Protocol of the Session on May 7, 2015

Denn es ist nicht so, dass die Polizei schutzlos wäre. Es gibt entsprechende Straftatbestände. Wenn etwas wie das passiert, woran Sie jetzt denken, wenn Sie fordern, die Polizei müsse geschützt werden, dann sind neben dem Widerstandsparagra fen 113 meist auch noch andere Tatbestände betroffen. Dann geht es meist auch um Körperverletzung und ähnliche Delik te. Wir haben daher bereits einen wirksamen strafrechtlichen Schutz.

Interessant ist, an dieser Stelle einmal nachzuschauen, wie der Widerstandsparagraf 113 entstanden ist, wie er ursprünglich begründet wurde. Das dürfte nicht allgemein bekannt sein. Ur sprünglich war § 113 eine Privilegierung gegenüber der nor malen Nötigung. Warum war das so? Hier kann man aus der

strafrechtlichen Literatur bzw. aus dem Gesetzgebungsmate rial zitieren. Ich darf also zitieren:

Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung dieser Vor schrift dem begreiflichen Erregungszustand des von Voll streckungsmaßnahmen und damit von staatlicher Macht Betroffenen mit Nachsicht begegnen. In diesem Erre gungszustand kann es leicht zu affektiven und unkontrol lierten Reaktionen des Bürgers kommen.

Es ist also interessant: Der Straftatbestand hat im Grunde ge nommen seine Zielrichtung um 180 Grad verändert.

Die Privilegierung – das ist richtig – ist jetzt zurückgenom men worden, aber sie ist halt zurückgenommen worden. Da mit ist die Strafbarkeit klar, und zwar in den schwereren Fäl len bis zu fünf Jahren, die schon jetzt möglich sind. Verzei hung, angesichts dessen glauben wir nicht, dass ein weiteres Drehen an der Strafrechtsschraube noch etwas bringen kann. Es geht sicher eher darum, dass man das bestehende Recht wieder einmal anwendet, statt zu meinen, man hätte schon et was erreicht, wenn jetzt mehr als fünf Jahre möglich sind. Fünf Jahre sind schon eine ganze Menge.

Außerdem überzeugt die Herausnahme der Polizeibeamten aus dem Kreis der Amtsträger natürlich wenig. Warum eigent lich? Im Moment sind in § 113 alle versammelt, natürlich auch die Staatsanwälte, die Richter und andere Amtsträger. Dort hin gehört eigentlich auch die Polizei. Warum sollen wir im Gesetz im nächsten Paragrafen künftig sagen: „Polizei und Amtsträger“? Das ist im Grunde genommen nicht sehr über zeugend. Darum tragen wir diesen Vorstoß nicht mit und ma chen andere Vorschläge. Denn wir gehen davon aus, dass die Betroffenen sehr genau unterscheiden können, was etwas kos tet und etwas bringt und was umgekehrt wohlfeile, aber eben auch fruchtlose Vorschläge sind. Das zeigen auch die diffe renzierten Reaktionen der Polizeigewerkschaften auf diese Forderung.

Wir haben 1 000 neue Stellen für die Polizei gefordert. So kann man Sicherheit tatsächlich verstärken, auch das Sicher heitsgefühl der Beamten. So kann man ihre Situation tatsäch lich verbessern.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Unserer Forderung ist in durchsichtiger Weise entgegengehal ten worden – ich habe hier die Gelegenheit, es zu korrigieren –, dass die frühere Landesregierung bei der Polizei 1 000 Stel len abgebaut hat. Tatsache ist, dass es in früheren Jahren eine Arbeitszeitverlängerung für alle Beamten gab – für alle! – und quer durch alle Bereiche der Landesverwaltung diese Arbeits zeitverlängerung natürlich in Stellenstreichungen umgesetzt wurde. Das ist richtig. Aber hinterher gab es gleich viel Poli zeileistungen, weil die Arbeitszeit verlängert wurde. Das war damals noch eine Maßnahme zur Konsolidierung des Haus halts, als man auf die Konsolidierung des Haushalts noch Wert gelegt hat.

(Lachen bei der SPD)

Außerdem sind bei der Polizei Aufgaben – siehe Wirtschafts kontrolldienst – und auch Stellen weggefallen.

Sie könnten es jetzt machen, lieber Herr Gall, doch stattdes sen besteht Ihr einziger Beitrag darin, dass Sie unter dem

Druck der Öffentlichkeit auf 226 geplante Stellenstreichun gen verzichten.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)

Also: Helfen Sie der Polizei, indem Sie unsere Vorschläge auf greifen. Wir werden übrigens dem Antrag von Grün-Rot zu stimmen, aber er ist eigentlich ein Hinhalteantrag.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nein, das ist kein Hinhalteantrag! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das war inkonsequent! Das ist nicht konsequent!)

Ich brauche keine weiteren Konferenzen, um zu wissen, was der Polizei hilft. Das ist das, was wir vorschlagen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Gall das Wort.

Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Ich will zu Beginn meiner Ausfüh rungen feststellen, dass – meines Erachtens jedenfalls – die Ernsthaftigkeit eines Ansinnens nicht dadurch unterstrichen wird, dass man sich künstlich erregt. Herr Kollege Wolf, das haben Sie gemacht. Es scheint irgendwie Ihr neues Marken zeichen zu sein, Schalter umzulegen und hier den wilden Mann zu spielen.

(Lachen des Abg. Guido Wolf CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Das sagt gerade der Richtige! – Abg. Martin Rivoir SPD: Wahrscheinlich hat das Trinkgeld in der Kneipe nicht gestimmt! – Zuruf des Abg. Vol ker Schebesta CDU)

Ich denke, das taugt allenfalls für eine Kreiskonferenz der CDU, doch es dient der Sache letztendlich nicht.

Ich kann Ihnen schon heute versprechen: Ihre krampfhafte Su che nach Wahlkampfthemen wird auch beim Thema „Innere Sicherheit“ nicht erfolgreich sein, weil wir seitens der Lan desregierung in vielen Bereichen unter Beweis stellen kön nen, dass innere Sicherheit bei uns in guten Händen ist und wir insbesondere, wenn es um die Rechte, um den Schutz, um die Ausstattung unserer Polizei geht, innerhalb dieser Legis laturperiode deutlich mehr gemacht haben werden als Sie in den vielen Jahren zuvor.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Das müssen wir noch ein bisschen hinterfragen!)

Meine Damen und Herren, das Thema „Gewalt gegen Poli zeibeamte“ existiert nicht erst seit den Vorkommnissen in Frankfurt. Gerade auch in diesem Haus haben wir wiederholt darüber diskutiert, und zwar, soweit ich mich erinnere, immer in einem hohen Maß an Sachlichkeit, an Ernsthaftigkeit, weil die Zielrichtung dessen, was hier jeweils zur Diskussion ge standen hat, immer war, dass wir meist einmütig unterwegs gewesen sind, dafür Vorsorge zu treffen, dass Gewalt gegen Polizeibeamte – andere Amtsträger schließe ich ausdrücklich ein – erst gar nicht entsteht oder jedenfalls minimiert werden kann.

Deshalb bleibe ich bei meiner Position, und die habe ich seit vielen Jahren und nicht erst, seit ich Innenminister bin. Das kann man in alten Protokollen von sicherheitspolitischen De batten auch nachlesen. Ich sage eindeutig: Wer die Polizei oder Amtsträger des Staates angreift, greift den Staat an. Zu dieser Aussage stehe ich unumwunden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Deshalb ist es wichtig, festzuhalten, dass – deshalb greift Ihr Antrag heute nun wirklich zu kurz – nicht nur die Polizei, sondern auch andere Vollstreckungsbeamte, andere Hilfeleis tende aus der Feuerwehr, dem Katastrophenschutz, den Ret tungsdiensten davon betroffen sind. Deshalb waren wir uns 2011 einig, diese in diesen Kreis einzubeziehen, während je doch der hessische Vorstoß diese jetzt wieder außen vor lässt. Deshalb ist es ein bisschen kurz gesprungen, immer demjeni gen sofort hinterherzuspringen, der als Erster meint, aufgrund eines bestimmten Anlasses – das waren die Ausschreitungen in Frankfurt – mit einer Bundesratsinitiative politisches Ter rain zu gewinnen. Gerade in diesem Bereich lohnt es wirk lich, sehr sorgfältig abzuwägen und darauf zu achten, welche Vorschläge zielführend sein können oder zielführend sind, wenn man sich damit auseinandergesetzt und darüber disku tiert hat.

Klar ist – das haben die Redner aller Fraktionen heute deut lich zum Ausdruck gebracht –: Wir dulden Gewalt gegen Po lizei und Amtsträger insgesamt in unserem Land nicht. Damit meine ich nicht nur Baden-Württemberg, sondern man spürt dies auch ganz deutlich in anderen Bundesländern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Sie wissen sehr genau, dass wir – ich sage ausdrücklich: wir – seit vielen Jahren nun wirk lich enorme Anstrengungen unternommen haben, um dem ent gegenzuwirken.

Ich will noch einmal ganz sachlich das bisher Erreichte in Er innerung rufen, damit man es nicht vergisst, damit sich, Herr Wolf, im Kopf nicht die Auffassung festsetzt, da gäbe es rie sigen Nachholbedarf. Es gibt Handlungsbedarf, aber die Vor gängerregierung hat reagiert, und wir haben reagiert. Wir ha ben das, was Sie auf den Weg gebracht haben, beispielsweise hinsichtlich der Amokausstattung unserer Polizei, kontinuier lich fortgesetzt. Den Weg hatten Sie begonnen, aber noch nicht beendet. Wir haben ihn jetzt quasi beendet, indem wir durch Investitionen, durch das Zurverfügungstellen von Haushalts mitteln dafür gesorgt haben, dass dieser richtige Ansatz dann tatsächlich vollumfänglich zu Ende gebracht werden konnte.

Wir haben und werden in diesem Jahr die Ausstattung der Alarmhundertschaften – das sind häufig auch diejenigen, die bei solchen und ähnlich gelagerten Einsätzen zum Einsatz kommen – mit entsprechenden Körperschutzausstattungen ausgerüstet haben. Auch dort vollenden wir, was Sie noch nicht vollendet hatten.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Dabei unterstützen wir Sie auch!)

Ich sage es ausdrücklich. Ich will es nur noch einmal in Er innerung rufen, damit Herr Kollege Wolf sachlich und inhalt lich auf dem Stand ist, der ihn dann auch befähigt, zu dem Thema fundiert Stellung zu nehmen. Sein erster Aufschlag hier hat nämlich nicht diesen Eindruck erweckt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Meine Damen und Herren, sehr erfolgreich ist auch – da hal te ich es nun wirklich für sinnhaft, sich darüber einmal mit den Beamtinnen und Beamten zu unterhalten – unser Dreisäu lenmodell, das wir auf den Weg gebracht haben, welches die Provokation, die Aggression und Gewalt gegen Polizeibeam te minimieren soll. Das ist durchaus auch erfolgreich. Unse re Polizei wird befähigt, trainiert und entsprechend ausgestat tet, damit dieses Dreisäulenmodell seine Wirkung entfalten kann.

Ganz aktuell – auch das wissen Sie, auch das haben wir hier diskutiert – bereitet das Landespolizeipräsidium ein Projekt vor, Stichwort Body-Cams. Ich gehe tatsächlich davon aus, dass wir, wenn dieses Pilotprojekt angelaufen ist, Auswertun gen vornehmen können. Deshalb ist es ein Projekt. Aber ich habe die Hoffnung – das will ich ausdrücklich sagen –,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ist das schon innerhalb der Koalition abgesprochen?)

dass dies nicht nur eine Verbesserung der Beweisaufnahme mit sich bringt, sondern auch abschreckende Wirkung haben kann, sodass sich der oder die Täter schon zweimal überle gen, ob sie wegen der Gefahr, entdeckt zu werden, und we gen der erleichterten Beweissicherung tatsächlich Gewalt ge gen Polizeibeamte anwenden.

Sie sehen, meine Damen und Herren, es ist – hoffentlich je denfalls – völlig unstrittig, dass mein wichtigstes Ziel und mein Ansatzpunkt ist, Gewalt erst gar nicht entstehen zu las sen. Da haben wir Möglichkeiten. Die langfristige Tendenz – ich nenne einmal die Zahlen für die Zeit von 2008 bis heute oder von 2012 bis heute; es gibt immer Ausschläge bei sol chen Tendenzen – ist jedenfalls rückläufig; derzeit liegen wir in einer Größenordnung von etwa 7,8 %. Wohlgemerkt: Es gibt immer wieder bestimmte Anlässe – ich nenne den G-7- bzw. G-8-Gipfel, den NATO-Gipfel; solche Gipfel finden Gott sei Dank nicht immer in Baden-Württemberg statt –, die zu entsprechenden Ausschlägen führen.

Jedenfalls verfolgen wir das Ziel – darauf baue ich auch in der Zukunft; darauf bauen logischerweise auch unsere Polizei und die Amtsträger –, entsprechende Angriffe gegen Polizeibeam te – diese sind nun einmal in erster Linie betroffen – weiter einzuschränken. Dieses Ziel verfolge ich auch, wenn wir jetzt ernsthaft darüber diskutieren, § 113 des Strafgesetzbuchs an ders zu fassen – auch mit einer Änderung von § 112 oder auch einer Anpassung von § 114 des Strafgesetzbuchs; das sei jetzt einmal nicht in den Mittelpunkt der Ausführungen gestellt –, wodurch wir auch tätliche Angriffe gegen die Polizei neu er fassen. Das halte ich persönlich für wesentlich wichtiger, als immer nur sofort und als erste Reaktion über eine Strafver schärfung zu reden. Ich mache da aus meinem Herzen keine Mördergrube.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Der bestehende Strafrechtsrahmen kann und sollte gelegent lich auch einmal ausgeschöpft werden; dann brauchen wir nicht immer über Erhöhungen zu diskutieren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Hier geht es nicht um Erhöhung, hier geht es um neue Tatbestände! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ja, ist klar!)

Herr Kollege Blenke, in diesem Fall sind wir uns doch auch einig. Ich will nicht nur über die Ausweitung, was tätliche An griffe anlangt, über den – ich nenne es einmal so – Wider standsparagrafen hinaus diskutieren. Da sehe ich auch keinen Dissens – das will ich ausdrücklich sagen – in der Innenmi nisterkonferenz, gleich welcher politischen Couleur die dort vertretenen Innenminister angehören.

Es kommt aber darauf an, wie wir es machen. Da ist mir der hessische Vorschlag nicht klug genug; das will ich ausdrück lich sagen. Ich halte ihn eher für einen Schnellschuss.

Im Übrigen bedarf es auch Ihres Antrags nicht, die Initiative am Freitag im Bundesrat zu unterstützen. Denn die Kollegin nen und Kollegen haben doch schon erklärt, dass dieser An trag an die Ausschüsse überwiesen werden soll. Da werden wir uns doch nicht dagegenstellen. Das heißt, inhaltlich wird dieser Vorschlag, diese Initiative Hessens mit hoher Wahr scheinlichkeit morgen gar nicht diskutiert werden, sondern an die Ausschüsse überwiesen. Das halte ich auch für sinnvoll; denn die hier schon angesprochene Evaluation des 2011 ein geführten neuen § 113 des Strafgesetzbuchs eignet sich doch geradezu, sich einmal mit den Sachverhalten auseinanderzu setzen, mit dem, was der Arbeitskreis II an Untersuchungser gebnissen vorlegen wird. Denn wir haben uns – da waren wir uns ebenfalls einig – vorgenommen, zu schauen, wie die neue Regelung überhaupt wirkt, ob sie Sinn macht, ob sie erwei tert werden sollte, ob Ergänzungen erforderlich sind. So stel le ich mir eigentlich eine gemeinsame Vorgehensweise aller Länder im Bereich der Sicherheitspolitik vor. Denn es gibt ein gemeinsames Interesse.

Wie gesagt: Nicht derjenige, der sich am schnellsten meldet, hat den besten Vorschlag. Schauen Sie sich einmal den Vor schlag der Kolleginnen und Kollegen aus dem Saarland an. Dieser scheint mir wesentlich diskussionswürdiger zu sein. Denn er ist umfassender, er bezieht auch die anderen Amts träger ein und schließt nicht Amtsträger aus den Bereichen Justiz, Feuerwehr, Rettungsdienste und Hilfsdienste aus. Der hessische Vorschlag hätte nämlich genau dies zum Inhalt. Ich glaube nicht, dass Sie dies wollen.

Deshalb ist es unsinnig, den hessischen Vorschlag in dieser Form zu unterstützen. Ich werbe wirklich darum, dass wir uns sehr intensiv mit der Thematik auseinandersetzen. Wir sind uns – so nehme ich es wahr; ich jedenfalls habe diese Tendenz – über eine eventuelle Ausweitung von § 113 des Strafgesetz buchs um die Begrifflichkeit „tätliche Angriffe“ einig. Dieser Bereich muss zum Schutz unserer Polizeibeamtinnen und Po lizeibeamten durch eine entsprechende Formulierung erfasst werden. Da sind wir uns doch jedenfalls weitestgehend einig.

Im Übrigen noch eine Bemerkung zur Ausweitung oder Er höhung des Strafmaßes: Auch dazu macht das Saarland, fin de ich, einen wesentlich differenzierteren, besseren Vorschlag, nämlich nicht nur pauschal über eine Erhöhung zu reden, son dern auch einmal eine Differenzierung zu ermöglichen, damit die Justiz die Möglichkeit hat, beispielsweise zwischen min derschweren Fällen – was § 113 jetzt erfasst – und besonders