Jetzt wurde das Thema Sachleistungen/Geldleistungen ange sprochen. Ich kann es nur noch einmal deutlich sagen: In den Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es keine Geldleistungen, son dern Sachleistungen. Die Menschen erhalten Sachleistungen. Was sie darüber hinaus bekommen, ist ein Taschengeld, und dieses Taschengeld ist vom Bundesverfassungsgericht festge schrieben. Es ist das Existenzminimum für persönliche Be darfe.
Dazu gehört im Idealfall auch – das ist in dieser Situation zu gegebenermaßen schwierig – soziale und kulturelle Teilhabe.
Jetzt hat der Ministerpräsident bereits gesagt, dass es, wenn Mitwirkungspflichten verletzt werden, Einschränkungen ge ben kann. Aber, wie gesagt, wir haben bereits ein Sachleis tungsprinzip in der Erstaufnahme. Deshalb läuft diese Debat te völlig ins Leere. Es wird etwas vorgegaukelt, was so gar nicht der Fall ist.
Es ist doch selbstverständlich, dass alle, die hier bei uns le ben, sich an die Verfassung, das Grundgesetz, an Recht und Gesetz halten müssen. Das haben Sie jetzt so hervorgehoben, als wäre das eine Besonderheit.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wer hat das denn am meisten hervorgehoben? – Abg. Ulrich Lu sche CDU: Der Ministerpräsident hat es zuerst ge tan!)
Das hat nie irgendjemand infrage gestellt, und ich hoffe, dass das in diesem Haus nie irgendjemand tut. Es ist völlig klar, dass für alle, die in Deutschland leben, das Grundgesetz und die übrigen gesetzlichen Grundlagen dieser Republik gelten
(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Der Herr Minis terpräsident hat dazu sogar die Rechtsphilosophie er klärt!)
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal deutlich machen: Wir haben großes Vertrauen in unseren Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und sind sicher, dass er morgen bei den Verhandlungen mit den Kolleginnen und Kollegen der an deren Länder und mit der Bundeskanzlerin konsensorientiert, offen und in vollem Verantwortungsbewusstsein für BadenWürttemberg verhandeln wird. Wir haben das Vertrauen. Er hat in der Vergangenheit immer im Interesse dieses Landes gehandelt. Er hat das unter Beweis gestellt, und er wird das auch dieses Mal tun. Auch Sie sollten Vertrauen in Minister präsident Kretschmann und in Bundeskanzlerin Merkel ha ben. Wir erhoffen uns, dass es morgen klare Ergebnisse gibt, die allen helfen, besser mit der schwierigen Situation klarzu kommen und Erleichterungen bei Problemen in der Praxis hin zubekommen. Ferner geht es darum, einen Weg aufzuzeigen, dass denjenigen, die bei uns bleiben werden, die Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt offensteht. Ich hoffe sehr, dass Sie das teilen und uns dabei unterstützen.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Herr Kollege Wolf, ich möchte einen Vor wurf aufgreifen, den Sie jetzt noch einmal wiederholt haben, nämlich den Vorwurf, es stimme etwas mit der Kommunika tion der Landesregierung gegenüber den Kommunen nicht. Wenn in einem Monat 2 000 Flüchtlinge hier ankommen, kann man natürlich eine andere Kommunikation betreiben – das hat
man auch gemacht –, indem man sich abspricht und sagt: Okay, wir reden auch darüber, wie viele in eine Kommune kommen. Wenn aber 1 000 Flüchtlinge pro Tag ankommen und man morgens nicht weiß, wie viele in dem Zug sind, der nachts aus München kommt, dann funktioniert die Kommu nikation so nicht mehr. Das ist der Krisenmodus. Deshalb muss man einfach auch die Realitäten sehen und sich darauf einstellen.
Natürlich wird so viel Kommunikation wie möglich ange strebt, aber man kann nicht sagen: Diese Leute sollen auf dem Trottoir sitzen, bis man am nächsten Morgen mit dem in der Verwaltung Zuständigen gesprochen hat.
Das Paket der Koalition in Berlin, das Sie angesprochen ha ben, tragen wir natürlich mit, aber es stellt uns nicht zufrie den. Denn darin fehlt noch einiges. Das betrifft genau den star ken Zugang, den wir zu bewältigen haben. Wir, aber auch an dere Länder haben schon längst gefordert – und der Bund hat es viel zu lange verwehrt –, dass der Bund eigene Verantwor tung für die Erstaufnahme übernimmt. Jetzt sind 40 000 Plät ze zugestanden. Aber was sind 40 000, wenn in diesem Jahr allein über 100 000 Flüchtlinge nach Baden-Württemberg kommen? Das ist zu wenig. Also muss in diesen Verhandlun gen natürlich auch herauskommen, dass der Bund eine stär kere Eigenverantwortung für die Erstunterbringung über nimmt.
Zweitens: Es geht schlicht auch um Geld, Herr Kollege Rül ke. Wenn wir jetzt in dieser guten Konjunkturlage trotz der zunehmenden Flüchtlingskosten einen ausgeglichenen Haus halt haben, ist das trotzdem nicht befriedigend; denn bei ei ner solchen Haushaltslage müssten wir ja eigentlich Gelder zurückstellen oder Schulden tilgen. Dazu sind wir aber nicht in der Lage. Stellen wir uns einmal vor, die Flüchtlingsströ me bestehen weiter und die Konjunktur geht ein bisschen zu rück. Deshalb verlangen wir vom Bund natürlich nicht, wie in diesem Koalitionsbeschluss zugesagt, nur eine Festaus schüttung von 3 Milliarden € für das nächste Jahr, sondern ei ne feste Beteiligung pro Flüchtling, wie wir es mit unseren Kommunen machen, damit wir dauerhaft in der Lage sind, diese Kosten zu tragen.
Dann gibt es den Nebenkriegsschauplatz „Sichere Herkunfts länder“. Herr Kollege Rülke und Herr Kollege Wolf, Sie ha ben jetzt mehrfach auf diese Untersuchung des Wirtschafts forschungsinstituts hingewiesen. Ich will einmal etwas zur Zahl der Flüchtlinge aus dem Kosovo in Baden-Württemberg berichten. Im Februar kamen weit über 1 000 Flüchtlinge aus dem Kosovo in Baden-Württemberg an, im Juli weniger als 100. Da lag keine Einstufung als sicheres Herkunftsland da zwischen, sondern da lag eine Vereinbarung mit dem BAMF dazwischen, dass man diese Verfahren beschleunigt behandelt und dass sie systematisch umgesetzt werden. Das hat sich schnell herumgesprochen, und deshalb hat der Zustrom aus dem Kosovo nachgelassen.
Das unterstreicht das, was der Ministerpräsident gesagt hat: Der größte Fehler und der größte Fehlanreiz ist die Erwartung, über Wochen, über Monate oder vielleicht sogar ein Jahr oder anderthalb Jahre hier bleiben zu können, bis das Verfahren ab geschlossen ist. Deshalb liegt in der Verfahrensbeschleuni gung der Schlüssel zu allem.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zim mermann CDU: Kommen Sie heute Mittag in den Pe titionsausschuss!)
Jetzt haben wir diese Debatte ja auch angelegt, um zu prüfen, ob es die Chance gibt, bei diesem Thema ein Mehr an Ge meinsamkeit zu entwickeln. Ich bin sehr froh, dass es – wenn auch in letzter Sekunde, aber immerhin – gelungen ist, die ge meinsame Resolution, die jetzt vorliegt, einzubringen, die dann wohl auch einmütig beschlossen wird. Ich fände es gut, wenn man bei dem Thema „Differenzierter Umgang mit den Flüchtlingen“, das Sie, Herr Kollege Wolf, ganz in den Mit telpunkt gerückt haben und auf das Sie ganz großen Wert le gen, mit der Streiterei aufhört.
Es ist erklärte Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, zu dif ferenzieren, es ist erklärte Politik der Landesregierung, zu dif ferenzieren, es ist der erklärte Wille, nur diejenigen in die Flä che zu schicken, die eine dauerhafte Bleibeperspektive haben, und diejenigen in der zentralen Unterbringung zu belassen, die keine dauerhafte Bleibeperspektive haben, und die Rück führung von dort aus stattfinden zu lassen. Wenn man darü ber einmal Übereinstimmung feststellen könnte, wäre doch sehr viel gewonnen und wäre weniger Verwirrung in der Öf fentlichkeit vorhanden.
Das Zweite betrifft das Sachleistungsprinzip. Das Sachleis tungsprinzip gilt in der Erstaufnahme. Das Taschengeld ist höchstrichterlich verbürgt. Es gibt die Möglichkeit, es zu kür zen, wenn jemand bei der Feststellung seiner Identität nicht mitmacht – das passiert – und wenn jemand seiner Ausreise verpflichtung nicht nachkommt – das passiert auch. Deshalb sollte man, finde ich, auch an dieser Stelle nicht noch einmal einen Nebenkriegsschauplatz aufmachen, sondern einfach feststellen, dass wir in dieser Handhabung übereinstimmen.
Ich komme nun zu einem Thema, zu dem Sie nichts gesagt haben – Herr Kollege Rülke hat etwas dazu gesagt –, und zwar zur Eindämmung der Fluchtgründe für potenzielle Asylbewer ber aus dem Westbalkan, indem für die Menschen aus dem Westbalkan ein legaler Weg in den Arbeitsmarkt dort, wo wir die Menschen brauchen, zugelassen wird. Wir sind völlig da für.
Wir sind auch für ein Einwanderungsgesetz. Uns würde inte ressieren, was die CDU-Landtagsfraktion davon hält.
dass wir einen Niedriglohnsektor für Flüchtlinge schaffen. Wir sind doch froh, dass beispielsweise im Fleischerhandwerk, ganz besonders bei den Schlachtern, die Arbeitnehmer aus eu ropäischen Ländern nicht mehr für 3,50 € ausgebeutet wer den, sondern dass Recht und Ordnung am Arbeitsmarkt Ein zug hält und auch die dort Beschäftigten einen Lohn bekom men, von dem sie leben können.
Sollen wir diese Schlachter, die zuvor ausgebeutet wurden, jetzt durch Flüchtlinge ersetzen? Wir wollen, dass die Flücht linge von ihrer eigenen Arbeitskraft leben können, ihren Le bensunterhalt selbst gestalten und dass sie nicht zu Arbeitneh mern zweiter Klasse degradiert werden.
Dies würde übrigens auch zu einem Lohndumpingwettbewerb führen, wenn diejenigen, die anständige Tariflöhne bezahlen, mit Firmen, die mit Niedriglöhnen im Flüchtlingsbereich ar beiten, konkurrieren müssten.
Ich möchte nochmals ausdrücklich feststellen, dass Sie – je denfalls habe ich Ihre Rede, Herr Kollege Wolf, so verstan den – zustimmen, dass es keine Obergrenze für das Recht auf Asyl für Asylberechtigte, die politisch verfolgt sind, oder für Bürgerkriegsflüchtlinge geben soll.
Es wäre aber gut, wenn diese Position von Ihnen auch in den Gremien, in der Landtagsfraktion, aber auch auf Parteiveran staltungen deutlich vertreten würde
(Abg. Guido Wolf CDU: Ich lade Sie das nächste Mal zur CDU-Landtagsfraktion ein! – Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)
und Sie deutlich widersprächen oder zumindest sagten, dass es mit Ihnen keinen Deckel und kein Kontingent für dieses Grundrecht auf Asyl gibt.
Wenn wir nachher den Antrag, den Sie gestellt haben, zur Ab schaffung von Fehlanreizen – eigentlich ist das Thema erle digt, es steht in der Resolution drin, man könnte es streichen – und zu den sicheren Herkunftsstaaten ablehnen, so machen wir das deshalb, weil es – worauf ich bereits hingewiesen ha be – in diesem Paket nicht nur das Thema „Sichere Herkunfts länder“ gibt. Es gibt auch das Thema „Verantwortung für die Erstaufnahme“, das Thema „Bereitstellung von Unterkünften, auch durch den Bund“ – das mag zwar besser geworden sein,