Ganz kurz noch ein Satz. – Ich verstehe gar nicht, warum sich Ihr Verhältnis zum Landesrechnungshof so geändert hat. Ich zitiere dazu ein Gedicht von Manfred Rommel. Im Origi nal heißt es „Stoßgebet der Bürgermeister“.
Für die Landesregierung gilt jetzt Folgendes: Schütz uns vor Rheuma, Grippe, Gicht und vor allem vor der Finanzaufsicht.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Nach unserer Auffassung müssen wir die Frage der Nachhaltigkeit der Pensionen unter zwei Aspek ten betrachten. Diese zwei Aspekte hat meine Fraktion schon seit dem Jahr 2006 in diesem Haus thematisiert, allerdings oh ne die Zustimmung der FDP/DVP.
Ein Aspekt bezieht sich darauf, wie wir eine bessere Vorsor ge für künftige Pensionsverpflichtungen schaffen. Dass die Zuführung zum Pensionsfonds angehoben werden muss, ist keine Frage. Das ist auch keine Erkenntnis der FDP/DVP. Vielmehr hat der Rechnungshof in seiner Denkschrift erneut darauf hingewiesen. Wir müssen dies im Zusammenhang se hen und im Zusammenhang lösen. Mit einer Politik des Wunschzettels allein kommen wir hierbei nicht weiter.
Deshalb muss zweitens die Frage lauten: Wie entlasten wir das Land von künftigen Pensionsverpflichtungen, indem wir eine für die Beamten zumutbare schrittweise Anpassung an die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung errei chen?
In diesem Zusammenhang nenne ich das Stichwort Beihilfe. Allein von 2010 auf 2011 sind die Beihilfeleistungen für Ver sorgungsempfänger von 578 Millionen € auf 629 Millionen € angestiegen. Dies entspricht einem Zuwachs von 8,8 % in ei nem einzigen Jahr, und es ist kein Ende in Sicht; denn die Kos ten für die medizinische Versorgung im Alter steigen schnel ler als das Sozialprodukt.
Wer bei diesem Thema wirklich vorankommen will, muss das Ganze im Zusammenhang betrachten, Herr Dr. Rülke. Wir werden dies auch tun und im Zusammenhang eine Lösung herbeiführen.
Dies werden wir zusammen mit den Beschäftigten und ihren Vertretern tun. Wir werden mit den Beschäftigten und deren Organisationen sehr zeitnah darüber sprechen, wie ein zumut barer Beitrag der Pensionäre aussehen kann, damit auch die heute jungen Kolleginnen und Kollegen später mit einer ver nünftigen und angemessenen Pension rechnen können.
Herr Dr. Rülke, die Umsetzung Ihres Gesetzentwurfs würde bis zum Jahr 2020 Kosten in Höhe von rund 1,5 Milliarden € verursachen. Sie unterbreiten jedoch keinen Finanzierungs vorschlag. Auch bei der Beratung im Finanz- und Wirtschafts ausschuss haben Sie keinen Finanzierungsvorschlag vorge legt. Das heißt, diese Kosten von etwa 1,5 Milliarden € bis zum Jahr 2020 würden zu der Deckungslücke von über 8 Mil liarden €, die Sie uns hinterlassen haben, hinzukommen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir einen strukturellen und nachhaltigen Finanzierungsvorschlag brauchen. Der Verweis auf die momentanen Steuermehreinnahmen ist in jeder Hin sicht ungenügend, zumal die FDP/DVP zugleich auch noch die Nullverschuldung einfordert. Das ist in Ordnung, und das ist ein richtiges Ziel, an dem wir arbeiten. Ich bin zuversicht lich, dass wir dieses Ziel auch erreichen werden.
Ich sage Ihnen aber: Mehr ausgeben, wie Sie es hier begeh ren, Steuern senken, wie es Ihre Partei ständig fordert, und gleichzeitig der sofortige Schuldenstopp, das ist das kleine Einmaleins der FDP, das auch die deutsche Hausfrau in Ba den-Württemberg, in Berlin und überall längst als Schwindel durchschaut.
Ich betone nochmals, dass das Thema Pensionslasten wichtig ist. Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP/ DVP, haben aber seit Jahren, ja seit Jahrzehnten weggeschaut und die Dinge treiben lassen. Genau deshalb haben wir heu te ungedeckte Schecks in Höhe von 70 Milliarden €, die Sie ausgestellt haben, ohne für eine Deckung zu sorgen.
Meine Damen und Herren, wir werden das Thema voranbrin gen, aber verantwortlich, im Zusammenhang und im Sinne der Nachhaltigkeit der Finanzpolitik sowie im Sinne der Si cherung von auch künftig angemessenen Pensionen für unse re Beamtinnen und Beamten.
Herr Dr. Rülke, ich habe keine Andeutung gemacht. Vielmehr ist das Thema einfach zu komplex, als dass man kurzfristig denken, nur einseitig die Steuermehreinnahmen betrachten und einfach etwas vorschlagen könnte, ohne sich um die an deren Themen zu kümmern.
Ich gehöre diesem Haus nun seit fünf Monaten an. Ich wun dere mich sehr darüber, dass Menschen, Parteien und Frakti onen, die 57 Jahre lang in diesem Haus etwas zu sagen hat ten, die Dinge so haben treiben lassen. Ich finde, Ihr Wechsel in die Opposition hat Ihnen und auch dem Land gutgetan. In diesem Sinn werden wir sehr konkrete Vorschläge machen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sie sprechen, als wä ren Sie schon 50 Jahre dabei!)
Sehr geehrter Herr Präsident, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Anliegen der FDP/DVPFraktion, die Einzahlungen in den Versorgungsfonds von 500 € pro Monat auf 1 200 € pro Monat und Beamten aufzu stocken, ist im Grunde berechtigt. Das ist auch eine wichtige Zukunftsaufgabe. Die Ausführungen, die dazu gemacht wer den, teilen wir. Auch die Berechnungen von Herrn Kößler bleiben von uns unwidersprochen. Die SPD hat sich dieses Themas in der Opposition, im Koalitionsvertrag und im Kas sensturz des Finanzministers angenommen. Das war immer ein wichtiges Thema, und deshalb findet man, wenn man goo gelt, auch eine Menge über den Versorgungsfonds.
Auch das, was der Rechnungshof sagt – er schlägt in seiner Denkschrift in die gleiche Kerbe –, nehmen wir ernst. Wir fol gen dem Rechnungshof in der Meinung, dass der Versorgungs fonds ein wirkungsvolles, vielleicht auch sehr hartes Instru ment zur langfristigen Stabilisierung der Staatsfinanzen ist. Man verteuert damit den Faktor Arbeit. Schon in der Gegen wart entstehen dann hohe Ausgaben – bisher wurden diese Ausgaben in die Zukunft verlagert –, und das ist grundsätz lich richtig. Personalpolitisch wird es dadurch allerdings nicht einfach; Einstellungen von Beamtinnen und Beamten werden sehr teuer. Man bekommt die Kosten natürlich drastisch vor Augen geführt. Aber ich sage: Das ist sicherlich ein richtiges und wichtiges Instrument.
Der Rechnungshof macht aber gleichzeitig – das sieht man, wenn man die Denkschriften studiert – weitere Vorschläge. Sanierungsbedarf bei den Straßen: 100 Millionen €. Auch das sollte man stemmen, damit das Vermögen nicht aufgezehrt wird. Es gibt auch einen Sanierungsbedarf bei landeseigenen Gebäuden. Hinzu kommt die Nullneuverschuldung, für die sich der Rechnungshof einsetzt. Diese Quadratur des Kreises zu schaffen wird etwas schwierig; denn wir sollen ja auch Po litik machen. Bildung, Energiewende, Kleinkindbetreuung – eine ganze Menge an Aufgaben, für die wir auch gewählt wor den sind, sind zu bewältigen.
Ich sage es Ihnen ehrlich – ich rede auch nicht groß darum he rum –: Momentan, fünf Monate, nachdem wir die Regierung übernommen haben, können wir diese Mammutaufgabe nicht stemmen. Eine Erhöhung des Beitrags auf jährlich 14 400 € pro neu eingestellter Beamtin oder neu eingestelltem Beam ten kostet uns im Jahr 2012 190 Millionen € und im Jahr 2013 250 Millionen € zusätzlich. Wir schaffen es nicht, die Ver säumnisse, die von den Vorgängerregierungen jahrzehntelang begangen worden sind, auszuräumen oder auch die Beträge, die jetzt als zu niedrig kritisiert werden, innerhalb weniger Monate nachzubessern.
Man könnte jetzt sagen – dieses Argument ist im Finanzaus schuss gefallen –: Wir haben mehr Steuereinnahmen, und die nehmen wir jetzt und lösen das Problem. Wir müssen mit die sen Steuereinnahmen aber zuerst einmal eine Deckungslücke schließen. Nach der Mai-Steuerschätzung sind für 2012 im merhin noch 2 Milliarden € offen. Zuerst müssen wir einmal diese Deckungslücke schließen. Wir wollen auch die Nullneu verschuldung – da sind wir uns mit Ihnen einig –, wir müssen Risiken abdecken, und wir müssen den Sanierungsstau ver ringern. Danach – das ist meine Befürchtung – bleibt von den
Steuermehreinnahmen nicht mehr viel übrig, um den Fonds in der von Ihnen gewünschten Höhe auszubauen.
Die genannten Punkte widersprechen einander, und wir kön nen nicht alles gleichzeitig leisten. Wir müssen Prioritäten set zen.
Die neue Regierung wird nicht gleich jede Last stemmen kön nen, sie wird auch nicht über jedes Stöckchen, das man ihr in den ersten Monaten hinhält, springen können. Ich empfehle aber, das Instrument eines Versorgungsfonds nicht beiseitezu legen – da sind wir uns, glaube ich, auch einig, Frau Aras –, sondern mit Augenmaß auszubauen und es für die langfristi ge Sanierung des Staatshaushalts effektiv einzusetzen.
Wir werden diese ganze Thematik im Zusammenhang mit dem Haushalt 2012 und im Lichte der Finanzplanung bis 2015 an schauen, beraten und auch versuchen, erste Lösungen zu brin gen. Einen Schnellschuss, wie er im FDP/DVP-Gesetzentwurf vorgeschlagen ist, lehnen wir allerdings ab.
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Aras und Kollege Maier haben schon sehr treffend die Zahlen genannt, die im Zusammenhang mit dem Versorgungsfonds zu nennen sind. Deswegen kann ich mich bei diesem Teil kurzfassen und möchte nur auf ein paar grundsätzliche Dinge nochmals ein gehen.
Zuerst möchte ich einfach noch einmal daran erinnern, dass Sie, Herr Dr. Rülke, und Sie, Herr Kößler, genau einen sol chen Vorschlag vor wenigen Monaten noch abgelehnt haben. Ich erspare mir, jetzt die Zitate von Frau Berroth und von Herrn Herrmann vorzulesen, die wortreich begründet haben, warum man einen solchen Versorgungsfonds in dieser Höhe auf gar keinen Fall einführen könne. Genau diese Argumente könnte ich Ihnen vorlesen. Ich erspare es Ihnen.
Die Entwicklung ist in der Tat dramatisch. Ob ihr Ausmaß, Herr Dr. Rülke, als „biblisch“ bezeichnet werden kann, weiß ich nicht. Das hat der Herr Minister auch nicht gemacht. Das haben Sie fälschlicherweise so dargestellt. Aber die Entwick lung ist dramatisch.
Wenn man sich die Systematik der Versorgungslasten an schaut, dann muss man zurückblicken und erkennen: Diese dramatische Steigerung, die wir jetzt haben, ist vor etwa 40 Jahren verursacht worden. Denn es sind genau die Beamtin nen und Beamten, die damals eingestellt worden sind, für die
man damals keine Versorgungsrücklage gebildet hat, die jetzt sukzessive in den Ruhestand gehen. Das heißt, wenn man Ver sorgungsrücklagen bildet, dann zahlt sich das de facto erst nach etwa 40 Jahren aus. Erst dann profitiert man davon, denn erst dann sind die damals zurückgelegten Gelder verfügbar. Das heißt, ein Zurücklegen nur für Beamte, die wir jetzt neu einstellen, würde für unsere aktuelle, augenblickliche Situa tion der dramatisch ansteigenden Pensionsverpflichtungen kei ne akute Verbesserung bringen.
In der Tat würde es aber für die Zukunft zu Verbesserungen führen – für zukünftige Generationen, kann man sagen –, näm lich für die Jahre ab 2040 oder 2050. Deswegen müssen wir das Problem angehen.
Die neue Landesregierung hat – ich habe das schon in der ers ten Lesung ausgeführt – einen Kassensturz durchgeführt und dabei zahlreiche Finanzierungsproblematiken aufgedeckt. Die Pensionsverpflichtungen sind eine Problematik. Ich denke aber auch an den großen Sanierungsstau bei den Landesge bäuden, ich denke an den großen Sanierungsstau bei den Lan desstraßen, und ich denke an viele, viele Projekte. Mir begeg net fast wöchentlich ein neues Projekt, das von der vorheri gen Landesregierung versprochen oder dessen Umsetzung so gar schon in Gesetzesform gegossen wurde, das aber nicht fi nanziert ist und in der mittelfristigen Finanzplanung nicht dar gestellt wurde. Diese Löcher sind zu schließen.
Als Beispiel nenne ich den misslungenen Versuch, ein Lebens arbeitszeitkonto einzuführen, Stellen schon einmal im Vorfeld zu streichen, Geld schon einmal im Vorfeld zu streichen. Aber kein einziger Beamter konnte sich tatsächlich melden, mehr zu arbeiten, weil das Verfahren noch nicht umgesetzt war. Wir standen, als wir die Regierung übernommen haben, vor der Situation, entweder 700 Lehrerstellen, die gestrichen wurden, nicht zu besetzen und damit Unterrichtsausfall im ganzen Land zu haben oder Geld in die Hand zu nehmen – das waren für die komplette GMA 20 Millionen € –, um diesen Fehler der Vorgängerregierung auszugleichen.
Solche Lücken tun sich bei näherer Betrachtung en masse im Landeshaushalt auf. Dem wollen wir entgegenwirken.