Wenn Sie mir gestatten, würde ich jetzt noch die folgende An merkung machen. Wo ist Handlungsbedarf? Handlungsbedarf besteht bei den Menschen, die Zuwanderungsbiografien ha ben. 27 % der Menschen in Baden-Württemberg haben Mig rations- bzw. Zuwanderungsbiografien. Ihr Anteil ist in kei ner dieser Organisationen gleich hoch wie der Anteil der Men schen ohne einen solchen Hintergrund.
Wir alle sind aufgerufen, die Strukturen zu verändern. Ich ha be in Diskussionen wirklich gemerkt – der Zwischenruf war völlig richtig – und spüre immer wieder: Bei den betreffen den Personen gibt es die Bereitschaft grundsätzlich. Allerdings wissen sie nicht, dass das System bei uns so funktioniert, wie es funktioniert,
nämlich in der Breite und auf der Basis des Ehrenamts. In den Herkunftsländern ist dieses System überhaupt nicht bekannt. Deshalb kommt es darauf an, deutlich zu machen, dass die Hilfe, die bei uns in absolut kurzer Zeit gewährleistet werden kann – bei Unfall, bei Erkrankung, bei Brand, bei technischen Hilfeleistungen –, in ihrer ganzen Vielfalt nur geleistet wer den kann, indem sich die Bürger selbst entsprechend einbrin gen und nicht sagen: „Der Staat kümmert sich, und es sind al les hauptamtlich Tätige.“ Das wird nicht funktionieren.
Ich bin aber auch der Auffassung: Wir müssen schon auch der Lebenswirklichkeit in die Augen schauen. Gerade weil das Thema Tagesalarmsicherheit wiederholt angesprochen wor den ist: Ich fürchte – darauf müssen wir uns einstellen –, dass es uns auf Dauer nur schwer gelingen wird, dies auch in der Zukunft in dieser Qualität und in dieser Quantität zu gewähr leisten.
Deshalb haben wir Möglichkeiten für die interkommunale Zu sammenarbeit eröffnet. Vor Kurzem wurde in meinem Land kreis, in meinem Kreisfeuerwehrverband der erste klassische Zweckverband zwischen zwei Gemeinden gegründet.
Aber es wird so weit kommen – das fürchte ich jedenfalls; da muss man Vorsorge treffen –, dass wir ab einer bestimmten Gemeindegröße – Rheinland-Pfalz hat die entsprechende Grö
ße im Gesetz mit 40 000 Einwohnern angegeben – zunehmend auf hauptamtliche Kräfte werden zurückgreifen müssen. „Hauptamtliche Kräfte“ bedeutet nicht eine Berufsfeuerwehr; das halte ich für indiskutabel. Das werden wir auch nicht fi nanzieren können. Aber die eine oder andere Basis vor Ort mit mehreren hauptamtlich Tätigen wird, glaube ich, in der Zu kunft, jedenfalls in der mittleren Zukunft durchaus erforder lich sein.
Was Anerkennung und Wertschätzung anlangt – das ist die letzte Bemerkung von mir; denn ich muss nicht alles zweimal unterstreichen, was Sie schon gesagt haben –: Wir müssen auch das anerkennen, was diejenigen leisten, die Ehrenamt er möglichen. Das sind diejenigen, die nicht nur aufgrund des Gesetzes – beispielsweise § 15 des Feuerwehrgesetzes – die Mitglieder der Feuerwehren für Ausbildungen und Einsätze freistellen. Das ist eine Pflicht und muss auch nicht beantragt werden. Trotzdem hat dies Auswirkungen im betrieblichen Alltag. Es geht auch um diejenigen, die mehr tun.
Wir haben in diesem Sinn eine Ehrenamtsauszeichnung ge schaffen. Wir haben eine entsprechende Ausschreibung vor genommen. In diesem Jahr werden wir die ersten Auszeich nungen und Ehrungen für Firmen, für Handwerksbetriebe vor nehmen können, um deutlich zu machen, dass auch sie es sind, die Ehrenamt ermöglichen. Das System funktioniert nur im Zusammenspiel. Es muss nicht nur die Bereitschaft der Ein zelnen vorhanden sein, sich einzubringen, sondern auch die Bereitschaft, das Ehrenamt zu ermöglichen. Das werden wir auf all diejenigen, die sich im Bevölkerungsschutz in seiner Gesamtheit engagieren, ausweiten.
Wir werden dies, was die Rahmenbedingungen anlangt – bei spielsweise Entgeltfortzahlung, Versicherungsschutz, Entschä digung im Schadensfall –, in diesem Jahr mit einer Novellie rung des Feuerwehrgesetzes noch aufgreifen. Dies hat dann auch Auswirkungen auf andere Hilfsorganisationen, auf Or ganisationen außerhalb der Feuerwehr. Wenn diese in Einsät ze eingebunden werden, haben sie dann – jedenfalls im Prin zip – die gleichen Ansprüche und die gleichen rechtlichen Hintergründe, z. B. den gleichen Anspruch auf Entschädi gungsleistung wie Lohnersatz oder Leistungen bei Unfall oder Invalidität. Das ist unser Ziel. Das werden wir Ihnen im Lau fe dieses Jahres als Gesetzentwurf vorlegen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Bravo!)
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/2943. Der Antrag ist ein reiner Be richtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stim men zu.
Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung – Lehrerausbildung in Baden-Württem berg – Drucksache 15/2690
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der die Große Anfrage stellenden Fraktion eine zusätzliche Redezeit von fünf Minuten festgelegt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Lehrerausbildung zieht sich nun schon eine ganze Weile hin. Sie erinnern sich: Im März 2012 hatte die Landesregierung eine Expertenkommission eingerichtet, in der unter dem Vorsitz der früheren Berliner Bildungssena torin Sybille Volkholz mehrere Personen als Experten gear beitet haben; u. a. gehörte dazu auch Peter Fratton, ein Schwei zer Schulunternehmer und Gemeinschaftsschulexperte,
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Den gab es, ja! – Zuruf von der CDU: Den kennt in der Schweiz kein Mensch!)
der ja mittlerweile in Ungnade gefallen ist. Aber diese Kom mission hat dann ein Jahr später ihre Reformvorschläge vor gelegt. Dabei ging es darum: Der Gymnasiallehrer soll ver schwinden, der Einheitslehrer soll kommen, und es sollte – wie wir das nennen – eine „Sonderschullehrerausbildung light“ geben.
Das Entsetzen in der Öffentlichkeit war groß. Daran erinnern Sie sich wahrscheinlich auch. Das war dann wahrscheinlich auch der Grund, warum es erst einmal eine Sendepause gab. Dann ist nämlich eine ganze Weile gar nichts geschehen.
Erst im Dezember 2013 hat die Landesregierung bei einer Pressekonferenz ihre Eckpunkte für die Lehrerausbildung vor gestellt. Erfreulich fanden wir es damals, dass der Einheits lehrer von der Bildfläche verschwunden war. Allerdings ist er dann ein Jahr später doch wieder aufgetaucht. Bei der Fach tagung zur Lehrerausbildung im Haus der Wirtschaft im No vember 2014 hieß es in dem Forum zur Kooperation von Uni versitäten und Pädagogischen Hochschulen, das ich besucht habe, von einer Hochschulleitung: Langfristig ist angedacht, die Trennung der Ausbildung im Lehramt für Sekundarstufe I und II aufzuheben. Das ist dort so gesagt worden. Also fragt man sich schon: Ist es das, was Ihnen langfristig doch vor schwebt – eine Schule für alle, ein Lehrer für alle?
Wir in der CDU haben schon den Eindruck, dass Sie sich im Augenblick taktisch nur vordergründig und vorübergehend von diesem ideologischen Ziel verabschiedet haben.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Jetzt wird wieder Angst geschürt! – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Le de Abal GRÜNE)
Aber alles auf einmal ist dann wohl ein bisschen viel. Im Mo ment sind Sie doch etwas überfordert von den vielen Baustel len, die Sie aufgemacht haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Die Unterstellungsgeschichten der „Gestern- CDU“!)
Wir konzentrieren uns hier jetzt auf zwei Baustellen. Einer seits geht es darum, die Besonderheiten der Pädagogischen Hochschulen und der Universitäten zusammenzuführen. Ich verkürze etwas, wenn ich sage: Es geht darum, dass die PHStudenten mehr Fachwissenschaft und die Studierenden an den Universitäten mehr Fachdidaktik unterrichtet bekommen. Es geht hier also um die Inhalte des Studiums.
Andererseits geht es um Strukturfragen, um organisatorische Themen. Sie wollen nämlich das Lehramtsstudium vom Staats examen auf Bachelor und Master umstellen. Aber beides be kommen Sie im Moment nicht richtig auf die Reihe.
Im Augenblick sind die Hochschulvertreter wirklich genervt, und die Studierenden geraten in Panik. Sie sind nämlich völ lig in zeitlichen Verzug geraten. Die neue Studienordnung soll ab dem nächsten Wintersemester, also dem Wintersemester 2015/2016 gelten. Es hat aber ewig gedauert, bis sich Kultus ministerium und Wissenschaftsministerium einigen konnten. Jetzt stehen zwar die Rahmenvereinbarungen, aber die Sat zungen auf Hochschulebene sind noch gar nicht umgebaut. Die EDV-Fachleute an den Hochschulen sagen uns z. B., sie brauchen ungefähr ein Jahr, um das, was sie da vorgegeben bekommen, in elektronische Struktur umzusetzen, damit über haupt gewährleistet ist, dass die ECTS-Punkte anerkannt wer den und alles, was für die Studierenden an Anerkennung wich tig ist, verbucht werden kann.
Der Senat der Universität Freiburg sah sich angesichts des Chaos letzte Woche offensichtlich gezwungen, eine Über gangssatzung zu verabschieden.
Dieses ganze Durcheinander ist entstanden, weil Sie zu viel Zeit gebraucht haben, um sich zu einigen und Ihre Hausauf gaben zu machen.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Haben Sie schon einmal etwas von der Qualität der Initiative ge hört?)
Ein ganz großes Problem scheint offensichtlich die Frage der Polyvalenz des Bachelors zu sein. Das, was Sie da vorhaben – so hören wir –, passt überhaupt nicht mit den Quedlinbur ger Beschlüssen und den KMK-Vorgaben zusammen. Mögli cherweise können Sie die Polyvalenz auf dem Papier nach weisen; de jure funktioniert es – hören wir im schönsten Wis senschaftsjargon von Professoren und Rektoren –, aber de fac to nicht.
Ich muss sagen: Ich halte das, was Sie hier veranstalten, wirk lich für unverantwortlich. Zum einen gehen Sie weiterhin von der Berufsqualifizierung im Zuge dieses Bachelorabschlusses aus, aber bis heute ist eigentlich nicht richtig klar, was ein Lehramtsstudent mit einem Bachelorabschluss auf dem Ar beitsmarkt machen kann. Und zum anderen schicken Sie die jungen Menschen in Studiengänge hinein, von denen uns die Hochschulvertreter heute schon sagen, dass die Anschlüsse ins Masterstudium nicht sauber geregelt sind.
Also z. B. ein Bachelorabsolvent, der Geografie für das Lehr amt studiert hat, ist weder ein fertiger Lehrer, noch ist er ein fertiger Geograf, noch kann er nahtlos in das Studium der Geografie überwechseln.
Noch einmal: Die CDU-Fraktion hält es für unverantwortlich, dass Sie hier eine mit heißer Nadel gestrickte Reform ange hen und das den neuen jungen Studierenden zumuten.
Die Studierenden selbst – Sie wissen das – kommen zu dem Schluss, dass die polyvalenten Bachelorstudiengänge nicht sinnvoll aufgestellt sind. In Heidelberg sind die Studierenden aus Protest aus der Steuerungsgruppe ausgetreten. Sie haben dazu im November 2014 eine Erklärung abgegeben und ha ben gesagt, die Polyvalenz sei reine Augenwischerei, die Po lyvalenz diene lediglich der Legitimation einer unzureichend durchdachten strukturellen Hochschulreform. Viele Studie rende lehnen das ab. Wir haben das bei dem Forum im Haus der Wirtschaft auch sehr deutlich vor Augen geführt bekom men.
Sie setzen also offensichtlich wieder die falschen Schwer punkte. Es geht wieder einmal nur um die Strukturen, um die Schulstrukturen und die Strukturen bei der Lehrerausbildung. Das ist der Mittelpunkt Ihrer Bildungspolitik. Die Menschen und die Inhalte der Politik geraten da völlig ins Abseits. Die führen ein Schattendasein.
Auch auf der zweiten Baustelle sieht es noch ziemlich chao tisch aus. Da geht es um die Zusammenarbeit der Pädagogi schen Hochschulen und der Universitäten. Das ist jetzt, ehr lich gesagt, auch nichts ganz Neues. Da erfinden Sie das Rad nicht neu. Das gab es schon in der Vergangenheit in unter schiedlicher Intensität. Es ist ja auch der Bund, der das bei uns in Baden-Württemberg in Zukunft erst einmal bezahlen soll.
Wir sind natürlich froh, dass das Bundesministerium jetzt Geld für die Lehrerausbildung nach Baden-Württemberg schickt. Freiburg und Heidelberg können sich freuen; denn sie haben jetzt ihre Förderanträge bewilligt bekommen. Aber diese Freu de an der einen Stelle löst natürlich Fragen und Unsicherhei ten an anderen Standorten aus.
Was geschieht jetzt in Tübingen, Frau Ministerin? – Wir ha ben einer Pressemitteilung entnommen, dass Sie jetzt auf die zweite Bewilligungstranche hoffen. Soweit ich das verstan den habe, müssen die Anträge dafür im Juni noch einmal neu eingereicht werden. Dahinter folgt dann noch ein ziemlich lan ger Rattenschwanz an Bürokratie. Ich kann mir nicht vorstel len, dass die Zeit bis zum nächsten Wintersemester reicht.
Deshalb stellt sich wirklich die Frage: Wie wird dann die in haltliche Verbesserung der Lehrerausbildung in Tübingen von stattengehen? Sind Sie bereit, das finanziell mit zu unterstüt zen? Tübingen muss es aus eigener Kraft stemmen. Da ist kei ne Pädagogische Hochschule vor der Haustür. Und können Sie garantieren, dass in Tübingen weiterhin eine gymnasiale Lehrerausbildung mit verstärkter Fachdidaktik und mehr Bil dungswissenschaft stattfinden wird?
Auch die Standorte Schwäbisch Gmünd und Weingarten hän gen unserer Ansicht nach in der Luft. Da gibt es bisher schon Kooperationen z. B. zwischen Schwäbisch Gmünd und Ulm, aber eine School of Education ist da noch nicht sichtbar und erkennbar. Es soll über die bisherigen Kooperationen hinaus gehen. Wie soll das funktionieren? Ist das Land bereit, auch dafür Geld in die Hand zu nehmen? Wir denken da z. B. an