Deshalb führen wir diese Debatte. Ich hätte auch erwartet, dass Herr Wolf nicht sagt, dass in Baden-Württemberg irgend wo festgelegt wurde oder ansteht, dass man einen Weihnachts markt nicht mehr „Weihnachtsmarkt“ nennen darf,
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wo ist dieser Weih nachtsmarkt? Wo? – Gegenruf des Abg. Daniel Andre as Lede Abal GRÜNE: Fantasie!)
oder dass man sich dafür schämen müsste oder sonst irgend etwas. Denn dadurch wird unterstellt, dass der Islam dazu führt, dass man irgendwelche Traditionen, die aus dem Chris tentum kommen, nicht mehr benennen darf oder aufgeben muss. Das schürt Ängste. Das hätten Sie heute zurücknehmen können und sollen.
Die einfache Aussage, dass der Islam zu Baden-Württemberg gehört, ist eine Botschaft, die der frühere Bundespräsident ge tätigt und die die Bundeskanzlerin unterstrichen hat, die je doch aus Ihren Reihen heraus massiv bekämpft wird. Es wä re aber gar nicht nötig gewesen, sich demonstrativ davon zu distanzieren. Wir stellen jedenfalls fest, dass sich Herr Wolf diese Aussage nicht zu eigen macht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist es auch mein Anliegen, bei solchen sehr wichtigen Fragen Konsens herzu stellen; denn schließlich geht es um den Zusammenhalt unse rer Gesellschaft. Diese Debatte soll genau dazu dienen.
(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sie schon, Herr Kretschmann! Aber Ihre Fraktion nicht! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Das ist Ihnen auch gelungen!)
Ich kann dabei aber auch keine Überheblichkeit feststellen, Herr Kollege Wolf. Sie haben aber ein Problem. Sie haben es aufgemacht, nicht wir.
Als der damalige Bundespräsident den Satz gesagt hat: „Der Islam gehört zu Deutschland“, war das eine sehr große Über raschung und hat Debatten ausgelöst. Jeder weiß, dass das ei ne der wichtigen Reden von ihm war, die man im Gedächtnis behalten wird. Das war nämlich die richtige Ansage zur rich tigen Zeit.
Versetzen Sie sich einfach einmal in einen Muslim hinein, der hier lebt. Jetzt hört dieser Muslim, er gehöre zu Deutschland und zu Baden-Württemberg, aber der Islam nicht.
Jetzt überlegen Sie einmal: Wie soll denn dieser Mensch mit diesem Widerspruch fertig werden? Das ist jetzt eine Denk aufgabe, die an Sie und nicht an mich gerichtet ist.
Ich will deutlich sagen, dass auch wir diese Umfragen und die Studie der Bertelsmann Stiftung kennen. Laut dieser Studie haben 61 % der Befragten gesagt, der Islam passe nicht zur westlichen Welt. Ich meine, das ist eine höchst beängstigen de Zahl.
40 % fühlen sich durch Muslime wie Fremde im eigenen Land. Jeder Vierte fordert, die Einwanderung von Muslimen zu verbieten.
Ich bin der Ansicht, dass die Bundeskanzlerin mit ihrer kla ren Aussage in solch einer Situation das getan hat, was man von einer Bundeskanzlerin erwarten kann: Sie hat Führung übernommen in diesem Land.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Mi nisters Dr. Nils Schmid und der Ministerin Theresia Bauer)
Sie hat Führung übernommen, sie hat Orientierung gegeben, und sie hat Klarheit vermittelt. Das ist wichtig in dieser De batte. Deswegen war es richtig, das noch einmal aufzuwerfen und diese Position kritisch zu durchleuchten. Das ist natürlich überhaupt keine vordergründige, parteipolitische Debatte.
Mit derartigen dissidenten Aussagen führender Politiker muss man sich auseinandersetzen, weil sie – ich wiederhole mich – eine fundamentale Frage berühren, nämlich die Frage des Zu sammenhalts unserer Gesellschaft.
Im Übrigen kann ich feststellen, dass wir uns in der Sache bei sehr vielen Fragen Gott sei Dank einig sind.
Das sollten wir auch befördern. Politik ist immer auch eine sehr praktische Angelegenheit. Wir wissen aber auch, dass in einer Gesellschaft Worte immer sehr mächtig sind. Überschrif ten – und das ist wirklich eine politische Überschrift – geben Orientierung oder begünstigen Desorientierung.
Wir sagen klar und deutlich, dass die Muslime willkommen sind und dass uns der Islam wie alle anderen Religionsgemein schaften, die sich auf dem Boden unserer freiheitlichen Grund ordnung entfalten wollen, willkommen ist und uns bereichern wird. Dafür werden wir bei der Bevölkerung werben. Ich kann nur alle auffordern, dies auch mit Entschiedenheit und Klar heit zu tun.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Mi nister Dr. Nils Schmid und Andreas Stoch und der Ministerin Theresia Bauer)
Meine Damen und Herren, es lie gen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung er ledigt.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW) – Drucksache 15/6403