Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung zu beiden Anträgen ins gesamt fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung verfolgt ih ren Weg des Zweisäulenmodells. Eine der beiden Säulen ha ben wir heute Morgen unter Tagesordnungspunkt 1 diskutiert: das Gymnasium. Jetzt reden wir über die zweite Säule, so wie
Sie sie sich vorstellen: die Gemeinschaftsschule, in die GrünRot alle Hauptschulen, Werkrealschulen und Realschulen auf gehen lassen will.
Auch in anderen Bundesländern gibt es eine zweite Säule mit der Zusammenfassung von Haupt- und Realschule – aber nicht so, dass auch in dieser Säule ein Weg zum Abitur angeboten wird. Sie wollen neben dem gymnasialen Weg auf dem allge meinbildenden Gymnasium auch einen gymnasialen Weg über die Gemeinschaftsschule abbilden.
Wir haben nicht nur einen Weg zum Abitur. Neben dem all gemeinbildenden Gymnasium haben gerade im ländlichen Raum viele Kinder mit Gymnasialempfehlung die Realschu len besucht, dort guten Unterricht erfahren und sind vor allem über die beruflichen Gymnasien zum Abitur, zu einer Hoch schulreife gekommen. Das ist ein Weg des sozialen Aufstiegs in Baden-Württemberg, und über die Quantität und die Qua lität dieses Weges wurden und werden wir bundesweit benei det.
Warum sage ich das an dieser Stelle? Weil Ihre Bildungspoli tik diesen Weg gefährdet; denn Sie wollen aus den anerkann ten Realschulen Gemeinschaftsschulen machen. Dazu gab es zum Ersten Druck auf Schulen und Schulträger, einen Antrag auf Umwandlung in Gemeinschaftsschulen zu stellen. Das hat nicht so arg gefruchtet; deshalb kommt jetzt Ihr Konzept zur Weiterentwicklung der Realschulen, auf dem Sie auf anderem Weg, nämlich durch dieses Konzept, aus den Realschulen Ge meinschaftsschulen machen wollen.
Zum Zweiten erwecken Sie den Eindruck, als ob nur an Ge meinschaftsschulen gute, moderne, innovative Bildung mög lich wäre.
Zum Dritten betonen Sie, dass an den Gemeinschaftsschulen der Weg zum Abitur gangbar ist, so als ob es den Weg über die Realschulen nicht gäbe. Deshalb brauchen wir z. B. kei ne gymnasialen Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg
und keine Niveauzuweisung im Rahmen der Bildungsplanre form, die so tut, als ob die Gemeinschaftsschule auf das Abi tur vorbereitet, die Realschule aber nicht.
Sie verfolgen ein Ideal an der Gemeinschaftsschule: eine gleichmäßige Verteilung von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichem Leistungsstand. Von diesem Ideal sind Sie meilenweit entfernt. Die Zahlen an den Gemeinschaftsschu len im Schuljahr 2014/2015 lauten: 65 % der Schülerinnen und Schüler an Gemeinschaftsschulen kommen mit einer Werkrealschul-/Hauptschulempfehlung, 26 % mit einer Real schulempfehlung, 9 % mit einer Empfehlung für das Gymna sium. Dies sind keine Anfangsschwierigkeiten, denn die Ent wicklung ist rückläufig. 2013/2014 waren es 10 % mit Gym
nasialempfehlung, 2012/2013 waren es 12 %: ein rückläufi ger Übergang von Schülerinnen und Schülern mit Gymnasi alempfehlung.
Wie gering diese Zahl ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass an den Realschulen im Schuljahr 2014/2015 21 % der Schülerinnen und Schüler in der fünften Klasse mit Gymnasialempfehlung beschult wurden. Diesen akzeptierten Weg des Übergangs, des sozialen Aufstiegs zu einer Hoch schulreife wollen Sie kaputt machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Georg Wacker CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)
Sie halten krampfhaft an Ihrem Ideal fest und kämpfen gegen das Schulwahlverhalten an den Gemeinschaftsschulen. Bei spielsweise – das belegen die Zahlen zu unseren beiden An trägen – geben Sie sich viel Mühe, um Gymnasiallehrer an Gemeinschaftsschulen zu bringen und dort Unterricht anbie ten zu lassen. Die Stellungnahme zum Antrag Drucksache 15/5065 legt dar, mit welch geringer Stundenzahl die Lehre rinnen und Lehrer in den Gemeinschaftsschulen unterrichten und dass – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – Gymnasialunterricht dort in größerer Zahl fachfremd unter richtet wird. Im Schuljahr 2013/2014 trat ein Drittel aller Leh rerinnen und Lehrer, die als Gymnasiallehrer an die Gemein schaftsschulen gehen, dort ihre erste Stelle an, obwohl wir uns, Herr Minister, im Schulausschuss darin einig waren: Wenn es schon so organisiert wird, dann wäre es besser, wenn diese Lehrerinnen und Lehrer angesichts der großen Heraus forderung, die ihnen an den Gemeinschaftsschulen begegnet, mit Erfahrung dorthin kommen würden.
Sie geben sich viel Mühe, auf die zweite Fremdsprache hin zuweisen, um überhaupt zweite Fremdsprachen an den Ge meinschaftsschulen darzustellen und dort ansehnliche Schü lerzahlen zu haben. Nachdem Sie in der Bildungspolitik in den Schulen keinen Stein auf dem anderen gelassen haben, sage ich: Laufen Sie nicht blind Idealen nach, sondern stellen Sie sich der Realität, und helfen Sie vor allem den Lehrerin nen und Lehrern dort, wo sie Hilfe brauchen.
Dafür brauchten sie auch an den Gemeinschaftsschulen Mög lichkeiten zur äußeren Differenzierung; Sie wissen ganz ge nau, dass die Schulen dies auch einfordern. Die Schulen wol len nicht durchgängig Schüler in einer Lerngruppe haben, die auf unterschiedliche Abschlüsse zugehen. Spätestens ab Klas se 7 wollen auch die Gemeinschaftsschulen die Möglichkeit haben, in den Hauptfächern Lerngruppen nach dem angestreb ten Abschluss anzubieten.
Der Städtetag hat genau diese Forderung für die Schulträger im Rahmen des Gesetzentwurfs in der Anhörung zur regiona len Schulentwicklung eingebracht. Sie verweigern ihnen die se Möglichkeit nicht nur, sondern Sie verhindern auch, dass die Realschulen weiterhin anders arbeiten können, weil Sie ihnen sagen: „Bildet heterogene Lerngruppen, ihr dürft in den
Hauptfächern nur maximal um zwei Stunden differenzieren.“ Das ist genau der Punkt, weshalb die Realschulen bei Ihnen aufschlagen und sagen: Wenn die Weiterentwicklung kommt, brauchen wir mehr Differenzierungsmöglichkeiten. Sie geben ihnen diese nicht. Das ist das, was die Lehrerinnen und Leh rer brauchen. Beheben Sie diese Fehler. Lassen Sie die Kin der nicht den Schaden davontragen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung der Gemein schaftsschule in Baden-Württemberg war genau das richtige Signal, um den Schülerinnen und Schülern die Förder- und Fordermöglichkeiten mit auf den Weg zu geben, die sie brau chen, damit sich Kinder entlang ihrer Entwicklungsperspek tive auf den bestmöglichen Bildungsabschluss vorbereiten können.
Die Rückmeldungen von den Schulen, den Eltern sowie den Schülerinnen und Schülern zeigen, dass die Einführung der Gemeinschaftsschule der richtige Weg war und die Schülerin nen und Schüler mit dem neuen pädagogischen Konzept, das die Gemeinschaftsschule mit sich bringt, genau die Möglich keiten bekommen, die sie brauchen. Wenn man mit den Ge meinschaftsschulen spricht, zeigt sich auch, dass viel mehr Schülerinnen und Schüler auf einem höheren Niveau arbei ten, als ihnen bisher in der Empfehlung mitgegeben wurde. Das heißt, die Gemeinschaftsschule setzt das Ziel um, das wir verfolgt haben, die Kinder und Jugendlichen unabhängig da von, was die Empfehlung mit auf den Weg gibt, dort zu för dern, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Genau da wol len wir die Gemeinschaftsschule weiter stärken.
Was wir nicht tun, Sie in der Opposition jedoch ständig: Wir spielen keine Schulen gegeneinander aus.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Aber über Zah len! – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)
Wir haben keiner Gemeinschaftsschule verpflichtend den Weg mitgegeben, sie müsse Gemeinschaftsschule werden. Die Schul träger entscheiden darüber, ob sie eine Gemeinschaftsschule einrichten wollen oder nicht.
Wir sehen, dass die Anmeldezahlen an einem übergroßen Teil der Gemeinschaftsschulen von Jahr zu Jahr kontinuierlich wachsen. Respektieren Sie endlich, dass die Gemeinschafts schule in Baden-Württemberg in der Fläche schon längst an gekommen ist, anstatt sie ständig nur mit irgendwelchen Be hauptungen zu diffamieren.
Herr Zimmermann, wir können ewig lange über die Frage diskutieren: Was war zuerst da, Huhn oder Ei? Tatsache ist doch, dass wir in Baden-Württemberg vor 2011 viel mehr Haupt- und Werkrealschulen verloren haben als unter dieser Landesregierung und dass der Rück- – –
(Abg. Volker Schebesta CDU: Was? Viel mehr Schü ler, oder was? – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Mehr Schulen!)
Haupt- und Werkrealschulen. In den vergangenen zehn Jah ren beispielsweise ist die Zahl der Schulen von 1 200 auf 800 zurückgegangen. Die Zahl der Haupt- und Werkrealschulen liegt jetzt bei 600.
Wir schaffen mit der Einführung der Gemeinschaftsschule ein breites Angebot dafür, dass der Hauptschulabschluss in der Fläche bestehen bleiben kann. Ohne die Einführung der Ge meinschaftsschule würde man nach und nach genau diese Schulen im ländlichen Raum verlieren, und man hätte vor Ort kein Angebot mehr, über das alle Schulabschlüsse erworben werden könnten.
Nicht nur deshalb ist es richtig, dass wir die Gemeinschafts schule eingeführt haben. Auch das pädagogische Profil bietet genau die Möglichkeiten, mehr Schülerinnen und Schüler ab zuholen. Der Übergang von der Grundschule auf die Gemein schaftsschule erfolgt genau dort gut, wo eine enge Zusammen arbeit besteht und wo geschaut wird: Welche pädagogischen Anforderungen hat das Kind, welches Profil braucht das Kind?
Herr Schebesta, ich komme zu dem, was Sie zu den Realschu len gesagt haben. Die Realschulen selbst haben ein Konzept gefordert, über das sie zukünftig den Hauptschulabschluss an bieten können. Dieses Konzept haben wir ihnen an die Hand gegeben.
Das Konzept wurde mit der Realschulrektorenvereinigung vereinbart, es wurde mit der GEW vereinbart. Die äußere Dif ferenzierung, die Sie anmahnen, gibt es ja in dem Konzept für die Realschulen.