach richt an die Öffentlichkeit gedrungen ist, dass die Regierung auf die Idee kommt, ein Geschäft im Umfang von 5 Milliar den € am Parlament vorbei zu bewilligen? Als wir die Planung für die Sondersitzung des Finanzausschusses angegangen sind, sind wir alle davon ausgegangen – allen voran der da malige Vorsitzende des Finanzausschusses Ingo Rust –, dass es sich um ein verkürztes Nachtragshaushaltsverfahren han deln würde. Wir wurden aber damit konfrontiert, dass alles schon in trockenen Tüchern war, dass es nur noch Staffage war, was der Landtag dazu hätte sagen können. Das war die Wahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Diejenigen, die damals im Finanzausschuss dabei waren und miterlebt haben, wie Herr Mappus und die Berater aufgetre ten sind, und diejenigen, die bei den Landtagsdebatten dabei waren, die sich daran angeschlossen haben, erinnern sich si cherlich noch ganz genau daran, mit welch mangelnder Sorg
falt dieses Geschäft in der offenbar notwendigen Geheimhal tung, aber auch in der angeblich notwendigen Eile durchge zogen worden ist. Es lag keine umfassende Unternehmensbe wertung vor, sondern nur die Fair Price Opinion, die von ei ner Bank eingeholt worden ist und zwei Seiten umfasst. Es lag keine Due-Diligence-Prüfung vor, wie man es bei einem so großen Investment des Landes erwarten könnte.