Protocol of the Session on October 1, 2015

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich der Fraktionsvorsitzenden, Frau Sitzmann, das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Zuallererst – –

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Die Bewertung!)

Wie bitte? Sie haben etwas gesagt?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Er hat sich des pektierlich geäußert! – Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Sie sind dran!)

Ja, ich bin dran. Genau. So ist es.

Zuallererst, meine Damen und Herren, möchte ich an dieser Stelle ganz besonders dem Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, danken

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: In Abwesenheit! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Der Ministerpräsi dent ist schon gegangen! – Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Sollen wir es ihm ausrichten?)

und allen Mitgliedern der Landesregierung, die dafür gesorgt haben, dass diese Verhandlungen letzte Woche überhaupt zu einem Ergebnis geführt haben. Das ist nicht selbstverständ lich; das ist eine große Leistung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Winfried Kretschmann hat daran, dass es ein Ergebnis gab, maßgeblichen Anteil. Das Allerwichtigste ist: Es gibt ein Er gebnis.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, dieses Ergebnis ist in harten Ver handlungen erzielt worden. Von Ramelow über Kretschmann bis Seehofer hat es eine Einigung in wichtigen Punkten gege ben. Auch das ist eine herausragende Leistung, für die ich al

len Beteiligten, aber insbesondere unserem Ministerpräsiden ten danken möchte.

(Beifall bei den Grünen)

Es ist richtig und wichtig, dass Baden-Württemberg diesem Verhandlungsergebnis, diesem Gesamtpaket im Bundesrat – selbstverständlich – zustimmen wird, auch wenn dieses Er gebnis natürlich nicht Grün pur ist. Es ist aber auch nicht SPD pur oder Linke pur. Ob es CDU pur ist, wissen wir nicht, weil es der vielstimmige Chor leider nicht möglich macht, zu er kennen, was denn jetzt eigentlich die Position der CDU ist.

(Heiterkeit bei den Grünen – Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Aber wie dem auch sei: Das Gesamtpaket ist richtig und wich tig, auch wenn es neben dem Licht auch Schatten gibt. Dazu werde ich später noch kommen. Es ist vollkommen klar, dass die Anstrengungen, die erforderlich sind, nur gemeinsam un ternommen werden können. An dieser Stelle hat Ministerprä sident Kretschmann gezeigt, dass er verantwortungsvoll für Baden-Württemberg handelt.

Er hat auch dazu beigetragen, dass es im Bundesrat eine Mehr heit für dieses Gesamtpaket geben wird. Er hat dafür gesorgt, dass diesem Gesamtpaket auch viele Länder zustimmen wer den, in denen die Grünen mitregieren. In neun von 16 Län dern regieren die Grünen mit. Es steht heute schon fest, dass neben Baden-Württemberg auf jeden Fall auch SchleswigHolstein, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen zustim men werden. Die Grünen in Thüringen werben dafür, diesem Paket auch zuzustimmen. Auch das ist ein sehr wichtiges Si gnal, das unseren Respekt und unseren Dank verdient.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, letzte Woche gab es eine Umfra ge, die zeigt, dass die Menschen in Baden-Württemberg da von überzeugt sind, dass diese grün-rote Landesregierung mit dem Thema Flüchtlinge gut umgeht. Es gibt nur eine ver schwindend kleine Minderheit, Herr Kollege Wolf, die meint, dass Sie es besser könnten.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ja! – Zuruf des Abg. Guido Wolf CDU)

Zwei Drittel haben gesagt, dass auch Sie diese Probleme nicht besser lösen könnten – auch 48 % der CDU-Anhänger.

Meine Damen und Herren, ich kann also sagen: Draußen kommt das an, was diese Landesregierung tut. Bis Sie sich überlegt haben, was Sie fordern wollen, hat diese Regierung schon längst geplant, entschieden und umgesetzt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Lachen des Abg. Guido Wolf CDU)

Und ich sage deutlich: Es wird nichts zurückgedreht, und es wurden keine Lösungen verzögert. Ich weiß nicht, wie Sie verhandeln. In der Regel macht man das so, dass man unter schiedliche Aspekte in einem Paket verhandelt und dass man dann schaut, dass eine Win-win-Situation oder ein tragfähiger Kompromiss entsteht.

Genau das war der Grund, warum der Landtag von BadenWürttemberg – Grüne und SPD – letzte Woche Ihrem Antrag auf Ausweitung der sicheren Herkunftsländer nicht zuge stimmt hat. Wir haben und hatten Vertrauen, dass dieser Mi nisterpräsident mit seinen Kolleginnen und Kollegen in allen Punkten die richtigen Entscheidungen treffen wird. Das hat er getan, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir, die Fraktion GRÜNE, sind mehr denn je im ganzen Land unterwegs. Wir sprechen mit ehrenamtlichen Helfern. Wir sprechen mit der kommunalen Ebene. Wir sprechen mit der Polizei und der Feuerwehr. Wir besichtigen die Flüchtlings einrichtungen vor Ort. Wir gehen zu Bürgerversammlungen. Wir wissen natürlich, dass es Sorgen gibt, und wir nehmen die Sorgen ernst.

Eines ist klar: Wer die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger nur wiederholt, ohne auf sie zu antworten, der schürt Ängste, Kol lege Wolf.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir machen das Gegenteil. Wir beantworten die Fragen und gehen auf die Sorgen, die es bei den Bürgerinnen und Bürgern gibt, ein. Wir informieren, wir erklären. Wir betonen, dass die Zuwanderung auch eine große Chance ist und dass wir in ei ner Verantwortungsgemeinschaft mit der großen Unterstüt zung der ehrenamtlichen Helfer diese Aufgabe meistern wer den. Davon sind wir überzeugt. Davon sind auch viele Bür gerinnen und Bürger überzeugt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ein Punkt, der jetzt endlich möglich wird und für den wir lan ge gekämpft haben, ist die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte. Es gibt Leute, die durch das Land gehen und etwas von Rundumversorgung erzählen. Deswegen sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Bei dieser Ge sundheitskarte, die auf der Grundlage bundesgesetzlicher Re gelungen jetzt endlich eingeführt werden kann, geht es um ei ne Grundversorgung der Flüchtlinge. Sie entlastet die Kom munen beim Verwaltungsaufwand,

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Genau!)

sie spart Geld, sie ist positiv für die Flüchtlinge, und sie ent lastet die Ärztinnen und Ärzte oder auch die ehrenamtlich Tä tigen, die bislang die Flüchtlinge zum Amt und überallhin be gleiten müssen. Deshalb ist diese Gesundheitskarte ein ganz wichtiger Schritt. Sie schafft eine Win-win-Situation für vie le Beteiligte. Deshalb wird sie in Baden-Württemberg auch umgesetzt werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir erreichen damit eine deutliche Einsparung beim Perso naleinsatz. Letzte Woche habe ich schon Landrat Walter zi tiert, der als Präsident des Landkreistags der Einführung die ser Karte zustimmt. Insofern haben wir die Unterstützung der kommunalen Seite. Wir haben die Unterstützung der AOK. Wir haben die Unterstützung der Ärzteschaft. Alle halten die Einführung dieser Gesundheitskarte für einen wichtigen und richtigen Schritt. Deshalb wird sie in Baden-Württemberg kommen.

Nach unserer Vorstellung soll diese Gesundheitskarte ausge geben werden, wenn die Flüchtlinge in die kommunale Un terbringung kommen. Das ist der richtige Zeitpunkt für die elektronische Gesundheitskarte. Damit erreichen wir all die Vorteile, die ich gerade genannt habe, meine Damen und Her ren. Wir sind sehr froh, dass Ministerpräsident Kretschmann ermöglicht hat, dass wir in Baden-Württemberg endlich die sen wichtigen Schritt machen können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir sind auch froh, dass in der Ärzteschaft die Bereitschaft vorhanden ist, dass pensionierte Ärzte in den Erstaufnahme einrichtungen bei der medizinischen Versorgung mithelfen. Die Kollegin Mielich und ich hatten diese Woche ein sehr er mutigendes Gespräch mit der Landesärztekammer, die sehr große Unterstützung signalisiert hat. Überall in diesem Land machen sich die Bürger intensiv Gedanken, wie diese Aufga be gemeinsam bewältigt werden kann und welchen Beitrag sie leisten können.

Die Beteiligung an den Unterbringungskosten, die der Bund jetzt endlich zugesagt hat, ist ein ganz wichtiger Baustein. Der Ministerpräsident hat hier bereits wichtige Punkte angespro chen. Der Bund beteiligt sich endlich strukturell, dynamisch und dauerhaft an der Finanzierung der Flüchtlingsunterbrin gung und -versorgung – von der Registrierung bis zum Ab schluss der Asylverfahren. Damit ist auch ein Anreiz verbun den, die Asylverfahren deutlich zu verkürzen.

Das war ein ganz wichtiger Erfolg dieser Verhandlungen. Gleiches gilt für die Maßnahmen zur Verfahrensbeschleuni gung. Die Verfahrensdauer ist der Dreh- und Angelpunkt und macht einen Großteil der Probleme aus. Wenn wir es schaf fen, die Verfahrensdauer zu halbieren, dann bedeutet das rech nerisch, dass wir die Kapazitäten verdoppeln. Wenn schneller Entscheidungen fallen, haben wir mehr Kapazitäten zur Ver fügung, und das ist dringend notwendig.

Wir, das Land, leisten dazu unseren Beitrag. Ich war jetzt sehr erstaunt, dass Sie, Herr Wolf oder Herr Rülke, z. B. nicht zur Kenntnis genommen haben, dass es in Heidelberg ein Verteil zentrum geben wird, wo alle Verfahrensschritte absolviert werden können: von der Registrierung über die erkennungs dienstliche Behandlung, die Gesundheitsuntersuchung, die Beantragung von Asyl bis zur Entscheidung. Das Land steht parat. Wir warten auf die Stellen des Bundesamts für Migra tion und Flüchtlinge, und sobald diese in ausreichender Zahl vorhanden sind, kann es losgehen und kann die Verfahrens beschleunigung, die wir dringend brauchen, erreicht werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Uns Grünen ist – das ist ja bekannt – die Ausweitung der An zahl der sicheren Herkunftsländer nicht leichtgefallen. Es gibt nach wie vor keinen Beleg, dass dieses Instrument einen Bei trag dazu leistet, dass weniger Menschen nach Deutschland kommen, deren Asylverfahren keine Aussicht auf Erfolg ha ben. Deshalb ist es gut, dass vereinbart wurde, dass diese Maßnahme in zwei Jahren noch einmal betrachtet und evalu iert wird. Nichtsdestotrotz gilt für uns, dass das Gesamtpaket stimmt, und zwar weil endlich legale Wege in den Arbeits markt für Menschen vom Westbalkan eröffnet werden. Das ist ein ganz wichtiger Erfolg für die Menschen, aber auch für

die Wirtschaft in Baden-Württemberg, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es ist ein erster wichtiger und richtiger Schritt zu einem Ein wanderungsgesetz, das wir Grünen schon lange fordern, das die SPD fordert und die FDP auch. Allein die CDU macht hier widersprüchliche Aussagen.

(Zuruf von den Grünen: Wie immer!)

Sie haben auch schon einmal gesagt, Herr Wolf, Sie seien für ein Einwanderungsgesetz. Jetzt haben Sie gesagt, Sie seien für ein Zuwanderungsgesetz, aber mit Begrenzung. Es klang so, als ob dieses Gesetz nicht dazu da sein soll, dass Menschen hier bei uns arbeiten können, sondern dafür sorgen soll, dass überhaupt weniger Menschen kommen. Sie müssen sich schon entscheiden. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um ein Ein wanderungsgesetz auf den Weg zu bringen, vor allem wenn Sie zur Kenntnis nehmen, was die Wirtschaft zu den Chancen der Zuwanderung sagt. Ich will nicht den Herrn Ministerprä sidenten wiederholen und Herrn Zetsche zitieren. Es gibt vie le andere, die klar sagen, dass es eine große Chance ist. Bei spielsweise spricht Herr Würth davon, dass diese Menschen, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, zum Ge lingen unseres Systems beitragen. Gerade in Baden-Württem berg sehen das viele Unternehmer so, die nach Fachkräften suchen. Da hat Herr Würth recht.